Der CO2-Preis kommt: ein Preisschild für den Klimasch(m)utz

Die Atmosphäre atmet auf – zumindest ein bisschen. Denn nach langem Ringen führt Deutschland 2021 endlich einen Preis für klimaschädliche CO2-Emissionen ein. Wer das Treibhausgas bisher auf Kosten der Allgemeinheit emittiert hat, wird nun selbst zur Kasse gebeten. Wir werfen einen Blick auf den langen Weg zum CO2-Preis und verraten euch, für welche Sektoren er gelten wird.

Klimawissenschaftler*innen sind sich schon lange einig: Wer die Umwelt belastet, indem er die Luft verschmutzt, soll die Kosten dafür tragen. Nächstes Jahr kommen wir diesem Verursacherprinzip einen kleinen Schritt näher, denn ab dem 1. Januar 2021 erhält der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase in den Sektoren Wärme und Mobilität einen Preis – den sogenannten CO2-Preis. Als Teil des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung trägt die Maßnahme dazu bei, die wahren Kosten von Umweltverschmutzung sichtbar zu machen und denen zu berechnen, die sie verursachen. Der CO2-Preis setzt somit einen Anreiz für klimafreundliches Wirtschaften und Handeln.

Warum ein CO2-Preis?

Kohlen(stoff)dioxid, also CO2, ist ein langlebiges unsichtbares, geruchs- und geschmacksneutrales Treibhausgas. Es ist ein natürliches Element, das beispielsweise von Lebewesen ausgeatmet wird. Diese Mengen können vom Planeten auch wieder gebunden werden, zum Beispiel durch Ozeane, Böden und Pflanzen. Doch auch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas führt zu einem Ausstoß von CO2 – und zwar in gigantischen Mengen. Deshalb hat CO2 von allen Treibhausgasen den größten Effekt auf das Weltklima. Während die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre vor über Hunderttausende von Jahren noch zwischen 200 und 280 Teilen pro Millionen (Parts per Million, ppm) lag, hat sich dieser Wert mit der Industrialisierung nun auf über 400 ppm fast verdoppelt, wobei die Geschwindigkeit der Zunahme steil wächst. Die Folge? Die globale Erderhitzung.

Wie funktioniert der CO2-Preis?

Der CO2-Preis soll hier zumindest auf nationaler Ebene den weiteren Ausstoß von CO2 reduzieren und so mithelfen, die Geschwindigkeit beim globalen Temperaturanstieg rauszunehmen. Indem man Emissionen verteuert, werden sie genau dort vermieden, wo es am effizientesten ist. Und je teurer der Ausstoß von Treibhausgasen ist, desto schneller setzen sich emissionsarme oder sogar -freie Technologien und Angebote durch.

Gegner*innen einer CO2-Bepreisung weisen auf die wirtschaftlichen Folgen hin: Sie sorgen sich darum, dass der Preisanstieg besonders ärmere Menschen unverhältnismäßig stark betreffen könnte – was laut Expert*innen ohne einen sozialen Ausgleich auch eintreten könnte. Denn: Zusätzliche Mehrkosten durch den CO2-Preis machen sich in der Regel in ärmeren Haushalten stärker bemerkbar. Gleichzeitig fehlen hier oft die Mittel, um schnell auf klimafreundlichere – und damit im CO2-Preis günstigere – Technologien umzusteigen: Der Verbrenner ist nicht mal eben durch ein Elektroauto ersetzt. Die Bundesregierung sieht es daher vor, einen Teil der Einnahmen durch den CO2-Preis an die Bürger*innen weiterzureichen, um so eine übermäßige Belastung der unteren Einkommensgruppen zu verhindern und sie gegebenenfalls sogar zu entlasten. Unter anderem ist geplant, die EEG-Umlage zu senken, was zu günstigeren Strompreisen führen würde. Davon würden besonders Menschen mit geringerem Einkommen profitieren, da bei ihren Ausgaben Stromkosten stärker ins Gewicht fallen.

Was wird durch den CO2-Preis teurer?

Betroffen von der CO2-Bepreisung sind alle Unternehmen, die Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel – also fossile und damit klimaschädliche Energieträger – einsetzen oder vertreiben. Sie sind verpflichtet, pro Tonne Treibhausgas-Ausstoß, den diese Brennstoffe verursachen, zu zahlen.

Die Ausgaben dafür werden auf die Endpreise aufgeschlagen. Somit steigen die Kosten; der Einsatz klimaschonender strombetriebener Alternativen wie Wärmepumpen und Elektromobilität, Energiesparen und die Nutzung Erneuerbarer Energie werden attraktiver.

Um eine Tonne CO2 freizusetzen muss ein Diesel-PKW übrigens rund 4.600 Kilometer zurücklegen. Ein ungedämmtes Haus heizt dafür einen Monat mit Ölheizung.

Warum gilt der nationale CO2-Preis nicht für Kohlestrom?

Im Rahmen des Europäischen Programms für den Klimaschutz (ECCP) einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten 2003 auf die Einführung eines grenzüberschreitenden Emissionshandels für Kraftwerke und große Industrieanlagen, dem European Union Emissions Trading System, kurz EU ETS. Es wurde noch im selben Jahr vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU beschlossen.

Rechtsgrundlage für das EU ETS ist die am 13. Oktober 2003 erlassene Emissionshandelsrichtlinie, die die EU-Mitgliedstaaten anschließend in nationale Gesetze übersetzt hatten.
Aktuell betrifft das EU ETS den CO2-Ausstoß von rund 11.000 Kohleverstromungsanlagen in 31 europäischen Ländern. Neben den 28 EU-Mitgliedsstaaten beteiligten sich auch Liechtenstein, Island und Norwegen.

Der Europäische Emissionshandel startete 2005 aufgrund zu großzügig bemessener Zertifikatsmengen und Freizuteilungen mit einem Preis von fünf Euro je Tonne CO2-Emissionen – zu wenig um, einen wirklichen Effekt zu erzielen. Heute liegt der Preis im Schnitt bei etwa 25 Euro, in den nächsten Jahren werden aber Steigerungen erwartet. Da der CO2-Ausstoß von Kohlestrom ähnlich wie von Gaskraftwerken oder Industrieanlagen schon im EU ETS erfasst und bepreist wird, bleiben diese Emittenten im nationalen Bepreisungssystem unberücksichtigt.

Wie wird der CO2-Preis berechnet?

Der CO2-Preis wurde 2019 im Rahmen des Klimapakets beschlossen, unter anderem als unmittelbare Reaktion auf die weltweiten Demonstrationen der Fridays-for-Future-Klimabewegung. Die große Koalition einigte sich ursprünglich darauf, ihn mit 10 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß starten zu lassen. Zu wenig, darin waren sich Expert*innen und Umweltschützer*innen einig. In Verhandlungen mit dem Bundesrat konnte der Einstiegspreis auf 25 Euro pro Tonne gehoben werden, was also ungefähr dem Stand im europäischen Emissionshandelssystem für Kraftwerke und Industrieanlagen entspricht. Bis 2025 wird er sukzessive auf 55 Euro steigen, danach soll die Preisbildung voraussichtlich über ein Handelssystem mit festen Obergrenzen für den Ausstoß erfolgen. Endlos CO2 emittieren ist dann nicht mehr.

Fünf? 25? 55? Den Preis für eine Tonne CO2-Emissionen legt die Politik fest, aber wie hoch ist der Schaden denn nun wirklich? Laut Umweltbundesamts führt der Ausstoß von einer Tonne CO2 zu Kosten von rund 640 Euro für Umwelt und Gesellschaft. Otmar Edenhofer, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, empfahl in seinem Arbeitspapier für eine CO2-Preisreform für Deutschland einen CO2-Preis von 130 bis 350 Euro pro Tonne. Nur so könnte Deutschland das ambitionierte Klimaziel von 1,5 Grad erreichen.

Der lange Weg zum deutschen CO2-Preis

  1. Die Europäische Kommission scheitert aufgrund von Widerständen der Mitgliedsstaaten bei der Einführung einer Kohlenstoff- und Energiesteuer.

  2. Die Enquete-Kommission zum „Schutz der Erdatmosphäre“ fordert die Einführung einer CO2-Steuer.

  3. Das European Union Emissions Trading System startet.

  4. Das Thema Klimaschutz gewinnt dank Fridays for Future Fahrt in der Bevölkerung an Relevanz. Die Jugendbewegung ruft dazu auf, am 20.09.2019 für den ersten globalen Klimastreik auf die Straße zu gehen.

  5. Auf dem Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energien erteilt Wirtschaftsstaatssekretär Andreas Feicht dem CO₂-Preis für die aktuelle Legislaturperiode eine Absage.

  6. Die Bundesregierung setzt das Kabinettsausschuss Klimaschutz ein. Es soll Maßnahmen erarbeiten, damit Deutschland die Klimaschutzziele 2030 und den 2016 erstellten Klimaschutzplan 2050 einhält.

  7. Das Klimakabinett legt der Bundesregierung das „Klimapaket“ vor. Mit in den Empfehlungen: ein CO2-Preis pro Tonne, um die Emissionen zu senken. Der Einstiegspreis wird zunächst auf 10 Euro pro Tonne festgelegt. Fridays for Future und weitere Klimaschützer*innen geht das nicht weit genug.

  8. Das Bundeskabinett beschließt den Entwurf für ein Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) in den Bereichen Verkehr und Wärme.

  9. Bund und Länder einigen sich auf einen CO2-Preis. In Verhandlungen mit dem Bundesrat wird der Einstiegspreis auf 25 Euro erhöht.

  10. Das nationale Emissionshandelssystem startet: Pro emittierter Tonne CO2 im Verkehrs- und Wärmesektor werden nun 25 Euro fällig. Der Preis steigt bis 2025 sukzessive auf 55 Euro an.
    Ab 2026 geht der CO2-Preis in einem Handelssystem mit Preiskorridor auf.

Mit dem CO2-Preis geht 2021 eines der wichtigsten Klimaschutz-Instrumente der Bundesregierung an den Start. Doch die wahren Umweltkosten deckt der politische CO2-Preis kaum. Ist er dadurch wirkungslos? Nein, denn er trägt dazu bei, den Umweltschaden, den fossile Brennstoffe anrichten, sichtbar zu machen und so Verbrauchsentscheidungen zu lenken. Spätestens mit dem Start des Handelssystem 2026 kann der CO2-Preis seine volle Wirkung entfalten – unter der Voraussetzung, dass es dann feste Obergrenzen gibt, die den Preis für die Emissionen bestimmen.

Wer nicht solange warten will oder sogar schon vor dem Start  des CO2-Preises auf klimafreundlichere Alternativen umsteigen will, findet auf unserer Website viele nachhaltige Angebote.

Dominique Czech
dominique.czech@naturstrom.de

ist seit April 2018 dabei und schreibt für naturstrom über alles rund um die Energiewende. Jenseits des Büros bewegen sie die Themen Ernährung, Konsum und Mobilität – aber bitte in nachhaltig.

3 Kommentare
  • Falk Maksim
    Gepostet um 19:00h, 15 Dezember Antworten

    Hallo, hier wird wieder über den Diesel als CO2-Schleuder berichtet bzw. als Beispiel dafür herangezogen. Wieviel CO2 stößt den ein vergleichbarer Ottomotor aus? Und E-Mobilität ist ja prima, aber nur bei ausnahmslos „getanktem“ Ökostrom. Wird letzterer eigentlich auch CO2 bepreist? Bitte nicht falsch verstehen, wenn man etwas betrachtet, bitte nicht nur einseitig und ich bin Ökostromverbraucher sowie Erzeuger von Wärme über Photovoltaik.

    • Dominique Czech
      Gepostet um 12:31h, 17 Dezember

      Guten Tag Herr Maksim,
      vielen Dank für Ihren Kommentar. Natürlich haben Sie absolut recht, wenn Sie sagen, dass E-Mobilität nur dann eine rundum nachhaltige Sache ist, wenn sie mit echtem Ökostrom betrieben wird. Genau deshalb haben wir ein breites Elektromobilitätsangebot aufgelegt, das vom naturstrom emobil-Tarif über die naturstrom wallbox bis hin zu unseren Ladeinfrastrukturangeboten für Kommunen und die Immobilienwirtschaft reicht.
      Auch bei der Stromerzeugung wird das ausgestoßene CO2 grundsätzlich bepreist, allerdings nicht über der nun startenden deutschen Brennstoffemissionshandel, sondern schon seit vielen Jahren im europäischen Emissionshandel. Ökostrom ist davon aber natürlich ausgenommen, weil er keine Emissionen verursacht.
      Dass Diesel klimafreundlicher sind als Benziner, ist vielleicht in den Übersichten der Hersteller so, entspricht aber nicht den realen Erfahrungen. Laut WDR stößt ein mit Diesel betriebenes Auto rund 2,6 kg CO2 pro Liter aus, ein Benziner 2,3 kg.
      Auch das Bundesumweltamt stützt diese Bewertung, wenn es schreibt, dass die Neuzulassungen von Diesel-Pkw 2019 mit 167,6 Gramm CO2 pro Kilometer Durchschnittswert über dem von Benzin-Pkw mit 157,6 Gramm CO2 pro Kilometer lagen.
      Herzliche Grüße
      Dominique Czech

  • Falk Maksim
    Gepostet um 23:31h, 17 Dezember Antworten

    Guten Abend Frau Czech,

    Danke für Ihre Antwort. Auf dem von Ihnen geteilten Link vom Umweltbundesamt steht folgendes am Schluss des Artikels “ Gleichwohl: Der Diesel hat theoretisch das Potenzial zum Klimaschützer. Man müsste es aber nutzen.“ Wenn man fast gleichgroße Fahrzeuge mit Diesel- bzw. Benzinmotor vergleicht und die reellen Verbräuche ansetzt z.B. Renault 120 TCe( Benzin 8.2l/100 km) vs. BMW 1.8d (Diesel 6.4l/100 km), welches Fahrzeug stößt also mehr CO2 aus? Sicherlich, wenn man eine andere Statistik betrachtet erhält man andere Ergebnisse. Viele Grüße

Post A Comment