„Wir sind auf dem richtigen Weg in Sachen Geschlechtergerechtigkeit “ – Sophia Eltrop zu Frauen in der Energiebranche

Zum diesjährigen Weltfrauentag blicken wir mit kritischem Auge auf den historisch vor allem männlich dominierten Energiesektor. Wie ist die Lage in unserer Branche? Dazu sprechen wir mit unserer Vorständin Sophia Eltrop. Über den Kampf gegen Geschlechterdiskriminierung im öffentlichen Sektor, Unterschiede zwischen Ost und West und warum die junge Generation Hoffnung auf eine geschlechtergerechtere Zukunft gibt.

Erstmal zu dir, Sophia: Nach dem Studium warst du eine der ersten Frauen überhaupt, die in Bonn in der Grundsatzabteilung des heutigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gearbeitet haben. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?

Einerseits waren da die beeindruckenden Kompetenzen der Beamten im Ministerium, die zu jedem wirtschaftlichen Sachverhalt aus dem Stand alle zugehörigen Details vortragen konnten. Andererseits gab es damals noch großen Widerstand gegen Neuerungen jeder Art – inhaltlich, methodisch und gesellschaftlich.

Dass mein Vorgesetzter mit mir nicht nur keine Juristin, sondern auch noch eine Frau als Mitarbeiterin bekommen hatte, empfand er als Schmach. Und dann wollte ich zum Arbeiten auch noch lieber einen Computer als ein Diktiergerät! Das hat er gar nicht verstanden. Er legte mir häufiger nahe, ich solle doch endlich heiraten und damit den Beruf aufgeben.

Aus dieser Zeit habe ich auch mitgenommen, wie schwer es ist, Veränderungen von innen anzustoßen. Es braucht die Unterstützung einer Gruppe, die sich gegenseitig stützt und zusammenhält. Und: Leider braucht es den Druck von außen. Sonst können Kräfte von innen nichts ändern.

Sophia Eltrop im Gespräch, II

Sophia Eltrop gehört seit Oktober 2022 zum Vorstand der naturstrom AG und verantwortet das Ressort Finanzen, Personal und IT.  Zuvor war sie in der Geschäftsführung der Stadtwerke Potsdam und in der kommunalen Wohnungswirtschaft tätig.

Mehr zu ihrem Werdegang verrät sie in ihrem Antrittsinterview.

In der zweiten Hälfte der 90er hast du dann auch viel in den neuen Bundesländern gearbeitet. Inwieweit war es dort damals anders?

Frauen im Dienst und zumindest in mittleren Führungsfunktionen waren viel selbstverständlicher als im Westen. Auch in technischen Themen, die ich selbst immer gerne begleitet habe, fanden sich im Vergleich viel mehr Frauen. Für mich war das ausgesprochen entlastend. Statt mich unentwegt erklären zu müssen, konnte ich mich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren.

Nach der Geburt meiner Tochter zeigten sich die Ost-West-Unterschiede noch weiter: Die Kinderbetreuung von Kita bis Grundschule war in den neuen Bundesländern oft besser und verlässlicher als im Westen. Und alle Eltern nutzten diese Angebote auch. Das machte es mir deutlich einfacher, Karriere und Kind zusammen zu bringen. Und nicht nur mir: Besonders für meine Tochter war es hilfreich, dass ihre Mutter eben keine Ausnahme war, weil alle Mütter arbeiteten und alle Kinder gleich betreut wurden. Das machte es für uns so viel leichter.

Und heute, hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt?

Das denke ich schon. Gerade im öffentlichen Sektor ist es besser geworden und mittlerweile ist dieser sogar ein Antreiber für Gleichberechtigung. Und auch in der Wirtschaft tut sich was, wenn auch langsamer. Doch noch immer sind weniger Frauen als Männer erwerbstätig. Aber wir holen auf – obwohl sich der Trend seit 2013 verlangsamt.

Besonders deutlich zeigen sich die alten Strukturen allerdings noch beim Blick auf Führungspositionen. Nur knapp jede dritte Führungskraft war 2022 eine Frau. Und je höher das Amt desto deutlicher zeigt es sich. Manche Vorstandsetagen verweigern sich bis heute weiter der Diversifizierung und sind noch klar männlich dominiert.

Und wie sieht es in der Energiebranche aus?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, der Energiesektor hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark gewandelt. Es gibt – auch dank der Strommarktliberalisierung – nicht mehr nur die alteingesessenen fossilen Riesen und Monopolisten. Gerade im wachsenden Erneuerbaren-Segment gibt es viele junge Unternehmen, oft mit höherem Anteil weiblicher Mitarbeiter. Wahrscheinlich ist auch das kein Zufall, stehen Frauen Klimaschutz und Energiewende doch in der Regel deutlich positiver gegenüber als Männer. Und mit Claudia Kemfert und Simone Peter sind zwei der wohl renommiertesten Energiewende-Befürworter:innen Frauen.

Dennoch stellen Männer noch immer die Mehrheit im technisch geprägten Energiesektor. Nur knapp ein Drittel der Beschäftigten sind Frauen. Laut pwc-Studie von 2022 steigt die Zahl jedoch stetig – auch bezogen auf Führungspositionen. In der Unternehmensführung liegt der Anteil bundesweit bei 15,5 Prozent, auf unteren Führungsebenen noch etwas höher. Gerade dort zeigt sich noch immer das Ost-West-Gefälle. So ist der Anteil von Frauen in Leitungsfunktionen in den neuen Bundesländern um rund 10 Prozent höher.

Alles in allem ist der Sektor auf einem guten Weg, aber wir haben auch noch einiges zu tun in Sachen Geschlechtergerechtigkeit.

Wie ist es bei naturstrom?

Erfreulicherweise brechen wir etwas aus dem deutschen Durchschnitt aus: Mit knapp über 50 Prozent stellen Frauen bei uns sogar die Mehrheit aller Beschäftigten. Vier von zehn Team- und Abteilungsleitungen sind in weiblicher Hand. Und der Vorstand ist mit Kirsten Nölke und mir sogar zu zwei Dritteln mit Frauen besetzt.

Das Ganze ist aber keineswegs das Resultat konkreter unternehmerischer Regeln und Vorschriften. Vielmehr sehe ich es als Ergebnis unserer Unternehmenskultur, die ganz klar geschlechtsunabhängig auf die Leistung und Kompetenzen der Mitarbeiter:innen blickt.

naturstrom und die Branche sind also auf dem richtigen Weg, aber es muss sich noch viel tun. Was können wir machen?

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Netzwerkangeboten für Frauen in der Energiewirtschaft, die helfen in dieser so spannenden und zukunftsweisenden Branche Fuß zu fassen. Organisationen wie Women of New Energies e.V. oder das Hypatia-Netwerk sind dabei auf den Bereich der Erneuerbaren Energien spezialisiert und leisten tolle Netzwerkarbeit. Wie ich eingangs sagte: Am besten geht es, wenn man sich zusammentut. Ich empfehle daher allen, die sich für eine Karriere im Energiebereich interessieren, sich dort einmal schlau zu machen und mit anderen Frauen ins Gespräch zu kommen.

Mir ganz persönlich geben auch die vielen jungen Frauen wie etwa Luisa Neubauer, die sich seit Jahren bei Fridays For Future engagieren, große Hoffnung. Sie sind es, die die Themen Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimaschutz gesellschaftlich verankern und in der Tagespolitik halten. Es würde mich nicht wundern, wenn viele von ihnen dieses Engagement auch in ihre persönlichen beruflichen Entscheidungen miteinfließen lassen und sich für eine Karriere in der Energiebranche entscheiden. Grundsätzlich etwas, was ich allen jungen Menschen nur wärmstens empfehlen kann! Sinnstiftende Arbeit für Gesellschaft und Planeten.

Das ist doch ein schönes Schlusswort, vielen Dank für deine Zeit, Sophia!

Finn Rohrbeck
finn.rohrbeck@naturstrom.de

unterstützt seit Juni 2022 das Presseteam bei naturstrom. Zuvor arbeitete er im Veranstaltungsmanagement der Verbraucherzentrale NRW und beschäftigte sich dort mit den Themen Energie und Energieberatung.

1 Kommentar
  • Andres Schug
    Gepostet um 12:18h, 09 März Antworten

    Danke. Sophia und Finn, für dieses positive und für die Branche richtungsweisende Interview 🙂

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