Zahl des Monats – Deutschlands Klimaziel: Vertagt auf „the next generation“

2038 – so lange wird es Berechnungen des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e. V. (BEE) zufolge dauern, bis das für das Jahr 2020 anvisierte Klimaziel erreichet wird – vorausgesetzt, die kommenden Bundesregierungen halten das aktuelle Tempo in puncto Treibhausgas-Reduktion bei. Damit werden die Klimaschutzziele erst 18 Jahre und damit eine ganze Generation später als geplant erreicht. In unserer Serie ‚Zahl des Monats‘ präsentieren wir interessante Zahlen aus den Bereichen Energiewende, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, die uns besonders überrascht oder begeistert haben.

„Wir wollen für unsere Kinder und Enkelkinder eine intakte Natur bewahren“ – so heißt es in Zeile 6475 des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD. Eine lobenswerte Formulierung, die jedoch mehrere Schönheitsfehler beinhaltet: Konkrete Handlungen zum Erreichen des nationalen Klimaschutzziels werden augenscheinlich auf spätere Generationen vertagt. Doch auch die Menschen, die heute leben, spüren den Klimawandel bereits. Weltweit häufen sich extreme Wetterereignisse, wie Dürren, Stürme oder Starkregen. Zudem ist es dringend notwendig, schon jetzt zu handeln, damit unsere Kinder und Enkelkinder auch tatsächlich in Zukunft eine intakte Natur vorfinden.

Anders als vor 11 Jahren geplant werden aber die nationalen Klimaschutzziele nicht bereits 2020, sondern erst 18 Jahre – und damit eine ganze Generation später – erreicht. –So lautet eine Prognose des Bundesverbandes Erneuerbare Energie – es sei denn, die Bundesregierung verstärkt ihre Bemühungen zum Klimaschutz schon bald massiv. Denn sonst wird ein Aufhalten des Klimawandels wieder einmal auf spätere Generationen vertagt und nicht mehr möglich sein.

Grafik: Wenn Deutschland sein bisheriges Tempo in puncto Klimaschutz beibehät, wird das Klimaziel erst 2038 erreicht.

Grafik: Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.

Warum kann Deutschland das Klimaziel 2020 nicht halten?

Schon 2007 hatte sich die damalige Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP das Ziel gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 40 Prozent senken. Bis Anfang 2017 konnten die Emissionen aber lediglich um 27,6 Prozent reduziert werden. Es bleibt eine Lücke von 12,4 Prozent. Betrachtet man alleine die Zahlen des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes, so zeigt sich, dass dieser zwischen 2005 und 2016 im Durchschnitt lediglich um rund 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr gesunken ist. In einigen Jahren – wie 2015 und 2016 – sind die Emissionen sogar um knapp 5 Millionen Tonnen gestiegen.

Die Gründe hierfür liegen unter anderem in einer Reihe von Fehleinschätzungen. So wuchs die Wirtschaft beispielsweise stärker als angenommen, wodurch der Stromverbrauch stieg. Trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien laufen zudem alte Kohlekraftwerke weiter.

Neben dem Stromsektor müssen weitere Bereiche zukünftig umwelt- und klimafreundlicher gestaltet werden, wie etwa der Verkehrs- und Wärmesektor oder die Landwirtschaft. In all diesen Bereichen ist bislang kaum etwas von einer Wende zu spüren. Beispiel Verkehrswende: Statt der für das Jahr 2020 geplanten einer Million Elektrofahrzeuge rollten laut Statista zum 1. Januar 2017 erst rund 34.000 reine E-Autos über deutsche Straßen. Auch beim Aufbau einer für die Stromer benötigten Ladeinfrastruktur hinkt Deutschland hinterher.

Industrielandschaft bei Sonnuntergang

Starkes Wirtschaftswachstum und der Weiterbetrieb alter Kohlekraftwerke haben mit dazu beigetragen, dass Deutschland sein selbstgestecktes Klimaziel verfehlt. Foto: Pixabay/Foto-Rabe

Was müsste getan werden, um das Klimaziel doch noch zu erreichen?

Um das Klimaschutzziel 2020 noch rechtzeitig zu erreichen, wären dem BEE zufolge ein deutlich höherer Ausbau erneuerbarer Energien im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sowie ein schneller Kohleausstieg vonnöten. Für den Branchenverband steht fest: Die neue Bundesregierung muss rasch handeln und ihre Bemühungen deutlich intensivieren, um die Klimaschutzziele noch zu erreichen.

Zwar bekennen sich die Verfasser des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD insgesamt zu den Klimaschutzzielen, doch gleichzeitig erklären sie lediglich die Absicht, diese bis 2030 zu erreichen. Klima- und Energieexperten kritisieren zudem die im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen als zu unkonkret und zu kleinteilig. Wenn also nicht schon bald mutige Beschlüsse zum Klimaschutz in Angriff genommen werden, könnte der BEE mit seiner Prognose recht behalten – und die Klimaziele für 2020 würden erst eine Generation später erreicht werden.

Miriam Ersch-Arnolds
ersch@naturstrom.de

arbeitete bis Februar 2019 in der Pressestelle von NATURSTROM. Ihre Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit wurde während ihrer Zeit als Mitarbeiterin einer Fairhandels-Organisation geweckt und begleitet sie bis heute auch ehrenamtlich. E-Mail

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