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Minister Pegel, Bürgermeisterin Tonn und NATURSTROM-Vorstandsvorsitzender Dr. Banning weigen die Anlag ein © NATURSTROM AG

Wie gelingt die Bürger-Energiewende? Wöbbelins Bürgermeisterin erzählt

15.12.2017

 – naturstrom-Team

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In Mecklenburg-Vorpommern, zwischen Schwerin und Ludwiglust, liegt neben der Lewitz – einem weitflächigen Landschaftsschutzgebiet – das beschauliche Wöbbelin. Die geschichtsträchtige Gemeinde mit knapp 1000 Einwohnern hat Großes vor: Sie verwirklicht ihre eigene Bürger-Energiewende – seit 2013 mit NATURSTROM als Partner.

Die regenerativen Potenziale der Region zu heben ist dabei das Ziel. Als erstes Projekt errichtete NATURSTROM gemeinsam mit der Gemeinde 2015 eine Photovoltaik-Freiflächenanlage. Ein weiterer Meilenstein folgte im Mai 2017: Der Bürgerwindpark Wöbbelin erhält bei der Ausschreibungsrunde für Windenergie an Land den Zuschlag. Im südlichen Gemeindegebiet sollen nun vier bis fünf errichtet werden.

Die Gemeinde profitiert auf verschiedenen Wegen von den Ökostrom-Anlagen: durch die Gewerbesteuereinnahmen der Betreibergesellschaft, die Möglichkeit, sich direkt an dieser Gesellschaft zu beteiligen, und durch Pachtzahlungen für gemeindeeigene Grundstücke. Nicht zuletzt leistet Wöbbelin auch einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und kann beispielgebend für andere Kommunen wirken.

Dies alles wäre ohne das jahrelange Engagement der Bürgermeisterin Viola Tonn nicht möglich gewesen. Im Interview spricht sie über die Zukunft der Gemeinde, die Umsetzung der Projekte und ihre persönliche Motivation.

Frau Tonn, wir führen dieses Gespräch wenige Tage, nachdem ein Reisebus mit 20 Journalisten im Rahmen einer Pressefahrt Wöbbelin besucht hat. Den Medienvertretern haben Sie erklärt, wie die Gemeinde Wöbbelin zusammen mit NATURSTROM ihre dezentrale Bürger-Energiewende vollziehen will. Wie kam es eigentlich zu dieser Zusammenarbeit?

Seit 2011 haben uns die Projektentwickler für Windparks die Tür eingerannt. Sie haben versucht, unsere Bürger zu Vorverträgen zu überreden und sich somit das Land zu sichern. Solange es um private Grundstücke geht, hat die Gemeinde auf solche Geschäfte kaum Einfluss. Wir wollten uns als Gemeinde aber nicht vor vollendete Tatsachen stellen lassen und haben daher beschlossen, selbst aktiv zu werden. Also haben wir überlegt, welches Potenzial Wöbbelin für die Energiewende und die Energiewende für Wöbbelin bietet – und uns auf die Suche nach einem Partner gemacht. Tja, und dann ging es los: Gespräche, Gespräche, Gespräche. Mit zig Unternehmen. Wichtig war uns dabei, nicht über den Tisch gezogen zu werden und auf Augenhöhe zu verhandeln. Bei solchen Kooperationen muss eine Vertrauensbasis entstehen. Mit dem NATURSTROM-Chef Herrn Dr. Banning und den verantwortlichen Mitarbeitern in der Projektentwicklung, Herrn Heyden und Herrn Claus, fanden wir sehr schnell eine Wellenlänge – und entschieden uns 2013 für NATURSTROM.

Neben dem Windpark als ursprünglichem Anlass der Kooperation haben Sie mit NATURSTROM schon bald auch andere Ideen für die Energiewende in der der Gemeinde entwickelt…

Ja, als erstes gemeinsames Projekt haben wir einen Solarpark im Gemeindeteil Dreenkrögen in Angriff genommen. Den hat NATURSTROM auf einer Gewerbefläche errichtet, die zuvor etliche Jahre brachlag. Da die Gewerbefläche in einem Mischgebiet liegt, also mit direkt angrenzender Wohnbebauung, wollten wir dort keine Betriebe ansiedeln, die viel Lärm, Verkehr oder andere Schadstoffemissionen in den Ort bringen. Da kam die Idee mit der Solaranlage gerade recht. Vom Planungsbeginn bis zur EEG-Inbetriebnahme hat das Ganze gerade einmal fünf Monate gedauert, somit konnte man recht schnell ein Ergebnis der Kooperation sehen. Der Windpark, um den es bei den Gesprächen zwischen Gemeinde und NATURSTROM im Kern ging, benötigt in der Planung eben mehrere Jahre – das ist ja Standard.

Wie ist denn Ihr Eindruck von der Zusammenarbeit?

Die ist so, wie wir uns das vorgestellt haben. Die zuständigen Personen bei NATURSTROM kann ich jederzeit erreichen, überall im Unternehmen treffen wir auf Menschen, mit denen man sehr gut zusammenarbeiten kann. Die gute Erreichbarkeit und der offene Umgang miteinander sind sehr wichtig. Denn bei solch komplexen Themen wie der Planung eines Windparks kommt es auf die richtige Mischung aus Fachwissen und Kommunikation an. Mit NATURSTROM haben wir einen Partner gefunden, der erfahren ist in solchen Projekten und zugleich für uns greifbar.

Wie schätzen Sie denn die Akzeptanz der Projekte bei den Wöbbelinern und auch den umliegenden Gemeinden ein? Gab oder gibt es Vorbehalte? Wie gehen Sie damit um?

Dadurch, dass wir wirklich bei den Bürgern angefangen und die Projekte früh erklärt und diskutiert haben, ist die Akzeptanz in Wöbbelin sehr hoch. Die umliegenden Gemeinden verhalten sich noch recht zurückhaltend. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das bei der Umsetzung des Windparks ändern wird. Erste Nachfragen, die auf positives Interesse hindeuten, kamen dazu schon. Egal ob gegenüber den Nachbargemeinden oder den Wöbbeliner Bürgern: Wir legen alle Informationen offen auf den Tisch. Dadurch haben wir im Ort viel Vertrauen gewonnen.

Welchen Mehrwert erhoffen Sie sich konkret für die Gemeinde durch die Erneuerbare-Energien-Projekte?

Die Gemeinde soll natürlich finanziell etwas von den Projekten haben – etwa durch Grundstückspachten und die Gewerbesteuereinnahmen. Unser Vorteil: Der geplante Windpark steht weit überwiegend auf gemeindeeigenen Flächen, wie auch der Solarpark. Und die Betreibergesellschaft ist mit Sitz in Wöbbelin angemeldet, so dass die Gewerbesteuer zu hundert Prozent hier im Ort bleibt. Die zusätzlichen Einnahmen bedeuten für uns mehr Investitionen in unsere Infrastruktur. Wir könnten eine neue Kindertagesstätte bauen, in unsere Grundschule investieren und Straßen erneuern. Außerdem wünsche ich mir, dass Wöbbelin ein Vorbild für die umliegenden Gemeinden wird. Wir haben das Potenzial, wir müssen es nur nutzen! Dann haben wir auch ohne große Industriestandorte eine lebenswerte Zukunft vor uns. Wenn wir das erreichen und unseren Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, wirken wir zugleich auch der drohenden Vergreisung unserer ländlichen Gemeinden entgegen.

Warum sollten Bürgerinnen und Bürger aus Ihrer Sicht an erneuerbaren Energien beteiligt sein?

Unsere Bürger sollten sich mit der Energiewende in ihrer Gemeinde identifizieren können, nur dann handeln sie auch umweltgerecht. Jeder kann im Kleinen etwas tun, dazu muss er sich aber mit der Thematik befassen. Dazu wird er sich leichter aufraffen können, wenn er einen Berührungspunkt direkt im Ort hat. Und natürlich, wenn für ihn selbst und die Gemeinde außerdem noch etwas herausspringt. Auf diese Weise können die Leute mitgenommen werden und es entsteht aus den vielen kleinen Beteiligungen Einzelner am Ende etwas Großes, von dem wir alle profitieren.

Wenn Sie einen Blick ins kommende Jahr wagen: Was möchten Sie in Wöbbelin voranbringen? Und wie sieht Ihre langfristige Vision für die Zukunft Wöbbelins aus?

Viola Tonn, Bürgermeisterin Wöbbelin
Wöbbelins Bürgermeisterin Viola Tonn vor dem Solarpark im Gemeindeteil Dreenkrögen

Ich hoffe, dass wir planmäßig ins Genehmigungsverfahren für den Windpark einsteigen können und dann auch schnell vorankommen. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Ideen, von denen ich gespannt bin, wann wir sie konkret anpacken können: beispielsweise eine regenerative Wärmeversorgung oder eine E-Tankstelle in der Nähe der Autobahn A24 /A14, die nahe an Wöbbelin vorbeiführt. Außerdem wollen wir weitere Maßnahmen umsetzen, um unserem Ziel einer CO2–freien Schule näherzukommen. Und, um einmal ganz forsch in die Zukunft zu denken: Eine Übernahme des örtlichen Stromnetzes ist auch nicht ganz unmöglich.

Ein konkretes Projekt im kommenden Jahr, das ausnahmsweise nichts mit Energiewende zu tun hat, wird die Versorgung mit kabelgebundenem DSL für alle Haushalte sein. Das ist eine der absoluten Grundvoraussetzungen, um Wöbbelin für junge Familien und auch als Standort für Unternehmen attraktiver zu machen. Ganz am Ende all dessen steht dann ein liebens- und lebenswertes Bioenergiedorf Wöbbelin. Das ist meine Vision.

Frau Tonn, zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie engagieren sich nun schon seit vielen Jahren dafür, die Energiewende in Wöbbelin voranzubringen. Was treibt Sie dabei an?

Ich bin ein sehr umweltbewusster Mensch und habe schon immer versucht, mein Leben nachhaltig zu führen. Deshalb bin ich selbst seit vielen Jahren Kundin von NATURSTROM, nachdem ich mich vorher gründlich über das für und wider verschiedener Ökostromanbieter informiert hatte. Kommunal bewegt mich die dezentrale Energiewende seit 2010, nachdem ich ein Jahr zuvor zur Bürgermeisterin gewählt worden war.

Jeder Einzelne kann sehr viel für die Umwelt tun, in seiner gesamten Handlungsweise und Lebensführung. Die Naturvölker wissen noch wie das geht: Kreislaufwirtschaft, Dezentralität, Liebe zur Natur und der Tierwelt. Meine Überzeugung, meine Familie, besonders meine Kinder und mein Enkelsohn geben mir die Kraft, nicht nachzulassen und etwas Gutes für unsere Umwelt zu tun. Denn was wir heute tun, tun wir für unsere Nachkommen.

Frau Tonn, herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellten Silke Bartolomäus und Lea Timmermann, Teamleiterin und Mitarbeiterin für projektbezogene Kommunikation.

  • Unter diesem Profil schreiben NATURSTROM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, die nicht zu den regelmäßigen Blog-Autoren gehören.

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