Evangelischer Kirchentag

Schöpfung bewahren: Was hat Ökostrom mit dem Evangelischen Kirchentag zu tun?

Am 24. Mai hat in Berlin und Wittenberg der 36. Evangelische Kirchentag unter dem Motto „Du siehst mich“ begonnen. Neben religiösen Themen bietet der Kirchentag Raum für Diskussionsrunden und Workshops zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Auch das Thema Klima- und Umweltschutz spielt dabei eine wichtige Rolle. Welche das ist, und wie die Belieferung des Kirchentags mit sauberen Ökostrom funktioniert, erklärt Martin Schinke. Er ist Projektleiter für die Stromversorgung des Kirchentags bei NATURSTROM.

Martin, du kümmerst dich seit vielen Jahren darum, dass umweltfreundlicher naturstrom die Veranstaltungsorte, Bühnen und Informationsstände des Kirchentages elektrifiziert. Wie genau funktioniert das? Und wie viel Aufwand steckt dahinter?

Martin Schinke, Projektleiter für die Energiebelieferung des Kirchentags bei NATURSTROM.

Martin Schinke kümmert sich bei NATURSTROM um die Elektrifizierung des Kirchentags.

Anfang 2015 haben die Organisatoren des 35. Deutscher Evangelischer Kirchentag Stuttgart 2015 e.V. angefragt, ob eine echte Belieferung des Kirchentages mit Strom aus Erneuerbaren Energien möglich wäre. Wir waren von Anfang an von der Idee begeistert und haben uns sofort an die Umsetzung gemacht – die allerdings nicht ganz einfach war. Damals mussten in der Innenstadt und auf den Cannstatter Wasen temporäre Baustellenzähler für die Stromversorgung installiert werden. Die Belieferung solcher Zähler ist energiewirtschaftlich sehr kompliziert. Außerdem werden nur wenige Kilowattstunden für einige Tage verbraucht – denn ein evangelischer Kirchentag dauert in der Regel von Donnerstag bis Sonntag, das heißt mit Auf- und Abbau nur ein bis zwei Wochen. Das bedeutet also viel Arbeit für einen kurzen Zeitraum. Bis alles geklärt und in die Wege geleitet war, waren einige Gespräche mit dem Netzbetreiber nötig, doch letztlich hat die Anmeldung der Zähler geklappt. Fast alle 73 Kirchentags-Stromzähler konnten auf naturstrom umgestellt werden.

Auch beim aktuellen Kirchentag gab es viel Organisationsaufwand: wir mussten viel telefonieren und mailen, bis alles in trockenen Tüchern war. Alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen haben jedoch sehr gut und vor allem schnell zusammengearbeitet, so dass wir sämtliche temporären Zähler des laufenden Kirchentags mit Ökostrom versorgen können – selbst die drei RLM-Zähler, die für die große Bühne am Brandenburger Tor benötigt werden. RLM steht für „Registrierte-Leistungs-Messung“. Bei diesen Zählern werden alle 15 Minuten Leistung, Verbrauch und Blindarbeit erfasst. Bei den regulären Zählern werden hingegen sogenannte Standardlastprofile angewendet.

Auch die Zusammenarbeit mit den Berliner Kollegen des Netzbetreibers hat gut funktioniert. Ein Zitat der Berliner hat mich in diesem Zusammenhang zum Schmunzeln gebracht: „ Ach ja, der Kirchentag, ja klar müssen wir das wohl hinkriegen – bevor wir hinterher nicht in den Himmel kommen.“

Martin, du bist selbst bereits seit vielen Jahren in der evangelischen Kirche aktiv. Was bedeutet der Kirchentag für dich?

Kirchentags-Motto "Du siehst mich". Foto: Foto: DEKT/Jan-Peter Boening

„Du siehst mich“ – so lautet das Motto des 36. Evangelischen Kirchentags in Berlin. Foto: DEKT/Jan-Peter Boening

Von 2002 bis Anfang 2016 war ich bei uns in Sprockhövel Presbyter für Umwelt und zeitweilig auch als Vertretung für Bauangelegenheiten und Diakonie zuständig. Mittlerweile bin ich „nur“ noch Umweltbeauftragter für unsere vergrößerte, fusionierte Kirchengemeinde. Besonders stolz bin ich darauf, dass Sprockhövel 2007 bis 2009 mit positivem Abschluss am „Grüner Hahn“ teilgenommen haben, einem Umweltmanagementsystem für Kirchen.

Zum 2. Teil der Frage: Kirchentage finde ich persönlich sehr gut! Auch wenn ich, wie bei diesem – nicht immer dabei bin. Wer mit „Kirchentag“ nichts anfangen kann und sich aber dafür interessiert, der sollte einfach einmal hingehen (der nächste Kirchentag findet 2019 in Dortmund statt) oder sich zum Beispiel im Internet das Gespräch zwischen Barack Obama und Angela Merkel ansehen, das an Christi Himmelfahrt stattfand. Aus dem Blickwinkel des persönlichen Glaubens ging es um Verantwortung, eigenes Handeln, christlich oder auch an anderen Religionen orientierte Lebenswahrheiten und die Werte unserer Gesellschaft. Themen waren etwa der Krieg in Syrien, die Flüchtlingskrise im Mittelmeer, die unantastbare Würde eines jeden Menschen und die Flüchtlingspolitik, und viele weitere „heiße“ Eisen – aber auch viele lebensbejahende Themen und Aspekte. Ein Zitat von Obama hat mich in diesem Zusammenhang ganz besonders beeindruckt: „In den Augen Gottes ist ein Kind jenseits der Grenze (hier war die mexikanische Grenze gemeint) genauso viel wert wie ein Kind diesseits der Grenze.“

Über 1000 verschiedene Veranstaltungen, Diskussionsrunden, Gottesdienste und spirituelle Veranstaltungen und Workshops gibt es auf diesem Jubiläums-Kirchentag, natürlich auch zu Nachhaltigkeits- und Klimawandel-Themen. Das Programm findet man auf der Kirchentags-Website.

Beeindruckend finde ich auf Kirchentagen auch den „Markt der Möglichkeiten“, eine der größten Veranstaltungen zur Kommunikation zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen in Deutschland. Einer der vielen Stände dort wird ja von den Berliner naturstrom-Kollegen die drei Tage lang betreut. Natürlich gibt es auch viele Veranstaltungen zu theologischen-christlichen Kernthemen für kirchennahe Besucher.

Was haben Ökostrom und Kirche für dich miteinander zu tun?

Schon einiges, seit 2001 arbeite ich bei Naturstrom und hatte auch schon davor mit Erneuerbaren Energien zu tun. Seit 2002 bin ich in unserer Kirchengemeinde und unserem Kirchenkreis in den Bereichen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Erneuerbaren Energien aktiv.

Allgemein sind Klimaschutz und regenerative Energien auch für die Kirche relevante Themen: so gibt es zum Beispiel eine Klimaschutzstrategie der Westfälischen Landeskirche. An dieser Initiative sind Mitarbeitende des Fachbereichs „Nachhaltige Entwicklung“ des Instituts für Kirche und Gesellschaft und des Baureferats der Evangelischen Kirche von Westfalen beteiligt.

Qualitativ hochwertiger, klimawirksamer Ökostrom stellt für mich ein wichtiges Element neben weiteren Nachhaltigkeits-Bausteinen dar, um den biblischen „Auftrag“ aus dem Alten Testament zur „Bewahrung der Schöpfung“ ansatzweise zu realisieren. Heute könnte man dies inhaltlich mit „Verpflichtung zur Nachhaltigkeit und dauerhaftem Erhalt und der Regeneration unseres planetarischen Ökosystems“ übersetzen.

Aber auch ohne kirchlichen oder religiösen Bezug ist das eine sinnvolle Forderung, sonst haben unsere Kinder und Kindeskinder in einigen Jahrzehnten möglicherweise keinen Ort mehr, um relativ normal zu leben.

Vielen Dank für das Interview, Martin!

Tags:
Miriam Ersch-Arnolds
ersch@naturstrom.de

arbeitete bis Februar 2019 in der Pressestelle von NATURSTROM. Ihre Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit wurde während ihrer Zeit als Mitarbeiterin einer Fairhandels-Organisation geweckt und begleitet sie bis heute auch ehrenamtlich. E-Mail

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