Dieser Artikel ist vor 2022 erschienen und daher archiviert. Unter Umständen kann es zu Darstellungsfehlern kommen.

Zahl des Monats: 8,3 Prozent

23.01.2019

 – Miriam Ersch-Arnolds

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8,3 Prozent – so groß ist die Lücke zwischen dem Klimaziel für das Jahr 2020 und dem Ist-Zustand zum Jahresbeginn 2019. Mindestens. Denn: Zwar sind die CO2-Emissionen in Deutschland entgegen der Prognosen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,7 Prozent gesunken. Doch das liegt nur zu einem sehr geringen Anteil an handfesten Erfolgen in puncto Klimaschutz. Zu diesem Schluss kommt zumindest der Thinktank Agora Energiewende in seinem jährlichen Statusbericht zur Energiewende im Stromsektor.

Die sogenannte Klimalücke gibt die Differenz an zwischen den durch die Bundesregierung festgelegten Klimazielen und dem tatsächlichen, aktuellen Zustand. Die Regierung hatte sich das Ziel gesetzt, bis 2020 die klimaschädlichen Emissionen der Bundesrepublik um 40 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu senken. Aktuell liegt die CO2-Minderung allerdings lediglich bei 31,7 Prozent. Es bleibt also eine Lücke von 8,3 Prozent bestehen – und nur noch ein Jahr Zeit, das einst gesteckte Ziel auch zu erreichen.

© Agora Energiewende, „Die Energiewende im Stromsektor Stand der Dinge 2018“

Dem Bericht „Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2018“ zufolge, der jährlich von Agora Energiewende erstellt wird, ist die Klimalücke im vergangenen Jahr kleiner geworden. Nach stagnierenden Werten im Jahr 2017 sanken die Emissionen im vergangenen Jahr überraschend um satte 5,7 Prozent. Allerdings sei dieser Rückgang alles andere als nachhaltig, da ein Großteil auf die milden Witterungsverhältnisse im Winter zurückgehe. Schon im nächsten Jahr könne der CO2-Ausstoß wieder ansteigen, so der Bericht.

Ein weiterer Faktor: Im vergangenen Jahr sank die Verstromung von Steinkohle auf das niedrigste Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen 1950. Der Grund: Eine Reform des Europäischen Emissionshandelssystems, durch welche die CO2-Preise im Jahresmittel stark anstiegen – von rund 5 Euro auf immerhin 15. Dadurch wurde der Energieträger Steinkohle zusehends unwirtschaftlicher. Das spiegelte sich auch kräftig in den durch die Energiewirtschaft verursachten CO2-Emissionen wieder, die um rund 10 Millionen Tonnen sanken. Auf den Bereich der Braunkohleverstromung hatte dies jedoch nur sehr geringe Auswirkungen, da hier die Beschaffungskosten deutlich niedriger ausfallen als bei der Steinkohle.

Einer Studie des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik könnten zahlreiche ältere Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden – ohne, dass dies Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit habe.

Noch 8,3 Prozent – wird das Klimaziel 2020 erreicht?

Die Antwort lautet: jein. „Der Emissionsrückgang rückt auf den ersten Blick zwar das Klimaschutzziel 2020 in greifbare Nähe, doch schon der nächste durchschnittlich kalte Winter und kleinere konjunkturelle Veränderungen werden die positive Entwicklung wieder zunichtemachen“, warnt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Nötig sind daher nachhaltige Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere bei der Braunkohle sowie im Verkehrs- und Gebäudebereich. Ansonsten sind die Klimaschutzziele für 2020 und 2030 nicht zu erreichen.“

Auch unsere Stromversorgung birgt also nach wie vor viel CO2-Minderungspotential. Denn: 2018 erzeugten erneuerbare Energiequellen genauso viel Strom wie Braun- und Steinkohlekraftwerke, jeweils 35,2 Prozent entfielen auf diese Bereiche. Der Ökostromanteil des bundesdeutschen Strommixes lag allerdings bei 38,2 Prozent und damit deutlich höher. Der Grund: Nach wie vor werden große Mengen des Kohlestroms ins Ausland exportiert. 2018 wurden 52,1 Terawattstunden mehr exportiert als importiert. Dabei handelte es sich vorrangig um Strom aus Braunkohle-Kraftwerken.

Dabei könnte das Klimaziel 2020 laut einer Studie, die das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik im August 2018 im Auftrag von Greenpeace veröffentlicht hat, noch erreicht werden. Problemlos abgeschaltet werden könnten, den Wissenschaftlern zufolge, bis 2020 die ältesten und besonders klimaschädlichen Braunkohle-Blöcke mit einer Kapazität von 6,1 Gigawatt. Weitere Braunkohlekraftwerke, die älter als 20 Jahre sind, müssten zur Erreichung des Ziels in ihrer Leistung leicht gedrosselt werden – und doch sei dies alles möglich, ohne dass die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet sei. Nun müsse allerdings endlich ernst gemacht mit der Energiewende und die Wind- und Solarenergie, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, zügig ausgebaut werden.

Experten werten das neue Jahr als Schicksalsjahr für die Energiewende. Nun liegt der Ball bei der Kohlekommission und der Bundesregierung: Beweist sie den Mut, die ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke zügig abzuschalten, könnte es noch etwas werden mit dem Klimaziel 2020.

  • arbeitete bis Februar 2019 in der Pressestelle von NATURSTROM. Ihre Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit wurde während ihrer Zeit als Mitarbeiterin einer Fairhandels-Organisation geweckt und begleitet sie bis heute auch ehrenamtlich. E-Mail

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2 Antworten

    1. Hallo Carl,

      vielen Dank für deinen Hinweis. Du hast recht, streng genommen müssten die 8,3 Prozent als Prozentpunkte bezeichnet werden. Allerdings empfiehlt die DIN 5477, diesen Ausdruck zu vermeiden, um Missverständnissen und Mehrdeutigkeiten vorzubeugen. Daher werden wir im diesem Beitrag die etwas unpräzise Bezeichnung „Prozent“ beibehalten.

      Viele Grüße, dein NATURSTROM-Blog-Team

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