„Die Bürger:innen wollen mehr Mitsprache“ – wie Klimaschutz und Demokratie zusammenhängen

Die Klimakrise ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Und nimmt als solche mittlerweile eine immer größere Rolle im demokratischen Diskurs ein – zum Glück. Gleichzeitig gehen Teile der Gesellschaft immer stärker auf Distanz zu den notwendigen Klimaschutz- und Transformationsmaßnahmen – aber auch zur Demokratie selbst. Wie das kommt und warum Klimaschutz und Demokratie untrennbar verbunden sind, erklärt Prof. Dr. Henrike Knappe, Gastprofessorin an der TU Berlin für das Fachgebiet Umwelt-Governance.

Klimaschutz und Demokratie – auf den ersten Blick zwei Begriffe, die wenig miteinander zu tun haben. Was verbindet die beiden überhaupt, Frau Prof. Knappe?

Eine demokratische Öffentlichkeit ist notwendig, um überhaupt ein Bewusstsein für Klimaschutz in der Gesellschaft zu entwickeln. Nur durch zum Beispiel eine plurale Medienlandschaft und freie Forschung konnten überhaupt die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel in der breiteren Öffentlichkeit publik und diskutiert werden. Umgekehrt wird es natürlich unter sich verschärfenden Folgen der Klimakrise auch immer schwieriger, demokratische Systeme stabil zu halten. Immerhin verschärfen sich so die sozialen Ungleichheiten, national wie global, und tragen zum Gefühl einer vermeintlich gespalteten Gesellschaft bei. Klimaschutz stärkt als solche unmittelbar die Demokratie.

Die Klimakrise hat in den letzten Jahren eine immer größere Rolle im demokratischen Diskurs eingenommen. Gleichzeitig scheinen sich Teile der Gesellschaft von der parlamentarischen Demokratie zu entfremden. Wie ist das zu erklären?

Als Gastprofessorin und Leiterin des Fachgebiets Umwelt-Governance der TU Berlin ist Prof. Dr. Henrike Knappe Expertin für Fragen zu Klimaschutz und Demokratie. © Henrike Knappe

Ich würde das etwas differenzieren. Ja, das Vertrauen in demokratische Institutionen ist nicht sonderlich hoch. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass sich breite Teil der Gesellschaft ein autoritäres System wünschen. Ich denke, es gibt viel Unzufriedenheit mit der Art, wie Politik gemacht und vermittelt wird.

Aber die Transformationsprozesse, die durch die Klimakrise notwendig geworden sind, stellen die Politik tatsächlich vor große Herausforderungen. Und sie werden vielen Teilen der Gesellschaft einiges abverlangen – oder tun es in der individuellen Wahrnehmung schon jetzt. Da funktioniert ein Politikstil, der versucht, der Bevölkerung zu suggerieren, dass sie keine Zumutungen zu erwarten hätten, vermutlich so nicht mehr. Das spüren auch viele Bürger:innen. Und wollen zum Beispiel auch mehr Mitsprache, also im Prinzip mehr Demokratie als weniger.

Welche Rolle spielt die Klimakrise bzw. die Maßnahmen gegen sie ihrer Meinung nach bei der heutigen „Demokratiekrise“, von der manche sprechen?

Ich wäre etwas vorsichtig mit dem Begriff „Demokratiekrise“ – zumindest hier in Deutschland. Wir sehen in anderen Ländern, wie bei unseren Nachbarn in Polen, wie Demokratien in handfeste Krisen geraten können und demokratische Institutionen und Prinzipien systematisch abgebaut werden. So eine Situation haben wir in Deutschland momentan nicht. Durch die massenhaften Proteste für Demokratie und gegen Rechtsextremismus sehen wir aktuell sogar hautnah, dass unsere Demokratie doch auch sehr stark getragen wird von einem breiten zivilgesellschaftlichen Engagement.

Was wir aber natürlich auch beobachten, ist, dass es immer wieder starken lokalen Widerstand gegen einzelne Maßnahmen gibt, wie zum Beispiel bei Windparks oder autofreien Straßen. Da muss man dann genau hinschauen. Sind das Menschen, die sich übergangen fühlen und tatsächlich nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen wurden oder gibt es dort organisierte Gruppen, die teils auch sehr stark antidemokratische Narrative schüren?

Wie müssen die Herausforderungen der Klimakrise in einer Demokratie angegangen werden, damit es nicht zu einer Überforderung kommt?

Die Frage ist viel mehr: Wer wird überfordert? Unsere Demokratie ist auf jeden Fall stark gefordert. Dadurch, dass lange zu wenig gegen die Klimakrise getan wurde, gibt es nun einen enormen Handlungsdruck. Die EU hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Die Probleme liegen in der Umsetzung. Das zeigt auch unsere Forschung. Politik und Verwaltungen haben mit ganz unterschiedlichen Problemen zu kämpfen: viel Bürokratie und wenig Ressourcen, gerade wenn es darum geht, tatsächlich Transformationsprojekte anzuschieben. Da müsste sich vieles verbessern.

Welche Folgen haben die Klimakrise und der wachsende Druck auf das demokratische System für Gesellschaft, Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland?

Tja, das ist eine gute Frage. Dass die Klimakrise sich auf unseren Wohlstand auswirken wird, ist wohl jetzt schon absehbar. Ich denke, die entscheidende Frage ist, wie wir es schaffen, dass gesellschaftlich zu verhandeln und Belastungen gerecht zu verteilen. Maßnahmen, die mehr Akzeptanz für die Transformation schaffen, wie etwa das lang erwartete Klimageld, könnte hier eine Schlüsselrolle zukommen.

Jetzt zum Wichtigsten: Wie können wir diesen multiplen (gefühlten) Krisen am besten begegnen?

Darauf habe ich jetzt leider kein Patentrezept. Aber die aktuellen Demonstrationen für eine starke Demokratie machen mir Hoffnung und ich denke generell müssen klimapolitische Maßnahmen stärker dialogorientiert kommuniziert und umgesetzt werden. Wenn Bürgerinnen und Bürger nachhaltig und gerecht an Klimaschutzmaßnahmen beteiligt werden, dann kann das auch das demokratische Bewusstsein stärken.

Finn Rohrbeck
finn.rohrbeck@naturstrom.de

unterstützt seit Juni 2022 das Presseteam bei naturstrom. Zuvor arbeitete er im Veranstaltungsmanagement der Verbraucherzentrale NRW und beschäftigte sich dort mit den Themen Energie und Energieberatung.

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