Zahl des Monats Juni: 20 Gigawatt Kohle abschalten

Zahl des Monats: 20 Gigawatt Kohle abschalten

Klimaziele, Energiewende, Strukturwandel – es gibt viel zu tun für die Kohlekommission. Auf dem neu eingesetzten Gremium ruhen die Hoffnungen auf einen zügigen und gut geplanten Kohleausstieg. Na dann, ran ans Werk: Kraftwerke mit einer Leistung von 20 Gigawatt könnten schnell vom Netz, rechnen Umweltverbände vor.

Würde Deutschland zur Schule gehen, die Versetzung im Fach Klimaschutz wäre stark gefährdet: Die eigenen Zielvorgaben sind längst in weiter Ferne, selbst die weniger ambitionierten EU-Ziele werden verfehlt. Das Gejammer in der Bundespolitik ist groß, der Gestaltungswille eher nicht. Die Konsequenz: Was die Regierungskoalition nicht vermag, soll eine neu eingerichtete Kommission liefern: den Masterplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Am 26. Juni 2018 tagt sie erstmals, die Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, im Volksmund auch Kohlekommission genannt. Ihre Hausaufgaben sind umfangreich: zukunftsfähige Arbeitsplätze in den Kohleregionen, ein sozialverträglicher Strukturwandel, die Emissionsminderungsziele für 2030 – für all dies soll die Kommission ein „Aktionsprogramm“ erarbeiten, so der Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung. Und das bitte bis zum nächsten Weltklimagipfel, also bis Anfang Dezember.

Der BUND rechnet vor: 20 Gigawatt müssen vom Netz

Vorab ist klar: Spielraum für die zügige Abschaltung von Kohlekraftwerken ist vorhanden. Bereits die Verhandlungen für die klimapolitisch sicher nicht überambitionierte Jamaika-Koalition hatten ein Stilllegungspotenzial von 7 Gigawatt zu Tage gefördert. Als kleinsten gemeinsamen Nenner wohlgemerkt. Der Umweltverband BUND hat vor Kurzem errechnet, dass sogar noch deutlich mehr möglich und vor allem auch nötig ist. Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 20 Gigawatt müssen bis 2020 vom Netz, damit Deutschland die Klimaschutzziele für 2020 erfüllen kann. Dies entspricht etwa der Hälfte der hierzulande installierten Kohlekraftwerksleistung. Vom Netz genommen würden alte Anlagen, die vor 1990 in Betrieb genommen wurden: 23 Braunkohle- und 35 Steinkohleblöcke. 13 dieser Kraftwerksblöcke gehen ohnehin bis 2020 vom Netz, 45 wären zusätzliche Abschaltungen.

Tausend Hände, eine Botschaft: Kohle stoppen! © Campact

Tausend Hände, eine Botschaft: Kohle stoppen! © Campact

20 Gigawatt Kohle weniger bis 2020 – hinter dieser Forderung steht ein Bündnis von über 50 Umwelt- und Nachhaltigkeitsorganisationen, vom NABU über Germanwatch bis hin zu Misereor, Brot für die Welt, dem WWF und Greenpeace. Auch NATURSTROM setzt sich für einen zügigen Kohleausstieg ein. Gemeinsam mit den anderen unabhängigen Ökostromanbietern hatten wir in einem Brief an die beteiligten Ministerien unsere Mitarbeit in der Kohlekommission angeboten, um dort unsere Erfahrungen aus 20 Jahren Energiewendepraxis mit einzubringen. Die Bundesregierung ging hierauf jedoch nicht ein.

Emnid: Kohlekommission soll Erneuerbaren-Ausbau in den Blick nehmen

Denn mit dem Abschalten ist es schließlich nicht getan. Die Erneuerbaren müssen schneller ausgebaut werden, wenn der Umstieg auf eine saubere und sichere Energieversorgung zügig gelingen soll. Laut einer repräsentativen Umfrage, die Kantar Emnid im Auftrag von NATURSTROM, EWS, Greenpeace Energy, LichtBlick und dem Bündnis Bürgerenergie durchgeführt hat, sieht das auch die Mehrheit der Bundesbürger so: Über 70 Prozent sind der Meinung, dass die Kohlekommission sich schwerpunktmäßig mit dem Ausbau alternativer Energiequellen wie Wind- und Solarkraft befassen soll. In etwa gleichrangig wurden auch Konzepte zur Sicherung von Arbeitsplätzen in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen sowie zur Erreichung der Klimaschutzziele als Arbeitsschwerpunkte der Kommission benannt. Die Umfrage zeigt also, dass den Bürgern erneuerbare Energien und Klimaschutz genauso wichtig sind wie Arbeitsplätze. Man darf beides nicht gegeneinander ausspielen.

Ob die Kohlekommission den vielfältigen Ansprüchen gerecht werden kann? Nach langen Personalquerelen muss sie nun zügig loslegen. Hoffen wir das Beste!

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Tim Loppe
loppe@naturstrom.de

ist seit April 2010 Pressesprecher bei naturstrom. Entdeckte die Energiewende in seiner Zeit bei einer Düsseldorfer PR-Agentur für sich. Zuvor hatte der promovierte Germanist an den Universitäten Düsseldorf und Münster im Bereich Sprachwissenschaften gelehrt. E-Mail

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