2023 feiern wir bei naturstrom Jubiläum, vor 25 Jahren wurde der Öko-Energieversorger als Aktiengesellschaft gegründet. Aber warum eigentlich in dieser Form? Diese Frage haben wir im letzten Vierteljahrhundert schon häufiger gehört. Höchste Zeit, dass wir im Blog auf die Hintergründe eingehen und die daraus erwachsenden, aber auch die darüber hinausgehenden Beteiligungsmöglichkeiten des naturstrom-Kosmos skizzieren.Am 16. April 1998 trafen sich in Düsseldorf 16 Menschen aus der Erneuerbare-Energien- sowie der Umweltszene, um die Möglichkeiten der gerade erfolgten Strommarktliberalisierung zu nutzen. Den Menschen in Deutschland sollte ein grünes Alternativangebot zu der bis dato monopolistischen Versorgung durch die regionalen Stadtwerke gemacht werden: Die naturstrom AG ist geboren!
Warum eine Aktiengesellschaft?
Von Anfang an ist klar, dass das neue Unternehmen nicht nur die dezentrale Energiewende voranbringen soll. Auch die Wertschöpfung soll möglichst breit und bürger:innengetragen generiert werden. Um einerseits tiefgreifende Beteiligungsmöglichkeiten für möglichst viele Menschen zu schaffen, gleichzeitig aber auch das notwendige Kapital für die hochtrabenden Pläne einwerben zu können, wird der frisch aus der Taufe gehobene neue Energieversorger in Form einer Aktiengesellschaft gegründet. Die Aktionär:innen können dabei sowohl über jährliche Dividendenzahlungen aus den erwirtschafteten Gewinnen wie auch von der erhofften Wertentwicklung des Unternehmens und damit der Aktie profitieren. Einen eindeutigen Grund, warum naturstrom eine AG wird, gibt es zwar nicht, und sicher wären auch andere bürgernahe Gesellschaftsformen denkbar gewesen. Aber die Aktiengesellschaft bietet eben sowohl hinsichtlich breiter Beteiligung als auch in Sachen Kapitalbeschaffung viele Möglichkeiten. Und der Aktienhype Ende der 1990er-Jahre, man denke an den Telekom-Börsengang, mag auch eine Rolle gespielt haben. 😉Zunächst stellten vor allem die Gründungsväter- und -mütter das Gesellschaftskapital. Früh hinzu kam die eco eco AG. Das Finanz- und Projektunternehmen fördert bewusst grüne Geschäftsmodelle und will so den oft fälschlicherweise proklamierten Gegensatz von Ökologie und Ökonomie überwinden. Bis heute ist die eco eco mit einem Besitzanteil von knapp einem Viertel der Gesellschaft zentraler Ankeraktionär bei naturstrom. Und sichert so die Unabhängigkeit des Unternehmens ab.Nachdem das Grundkapital der naturstrom AG rund um den Jahrtausendwechsel noch etwas unter vier Millionen Euro betrug, hat sich dieses bis heute durch einige Kapitalerhöhungen um ein Mehrfaches gewachsen. Dies entspricht auch der deutlich gewachsenen Unternehmensgröße. Heute weist die naturstrom AG ein Grundkapital von 30,5 Millionen Euro auf, verteilt auf 2.440.000 Stückaktien.
Wem gehört die naturstrom AG?
Mehr als 1.700 Menschen und Organisationen besitzen naturstrom-Aktien – ihnen allen gehört damit ein Anteil an dem Unternehmen. Über die Hälfte der Aktien liegt dabei in der Hand von Kleinaktionär:innen. Diese halten jeweils weniger als ein Prozent des gesamten Aktienbesitzes. Darunter sind viele Mitarbeiter:innen von naturstrom, die das Unternehmen also nicht nur im Alltagsgeschäft tragen, , sondern ganz bewusst über Aktienzuteilungen auch zu Mitbesitzer:innen gemacht werden. Aber auch viele andere Menschen, die auf der Suche nach wirklich grünen Anlagemöglichkeiten waren, finden sich unter den Kleinaktionär:innen. Daneben gibt es einige wenige Personen und Organisationen mit einem Anteil von mehr als einem bis gut fünf Prozent sowie die schon benannte eco eco AG als Ankeraktionär, die aber mit einem Besitzanteil von weniger als 25 Prozent ebenfalls keinen bestimmenden Einfluss ausüben kann. Der genaue Unternehmenskurs wird damit gemeinschaftlich von einer Vielzahl von Menschen und Organisationen bestimmt.Damit ist auch in diesem Aspekt Dezentralität handlungsleitend bei naturstrom: Wir setzen auf die Kraft der Vielen statt zentrale Strukturen – bei der Umsetzung der Energiewende, bei der Organisation des Geschäftsbetriebs und eben auch beim Besitz des Unternehmens. Die genaue Besitzverteilung wird übrigens auf unserer Homepage jederzeit transparent ausgewiesen.
Wie kann ich mich an naturstrom beteiligen?
Der Vorteil an Aktiengesellschaften und einer der zentralen Aspekte, warum naturstrom als eine solche gegründet wurde: Der Besitz am Unternehmen kann unter sehr vielen Menschen aufgeteilt sowie gehandelt werden. Daher ist es jederzeit möglich, einfach durch Aktienkauf Teil der naturstrom-Anteilseigner:innen zu werden – also zumindest, wenn man Menschen findet, die ihre Aktien abgeben wollen. Das ist aufgrund der hohen Verbundenheit vieler Aktionär:innen zum Unternehmen tatsächlich nicht so ohne Weiteres möglich wie bei anderen Aktiengesellschaften. Allerdings gibt es auch regelmäßig Verkaufsangebote. Details zu Interessensbekundungen, zugehörigen Dokumente und zur aktuellen Kursentwicklung sind online zu finden.Neben dem Ankauf bestehender Aktien gab es in der Geschichte von naturstrom auch häufiger Kapitalerhöhungen, durch welche neue Aktien ausgegeben wurden. Auch das ist natürlich eine Möglichkeit, neue Anteilseigner:innen zu gewinnen. Die letzte Kapitalerhöhung fand dabei im Jahr 2012 statt. Der damalige Kapitalaufwuchs wurde allerdings vollständig von bestehenden Aktionär:innen, Menschen aus dem Unternehmen und der naturstrom-Stiftung gestemmt, da diese bevorzugt berücksichtigt wurden. Die hohe Identifikation der bestehenden Unternehmensbesitzer:innen kann also die Vergabe der Unternehmensaktien an bisher nicht beteiligte Menschen durchaus erschweren. Dennoch gibt es eben immer wieder Möglichkeiten, auch neu bei als Mitbesitzer:in bei naturstrom einzusteigen.Die konkrete Mitbestimmung findet in Form der mindestens jährlichen Hauptversammlungen statt. Hier können alle Aktionär:innen über Vorstand und Aufsichtsrat, über die Verwendung erzielter Einnahmen sowie über grundlegende Unternehmensentscheidungen mitbestimmen. Dazu muss man übrigens nicht zwingend anwesend sein, man kann die eigenen Stimmen auch delegieren bzw. das Abstimmungsverhalten vorab einreichen. Informationen zur Vorbereitung sowie Ergebnisse bisheriger Hauptversammlung sind offen einsehbar.Für Interessierte: Die Hauptversammlung im Jubiläumsjahr 2023 über das ordentliche Geschäftsjahr 2022 findet am 12. August in Berlin statt. Dabei sein, lohnt sich!
Kann man auch über andere Wege bei der naturstrom AG und ihren Projekten mitwirken?
Ja, unbedingt! Eine breite Bürger:innen-Beteiligung an der Energiewende ist uns ein großes Anliegen und war einer der Gründe, warum das Unternehmen als Aktiengesellschaft gegründet wurde. Aber auch darüber hinaus wollen wir Menschen in unsere Energiewende-Aktivitäten mit einbeziehen.Zum einen sind finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten an dem Unternehmen selbst zu nennen. Die Umsetzung der Energiewende braucht viel Geld, das wir uns im Regelfall bei Banken leihen – aber wir machen dabei eben bewusst auch immer wieder Angebote für Bürger:innen, etwa über Nachrangdarlehen. Eine Win-Win-Situation: Das Unternehmen muss so für die eigenen Projekte weniger Geld bei Banken auftreiben, was die Kredite und die Finanzierung oft günstiger macht. Und die Bürger:innen können mit eigenen Ersparnissen die Energiewende voranbringen und durch feste Renditen von den realisierten Projekten profitieren.In den kommenden Jahren wird dieser Kapitalbedarf angesichts der notwendigen Beschleunigung der Energiewende noch deutlich größer werden. Um dies zu stemmen, haben wir die NaturEnergy als Ausgründung von naturstrom ins Leben gerufen – ebenfalls als Aktiengesellschaft bzw. als KGaA, einer auf Aktien basierenden Sonderform der Kapitalgesellschaften. Die NaturEnergy soll sich insbesondere um die Finanzierung, die Realisierung und den Betrieb von Erneuerbare-Energien-Projekten kümmern. Durch die Ausgründung kann sich dieses Geschäftsfeld gerade im Kapitalmarkt sehr flexibel bewegen, ohne die Unabhängigkeit von naturstrom zu gefährden. Zur weiteren Kapitalaufnahme werden dabei immer wieder auch Angebote für Bürger:innen gemacht, etwa über die bereits angesprochenen Nachrangdarlehen oder auch über Kapitalerhöhungen. Aktuell ist etwa eine solche Kapitalerhöhung, die sich speziell an kleinere Investor:innen richtet, bei der NaturEnergy in Vorbereitung. Näheres wird voraussichtlich Richtung Jahresende hier zu lesen sein.Daneben bieten wir auch im Rahmen der einzelnen Energiewende-Projekte selbst immer wieder Beteiligungen an den lokalen Betriebsgesellschaften an. Oder wir realisieren Projekte gemeinsam mit Bürgerenergiegesellschaften vor Ort. So oder so, es geht darum, dass die Menschen in den Standortkommunen direkt von den Wind- und Solaranlagen im eigenen Lebensumfeld profitieren. Daher sind entsprechende Investitionsangebote oft auch auf die Menschen in den Anrainerkommunen beschränkt. Teilweise werden solche Projektbeteiligungen aber auch bundesweit angeboten – hier arbeiten wir in der Regel mit der eco eco-Tochter Klimaschwarm zusammen, die aber auch weitere Beteiligungsangebote außerhalb von naturstrom organisiert.
Kann man als Aktiengesellschaft ökologisch wirtschaften?
Natürlich! Die Frage ist ja nicht, welche Gesellschaftsform ein Unternehmen hat, sondern welche Werte und Strategien die Besitzer:innen sowie Vorstand und Mitarbeitende verfolgen. Genauso wie eine AG sich auf nachhaltiges und unschädliches wirtschaftliches Handeln verpflichten kann, könnte auch eine GmbH oder eine Genossenschaft nur am schnellen Profit zu Lasten Dritter interessiert sein, wenn die beteiligten Menschen das so mittragen.Leider muss man sagen, dass die Börsenwelt und damit Aktiengesellschaften mit einer vorrangigen Shareholder-Value-Orientierung tatsächlich kein gutes Beispiel für werteorientiertes Wirtschaften sind. Dies liegt dann aber oftmals an großen Finanzinvestoren, die die Unternehmen rein auf Renditeoptimierung trimmen. Natürlich müssen in unserer Wirtschaftswelt schwarze Zahlen geschrieben werden. Das gilt unabhängig von der Gesellschaftsform und gerade auch für im Sinne der Umwelt vernünftige Geschäftsmodelle.Eine Profitmaximierung für Einzelne auf Kosten von Ökologie und Gesellschaft lehnen wir aber grundlegend ab – und das sehen auch unsere Aktionär:innen so. Im Gegenteil: Es gab mehrfach Anträge von Aktionär:innen, auf eigentlich vorgesehene Dividendenzahlung zu verzichten und die Gelder lieber in die Energiewende zu stecken. Wobei natürlich vollkommen legitim ist, dass die Aktionär:innen mit ihrer Beteiligung auch Geld verdienen wollen. Ohnehin werden bei naturstrom Dividendenzahlungen immer vorsichtig kalkuliert, um ausreichend Investitionen in neue Projekte stecken und so dem eigenen Hauptauftrag – dem Vorantreiben der Energiewende – gerecht werden zu können.
Warum wird die naturstrom-Aktie nicht an der Börse gehandelt?
Wie beschrieben, ist nachhaltiges Unternehmertum unabhängig von der Rechtsform. Daher könnten natürlich auch börsengehandelte Aktiengesellschaften sinnvolle Geschäftsmodelle verfolgen. Dennoch führen einige Grundprinzipien der Börse wie der anonyme Handel, die sehr schnellen Transaktionen sowie die Anwesenheit vorrangig renditeorientierter und sehr finanzstarker Akteure dazu, dass im Börsenhandel der Fokus sehr viel eher auf kurzfristigen Erträgen statt nachhaltigen Entwicklungsmöglichkeiten liegt – also genau das Gegenteil unserer Idee von verantwortlichem Wirtschaften. Dazu kommt, dass die eigene Unabhängigkeit für naturstrom ein zentraler Wert ist: Wir wollen keinerlei Verflechtungen mit der Kohle- und Atomwirtschaft haben – das wäre im anonymen Börsenhandel nur schwer zu garantieren. Daher halten wir uns sehr bewusst von der Börse fern – wie auch schon im Stromhandel. Durch die breit verstreute Anlegerschaft, den eng verbundenen Ankeraktionär und die Beteiligungsverwaltung im eigenen Unternehmen kann die Unabhängigkeit des Unternehmens dauerhaft abgesichert werden.
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Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.