17 Nov 2015 Vorhang auf für Bioenergie bei NATURSTROM
Anlässlich des 250. Förderprojekts haben wir unsere Foto- und Projektarchive durchforstet. Herausgekommen ist eine Zusammenstellung der schönsten von NATURSTROM geförderten Öko-Kraftwerke, die allesamt ihre eigene Geschichte erzählen. Und, ganz nebenbei, auch eine kleine Zeitreise durch die Geschichte der Energiewende. Hier nun stellen wir unsere erste eigene Biogasanlage vor.
Im Februar 2009 war es endlich soweit: Im oberfränkischen Hiltpoltstein erwarben wir unsere erste Biogas-Anlage. Auf die Premiere wurde selbstverständlich mit Sektgläsern angestoßen, denn die beiden runden Betongebäude mit „den grünen Hütchen“ leiteten bei NATURSTROM ein neues Kapitel in Sachen Kraftwerksbetrieb ein. „Wir finden, dass Bioenergie ein wichtiger Baustein der Energiewende ist“, erklärt Kollegin Marie Scholler, die für das Projekt-Controlling zuständig ist. „Denn während Wind und Sonne fluktuieren, also hinsichtlich ihrer in das Netz eingespeisten Strommenge schwanken, lässt sich die in Biogas-Anlagen hergestellte Strommenge steuern.“
Es ist also eine bedarfsgerechte Stromeinspeisung möglich, und genau diese praktiziert NATURSTROM auch in Hiltpoltstein: Im Jahr 2014 wurde das Gärrestlager überdacht und dabei der Gasspeicher der Anlage verdoppelt. Seitdem ist es möglich, den Speicher nachts – bei geringer Nachfrage – mit Biogas zu füllen und dieses bis zu zwölf Stunden zu lagern. Tagsüber dann, wenn viel Strom in den Städten und Dörfern benötigt wird, lässt sich dank des Speicherinhalts die Motorleistung erhöhen und der Speicher wird geleert. Die Anlage wird so gesteuert, dass sie zwischen sechs Uhr morgens und 22 Uhr abends mit voller Leistung einspeist. Nachts hingegen wird sie durchschnittlich um etwa ein Viertel ihrer Leistung gedrosselt. Auch bei starker Sonne – also wenn sehr viele Photovoltaik-Anlagen in das Stromnetz einspeisen – läuft die Anlagenleistung mit reduzierter Stärke, so dass weniger Strom in das Netz fließt. „Das betrifft vorrangig die Monate März bis Oktober, wobei natürlich meist im Sommer besonders viel Solarstrom ins Netz gelangt“, erklärt Christian Schubert, der sich vornehmlich um die Technik kümmert und den Fahrplan der Biogas-Anlage erstellt. Rund 4,4 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie stellt das Kraftwerk pro Jahr her – das entspricht etwa 1.260 Durchschnittshaushalten mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden.
Eine Besonderheit der Biogas-Anlage Hiltpoltstein ist ihre überdurchschnittlich hohe Energieeffizienz. Denn in vielen Fällen verpufft die Abgaswärme eine Bioenergie-Anlage ungenutzt. Anders in Hiltpoltstein: Wir haben eine sogenannte ORC-Anlage (Organic-Rankine-Cycle) zur thermischen Nachverstromung installiert, welche die Abgaswärme des Blockheizkraftwerks verwendet, um ein organisches Fluid über den Verdampfungspunkt zu erhitzen. Das unter hohem Druck stehende Fluid wird anschließend mittels eines Schraubenverdichters entspannt. Die Expansionsenergie lässt sich in mechanische Arbeit umwandeln, die einen Generator antreibt. So entsteht aus der Abgaswärme zusätzlicher Strom, der sich nutzen lässt. Das organische Fluid kühlt anschließend ab und wird wieder flüssig. Der geschlossene Kreislauf kann so von neuem beginnen. Besonders umweltfreundlich ist das Kraftwerk zudem dank besonderer, recyclingfähiger Katalysatoren, die seit 2010 das Abgas reinigen und so den Formaldehydausstoß erheblich reduzieren.
Rund 30 Landwirte aus der Region „füttern“ die Anlage. Als Einsatzstoffe werden etwa 67 Prozent nachwachsende Rohstoffe (NAWARO) und rund 33 Prozent Gülle verwendet. Den Gärrest verwerten die zuliefernden Bauern auf den landwirtschaftlichen Flächen. Ein „Zubrot“ waren in den letzten Jahren zudem kleinere Flächen mit Wildblumen, durchgeführt als Experiment, um die Artenvielfalt zu erhöhen.
Das aus den biologischen Substraten entstandene Methangas treibt zwei Blockheizkraftwerke an, die mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung neben Strom auch jährlich etwa 600.000 Kilowattstunden Wärme in Form von auf 80 Grad Celsius erhitztem Wasser herstellen. Das Wasser wird in das Nahwärmenetz eingespeist und von dort in die Heizungsanlagen der örtlichen Schule. Auch den Kindergarten, eine Turnhalle, eine Mehrzweckhalle, vier Gewerbebetriebe und drei Einfamilienhäuser beheizt das warme Wasser aus der Anlage. Zwei zusätzliche Gewerbetriebe sollen noch dieses Jahr einen Anschluss an das Nahwärmenetz erhalten. Hier geschieht alles vor Ort: Aus regionalen Bio-Substraten wird regionale Wärme für nahe gelegene Abnehmer.
Und da die Energiewende aus vielen kleinen Bausteinen besteht, darf auch eine Photovoltaik-Anlage nicht fehlen: Die Biogas-Anlage Hiltpoltstein hat inzwischen sogar zwei: eine 18 kWp Solaranlage, die ihren Strom in das Netz einspeist, und seit Kurzem eine weitere, kleinere zehn kWp-Anlage für den Eigenbedarf. Was bislang fehlt, sind Windräder in der Nähe.
Bioenergie war bereits 2014 die wichtigste Quelle für erneuerbare Wärme, die insgesamt 9,9 Prozent des deutschen Bedarfs deckte. Innerhalb dieses regenerativen Wärmeanteils stellt zwar feste Biomasse – vornehmlich Holz – mit rund 73 Prozent den überwiegenden Anteil des Angebots. Aus Biogas, Klär- und Deponiegas stammten jedoch auch immerhin gut zwölf Prozent. Hinzu kommen großen Mengen an Strom: Rund 8.000 Biogas-Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von über 4,1 Gigawatt sind derzeit bundesweit in Betrieb.
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