Die Energiewende, der Klimawandel – welche Rolle spielt das Geschlecht?

Die Energiewende hat weder Geschlecht noch Hautfarbe – dennoch mutet sie oft erstaunlich männlich und weiß an. Dabei sind es Studien zufolge Frauen, die Erneuerbaren Energien besonders positiv gegenüber stehen. Gleichzeitig sind sie es, die von den Folgen der Klimakrise am stärksten betroffen sind – schon heute.

Gleich vorneweg: Wenn wir von Frauen und Männern sprechen, meinen wir die Zugehörigkeit zu den jeweiligen sozialen Gruppen mit allen jeweiligen gesellschaftlichen Implikationen, auch wenn dieser Durchschnitt eben keine Betrachtung individueller Erfahrungen sondern die Summe daraus ist. Genauso wenig wie Einzelpersonen ist damit das biologische Geschlecht gemeint.

„[…] beim Vorgehen gegen Klimaänderungen [sollen die Vertragspartner des Pariser Klimaschutzabkommens] ihre jeweiligen Verpflichtungen im Hinblick auf […] die Stärkung der Rolle der Frau […] achten, fördern und berücksichtigen […]“, heißt es in der Präambel des Paris-Abkommens. Doch ist diese Betonung aufs Geschlecht wirklich nötig? Ja, ist sie.

Frauen sind besonders stark von der Klimakrise betroffen

Laut der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. zählen vor allem Frauen zu den Opfern der Klimakrise. Schon heute treffen sie Naturkatastrophen besonders. Ein Beispiel: Bei einem Tsunami in Südostasien 2004 kamen viermal so viele Frauen wie Männer ums Leben. Während Männer zum Zeitpunkt der Katastrophe meist arbeiten waren, befanden sich Frauen häufig zu Hause – und wurden so zu spät oder gar nicht gewarnt. Bei ihrer Flucht waren sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für Kinder und Ältere verantwortlich (Stichwort Care-Arbeit) – ein entscheidender Nachteil im Kampf gegen die Flut.

„Der Klimawandel wirkt sich weltweit stärker auf Bevölkerungsteile aus, die am meisten auf natürliche Ressourcen angewiesen sind und die am wenigsten auf Naturgefahren reagieren können. Dies trifft besonders auf Frauen zu“, heißt es auf der Website des Internationalen Klimaschutzinitiative des BMU.

Besonders verheerend ist das Ungleichgewicht im Globalen Süden: Hier sind vor allem Frauen von Armut betroffen, denn sie arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen, oft in der Landwirtschaft – einer Branche, die weltweit unter den Folgen der Klimakrise leidet. Gleichzeitig stoßen Frauen aufgrund gesellschaftlicher Strukturen (sie fahren seltener eigene Autos, essen weniger Fleisch und fliegen weniger häufig) weniger Treibhausgase aus und haben daher einen geringeren Anteil am menschengemachten Klimawandel als Männer.

Diese Geschlechter-Ungerechtigkeit rückt zunehmend in den Fokus der Klimaschützer:innen. Schon 2007 forderten feministische Organisationen auf der Klimakonferenz auf Bali „keine Klimagerechtigkeit ohne Gendergerechtigkeit“. Ein Anliegen, das auch heute noch unter anderem in verschiedenen For-Future-Gruppen präsent ist.

Wenn Frauen das Klima schützen

Fest steht also: Frauen verhalten sich im Schnitt nachhaltiger als Männer. Doch nur weil sie einen kleineren Teil des Problems ausmachen, macht sie das noch nicht automatisch zum Teil der Lösung. Oder doch? Laut Studien stehen Frauen Klimaschutz und der Nutzung Erneuerbarer Energien positiver gegenüber als Männer. Welche Rolle sie konkret für die Energiewende spielen (könnten), haben der Verein Women in Europe for a Common Future und Bündnis Bürgerenergie 2020 in der gemeinsamen Publikation „Frauen. Energie. Wende!“ untersucht. Das Fazit der Autor:innen: Ein höher Frauenanteil würde sich positiv auf die Energiewende in Deutschland auswirken. „Gendergerechte erneuerbare Energieprojekte sind wirksamer und haben eine größere Reichweite. Eine gendergerechte Klima- und Energiepolitik führt insgesamt zu nachhaltigeren Maßnahmen“ und: „Mit Geschlechtergerechtigkeit im Sinne gleicher Partizipation, Sichtbarkeit und Stärkung aller Bürger*innen im Energiebereich könnte die Energiewende erfolgreicher und schneller umgesetzt werden.“

Trotzdem sind laut einer globalen Umfrage der IRENA nur 32 Prozent der Beschäftigten in Energiewende-Unternehmen weiblich – womit der Frauenanteil hier immerhin höher ist als der in der klassischen Energiebranche.

Bei NATURSTROM sieht’s da übrigens deutlich besser aus: 49,1 Prozent der Belegschaft ist weiblich, jede dritte Führungskraft ist eine Frau.

Doch wie bekommen wir ganz allgemein mehr Frauen in die Energiebranche? Mit Rolemodels und Vorleben. Mit gegenseitigem Empowerment und Vernetzung, beispielsweise über Organisationen wie dem Women of New Energies e.V. oder dem Hypatia-Netzwerk. „Unser Ziel ist es, topqualifizierte und von der Energiewende begeisterte Frauen noch sichtbarer zu machen und zu vernetzen, denn noch viel zu oft stellen wir fest, dass wir uns im Berufsalltag mit den immer gleichen Hindernissen und Vorurteilen herumschlagen müssen“, sagt Maren Henniges, zweite Vorsitzende bei Hypatia und Projektingenieurin im Geschäftsbereich Dezentrale Energieversorgung bei NATURSTROM.

Und mit einer Politik und Klimabewegung, die Frauen bewusst einbezieht und fördert – und nicht nur „ganz lieb“ mitmeint.

Dominique Czech
dominique.czech@naturstrom.de

ist seit April 2018 dabei und schreibt für naturstrom über alles rund um die Energiewende. Jenseits des Büros bewegen sie die Themen Ernährung, Konsum und Mobilität – aber bitte in nachhaltig.

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