Über Europa in Richtung Klimaschutz

Die Energiepolitik der EU-Mitgliedsstaaten wird überwiegend national bestimmt. Dennoch gibt es auch in diesem Politikfeld einen klar vorgegebenen europäischen Rahmen.  Und je dringlicher ein wirklich ambitionierter Klimaschutz wird, desto stärker nimmt sich auch Brüssel des Themas an – und hat mit dem „Fit for 55“-Paket hier einen ambitionierten Vorschlag für neue Vorgaben vorgelegt.

Nachdem die EU mit dem so genannten Winterpaket Ende 2016 einige grundlegende Weichenstellungen für den Ausbau Erneuerbarer Energien in Europa vorgenommen hatte, kommt nun mit dem „Fit for 55“-Paket bereits die nächste, noch weitaus umfassendere europäische Initiative für mehr Klimaschutz.

Grundlage und Namensgeber für das Paket ist das verschärfte Klimaschutzziel auf europäischer Ebene, welches im Frühjahr 2021 im Trilog zwischen Kommission, europäischem Parlament und Mitgliedsstaaten von -40 auf -55 Prozent bis 2030 erhöht wurde. Selbst wenn viele Klimaschützer:innen diesen Wert weiterhin nicht für kompatibel mit dem Paris-Abkommen halten, bedeutet diese Anpassung für die verbleibenden gut acht Jahre eine deutliche Verschärfung des Ambitionsniveaus. Nebenbei: Allein diese EU-Verschärfung hätte für Deutschland eine Erhöhung der eigenen Klimaschutzverpflichtungen ungefähr auf die nun hierzulande geltenden -65 Prozent bedeutet (was quasi mit einem Kohleausstieg 2030 gleichzusetzen ist). Die Verschärfung des deutschen Klimaschutzgesetzes nach dem Bundesverfassungsgerichtsbeschluss wäre also auch ohne diesen – weiterhin bahnbrechenden – Richter:innenspruch notwendig gewesen.

Die vielfältigen Regelungsvorschläge im „Fit for 55“-Paket gehen weit über den Energiebereich hinaus, umfassen beispielsweise auch den Agrarsektor, eine Waldstrategie wie auch den Verkehr zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft. Im Energiesektor sehen die Vorschläge eine Erhöhung des verpflichtenden Erneuerbaren-Ziels am Endenergieverbrauch von 32 auf 40 Prozent vor, zudem gibt es einige explizite Unterziele. Auch Effizienz wird prominenter thematisiert und bekommt ein eigenes Ziel, 2030 soll in der EU neun Prozent weniger Energie als noch 2020 verbraucht werden. Die Umsetzung müssen die Mitgliedsstaaten jeweils durch geeignete Instrumente gewährleisten, dazu muss regelmäßig berichtet werden und die EU kann Nachsteuerungen verlangen. Der inzwischen sehr erfolgreiche CO2-Handel bleibt ein zentrales Instrument, die Emissionsverknappungen werden verschärft – was der Markt trotz des noch ausstehenden Beschlusses jetzt schon vorwegnimmt, ein Grund für die aktuell hohen CO2– und damit Börsenstrompreise. Flankiert werden soll der bisherige CO2-Handel für Kraftwerke und Industrie durch einen Grenzausgleichsmechanismus, damit auch bei Importen die Klimaschadenswirkungen der Produkte eingepreist werden. Zudem ist wie in Deutschland ein zweiter Emissionshandel für Wärme und Verkehr angedacht, in welchem der hiesige Ansatz perspektivisch aufgehen könnte, und auch ein Klima-Sozialfonds zur Rückverteilung der gewonnenen Mittel ist angedacht.

Dieser kurze Aufriss zeigt, dass hier ein wirklich komplexes und umfassendes Verordnungswerk vorgelegt wurde. Die Entwürfe müssen nun aber mit Parlament und Mitgliedsstaaten konsentiert werden, finale Ergebnisse werden frühestens 2023 erwartet. Bisher haben die nationalen Regierungen und gerade Deutschland oftmals eher als Bremsklötze für wirklich ambitionierten Klimaschutz gewirkt. Ein Grund mehr, auf eine an dieser Stelle tatkräftigere neue Bundesregierung zu hoffen, um den Impuls aus Europa in Sachen Klimaschutz aufnehmen und verstärken zu können.

Sven Kirrmann
sven.kirrmann@naturstrom.de

Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.

1 Kommentar
  • Klaus Klaws
    Gepostet um 20:26h, 06 Oktober Antworten

    Jetzt wann den sonst? Wenn der letzte Fisch … Nicht umsonst gehört Naturstrom zu den Vorreitern in Sachen Klimaschutz. Da will ich dabei sein.

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