10 Aug 2023 CO2-Preis made in the EU oder: Warum fossile Energieträger immer teurer werden
Wir wollen klimaneutral leben, klare Sache. Aber wie kommen wir dahin? Ein zentrales Instrument ist der CO2-Preis. Er macht das Verbrennen fossiler Energieträger immer teurer und nachhaltige Alternativen attraktiver. Wir erklären die Hintergründe und schauen in die Zukunft von Öl und Gas (teuer, keine!) sowie Erneuerbarer Energien (blendend, klar).
- Warum überhaupt ein CO2-Preis?
- Wie funktioniert der CO2-Preis?
- Europäischer Emissionshandel für Kraftwerke und Industrie (ETS-I)
- Argumente gegen den CO2-Preis – und warum sie Quatsch sind 🙃
- Der nationale Emissionshandel im Wärme und Verkehrsbereich (BEHG)
- Fossiles Heizen und Fahren verteuert sich durch neuen europäischen CO2-Preis weiter (ETS-II)
- EU- vs. nationaler CO2-Preis – welcher gilt?
- Sind grüne Brennstoffe eine Lösung?
- Viel besser: mehr günstiger Ökostrom und Sektorenkopplung!
Anmerkung: Eine erste Version dieses Blogbeitrags ging Mitte Juli 2023 online. Dieses Update berücksichtigt, was sich seitdem zum Thema CO2-Preis getan hat.
Warum überhaupt ein CO2-Preis?
Der Grundgedanke einer CO2-Bepreisung ist so einfach wie effektiv: Treibhausgase wie insbesondere CO2 heizen unsere Erde auf. Das verursacht immense Schäden und Anpassungskosten – lange aber praktisch ohne direkte Kosten für die Nutznießer fossiler Energieerzeugung, die die größte Quelle dieser Treibhausgasemissionen sind. Ein Preis für die zu Grunde liegenden Emissionen stellt diese Schäden den Verursacher:innen in Rechnung. Gleichzeitig macht er es ökonomisch unattraktiv, fossiler Energieträger zu nutzen, wo es erneuerbare Alternativen gibt. Die Einnahmen könnten in notwendige Transformationsinvestitionen und Klimaanpassungsmaßnahmen fließen sowie den sozialen Ausgleich beim anstehenden Wandel zu einem klimaschonenden Wirtschaftssystem gestalten.
Wie funktioniert der CO2-Preis?
Und das geht so: Wer eine bestimmte Menge des Treibhausgases CO2 ( meist eine Tonne) ausstößt, muss dafür ein Zertifikat erwerben. Entweder dann, wenn die CO2-Emissionen entstehen (also beim Verbrennen fossiler Energieträger) oder aber schon, wenn fossile Energieträger in Umlauf gebracht werden. Die Kosten für dieses Zertifikat stellen den sogenannten CO2-Preis dar.
Die konkreten Kosten für ein Zertifikat ergeben sich entweder durch staatliche Vorgabe oder indem es nur ein begrenztes Kontingent gibt, das versteigert wird – bei diesem echten Emissionshandel steigt der Preis, je weniger erlaubten Ausstoß und damit Zertifikate es noch gibt und je mehr Akteure diese nutzen wollen. Gerade der letzte Weg eignet sich natürlich gut zum Erreichen der Klimaziele, da diese ja in Reduktionsvorgaben beim Treibhausgasausstoß übersetzt sind. Wenn die begrenzten Zertifikate nicht nur ersteigert, sondern auch gehandelt werden können, wird die Emissionsreduktion zudem da angereizt, wo sie (innerhalb des Handelssystems) am günstigsten ist. Ein CO2-Preis schafft also idealerweise mehr Balance zwischen den Profiteur:innen der Verbrennung fossiler Rohstoffe und uns allen. Kurzum: Das Instrument ist ein marktwirtschaftlicher Weg zu mehr Klimaschutz.
Das Grundprinzip ist also: Wer fossile Rohstoffe nutzt, zahlt mehr – Tendenz steigend. Allerdings bildet kein CO2-Preis bislang ansatzweise die reale Schadenshöhe ab, weder auf deutscher noch EU-Ebene. Denn das Umweltbundesamt geht von Klimakosten von etwa 800 Euro pro Tonne CO2 aus. Selbst wenn man heutigen Wohlstand höher gewichten würde als den kommender Generationen, müsste der CO2-Preis in den nächsten Jahren bei 200-250 Euro pro Tonne CO2 liegen.
Selbst das Handelssystem mit den bislang höchsten Preisen, der ETS (s. u.), erreichte gerade einmal Höchststände von rund 100 Euro pro Tonne CO2; im Sommer 2023 lag der Preis im Schnitt sogar gerade einmal bei etwas über 80 Euro. Das zeigt: Eine wirkliche Balance ist noch längst nicht erreicht. Und heißt: Die Erderhitzung kommt uns noch deutlich teurer zu stehen, als das, was wir heute an CO2-Kosten zahlen.
Europäischer Emissionshandel für Kraftwerke und Industrie
Die erste praktische Umsetzung eines CO2-Preises in Europa war der 2005 gestartete Emissionshandel für Kraftwerke und Industrie, der EU-ETS (Emission Trading System). Das Grundprinzip: Jedes Kraftwerk und jeder Industriebetrieb einer bestimmten Größe muss für den Ausstoß einer Tonne CO2 ein Zertifikat vorweisen, von denen es natürlich nur eine begrenzte Anzahl gab.
Was sich in der Theorie sehr sinnvoll liest, führte die Praxis ad absurdum, da es zu viele Zertifikate gab, die anfangs auch noch weitgehend kostenloses verteilt wurden. Erst nach mehreren Reformrunden kann man eine wirkliche Steuerungswirkung des Instruments konstatieren: Seit rund zwei Jahren bewegt sich der resultierende CO2-Preis zwischen 80 und 100 Euro pro Tonne. Das ist zwar weiterhin deutlich unter den Schadenskosten, hat aber durchaus einen realen Effekt: Eine Kilowattstunde Strom aus dem besonders klimaschädliche Brennstoff Braunkohle (Emissionsintensität von mindestens 1000 g CO2-Äq./kWh) wird durch einen CO2-Preis von rund 80 Euro pro Tonne so etwa 8 ct/kWh teurer. Deshalb sind schon vor der Energiepreiskrise viele Braunkohlekraftwerke marktgetrieben weniger gelaufen. Eine weitere, im Rahmen des europäischen Green Deals bereits verabschiedete Reform des ETS wird die CO2-Preise für Kraftwerke und Industrie weiter verteuern.
Argumente gegen den CO2-Preis – und warum sie Quatsch sind 🙃
Gegner:innen des Klimaschutz-Instruments werfen ihm gerne vor, es sorge dafür, dass Unternehmen in Staaten außerhalb der EU auswandern, was Arbeitsplätze und Steuereinnahmen kosten würde. Um genau das zu verhindern, ergänzt die EU das Instrument um eine Abgabe, die für bestimmte Importe aus Ländern greift, die keinen eigenen CO2-Preismechanismus haben. Der sogenannte CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) ist praktisch eine Art CO2-Zoll.
Der weiter steigende CO2-Preis wird also insbesondere den Einsatz von Kohle, aber auch von Gas im Stromsektor immer unrentabler machen. Viele Marktbeobachter:innen gehen davon aus, dass der in Deutschland bis 2030 angestrebte Kohleausstieg ohne weitere politische Vorgaben gelingt – einfach, weil der Einsatz dieser Kraftwerke sich nicht mehr rechnet.
Der nationale Emissionshandel im Wärme- und Verkehrsbereich
Was auf EU-Ebene funktioniert, kann für Deutschland nicht verkehrt sein, dachte sich die große Koalition 2019 und hat einen nationalen Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr eingeführt, der 2021 gestartet ist. Seitdem müssen Unternehmen, die Gas und Öl zum Heizen oder Kraftstoffe verkaufen, entsprechende Zertifikate für die jeweils enthaltenen CO2-Mengen kaufen.
Anders als der Name suggeriert ist dieser nationale Brennstoffemissionshandel aber noch kein wirklicher Handel mit einer begrenzten Zertifikatsmenge, sondern lediglich das Begleichen eines festgelegten Preises pro Tonne CO2 – und der lag zum Start bei gerade einmal 25 Euro pro Tonne, sollte aber kontinuierlich ansteigen. Mit Betonung auf dem „sollte“, denn die für 2023 angedachte Erhöhung wurde aufgrund der Energiepreiskrise ausgesetzt, was den ganzen Preisentwicklungspfad nach hinten verzögerte. Damit gilt aktuell weiter der 2022er Preis von 30 Euro pro Tonne CO2.
Nachdem die Bundesregierung zunächst diskutierte, die ausgesetzte Erhöhung nachzuholen und wieder auf den ursprünglichen Preispfad zurückzukehren, entschied sie im August doch anders: Statt der erst angekündigten 45 Euro, sollen ab 2024 40 Euro pro Tonne veranschlagt werden. Die CO2-Bepreisung für das kommende Jahr fällt also geringer aus, als eigentlich von der Großen Koalition ausgemacht. Obwohl der Preis so noch weit unterhalb der Schadenskosten liegt, ist die Erhöhung aber definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.
Ab 2026 soll dann der Übergang zu einem wirklichen Handelssystem mit einer klaren Mengenbegrenzung erfolgen, wobei für das erste Jahr noch ein Preiskorridor von 55-65 Euro vorgegeben ist – eine echte Preisfindung bleibt also weiterhin aus. Die findet erst statt, wenn allein die Menge an noch erlaubten Restemissionen die Zertifikatsmenge und damit den Preis bestimmt.
Doch auch wenn das bestehende nationale Emissionshandelssystem bleibt, wie es ist: Die Betriebskosten für fossile Systeme, ob Verbrennerautos oder Gasheizungen, steigen kontinuierlich und werden voraussichtlich ab 2027 angesichts der bislang nur geringen Reduktionserfolge in diesen Sektoren in die Höhe schießen.
Fossiles Heizen und Fahren verteuert sich durch neuen europäischen CO2-Preis weiter
Der deutsche Brennstoffemissionshandel wird allerdings nicht das letzte Wort in Sachen CO2-Bepreisung für Wärme und Verkehr bleiben. Im Rahmen des europäischen Green Deal haben sich die 27 Mitgliedsstaaten auf einen gemeinschaftlichen Emissionshandel für diese Bereiche – ähnlich wie in Deutschland – geeinigt. Dieser ETS-II soll 2027 starten und das bestehende deutsche System absehbar in sich aufnehmen. Entscheidender Unterschied der Regelungen: Der ETS II setzt – im Gegensatz zum deutschen System – von Anfang an auf eine begrenzte Zertifikatmenge und eine freie Preisbildung, jedoch mit einem kleinen Haken: Überschreitet der Preis pro Tonne 45 Euro, wird noch einmal ein begrenztes Kontigent an Reservezertifikaten in den Markt gegeben, das den Preis senken soll, um ärmere Staaten und Konsument:innen zu schonen. Die meisten Marktbeobachter:innen gehen allerdings davon aus, dass auch diese Maßnahme einen schnellen Anstieg des ETS-II-CO2-Preises angesichts der bisherigen Versäumnisse in den betroffenen Sektoren nur wenig dämpfen wird.
EU- vs. nationaler CO2-Preis – welcher gilt?
Wie gesagt: Auf Dauer ist es vorgesehen, dass der nationale Brennstoffemissionshandel und der EU-ETS II verheiratet werden – ganz langfristig könnte sich sogar auch eine Verbindung mit dem bislang klar getrennten ersten ETS für Kraftwerke und Industrie ergeben. Doch was ist, wenn bei Wärme und Verkehr der EU-Preis unter dem nationalen liegt – hat der Klimaschutz dann Pech? Aufgrund des „echten“ Handelscharakters wird dies zwar ohnehin nicht erwartet – aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass es doch so kommt, könnten die Mitgliedsstaaten den EU-Preis etwa durch einen nationalen Aufschlag anheben, sodass dieser sich an bestehende CO2-Preissysteme angleicht.
Klar ist: Der ETS II macht das Verbrennen fossile Energieträger für Heizen und Mobilität keinesfalls günstiger, sondern verstärkt bestehende nationale CO2-Preise. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird damit auch für Wärme und Verkehr in einem robusten europäischen System organisiert und mit einem klaren Preissignal unterlegt.
Sind grüne Brennstoffe eine Lösung?
Fossiles Fahren oder Heizen wird also deutlich teurer. Wäre es da nicht eine Lösung, bewährte Verbrennungs-Technologien einfach mit grünen Energieträgern wie Wasserstoff, Bioenergie oder E-Fuels weiterzubetreiben? Jein. Für diese gilt aufgrund ihrer Klimaneutralität (bei Bioenergie nur unter bestimmten Bedingungen) zwar kein CO2-Preis, allerdings sind sie in der Herstellung mittelfristig deutlich teurer als die fossilen Pendants. Zudem sind die grünen Varianten knapp – Biomasse und die daraus hervorgehenden Energieträger sind eben nur begrenzt verfügbar, wie etwa die nun schon länger andauernde Knappheit im Biomethan-Markt zeigt. Wasserstoff sowie darauf aufbauende Derivate (wie synthetisches Methan oder E-Fuels) werden außerdem bislang kaum produziert, brauchen sehr viel Strom zur Herstellung und werden absehbar in anderen Sektoren sehr viel dringender benötigt. Diese Knappheiten verteuern grüne Brennstoffe zusätzlich zu den Herstellungskosten, was dann die Betriebskosten der Nutzer:innen hochtreibt.
Viel besser: mehr günstiger Ökostrom und Sektorenkopplung!
Werden Heizen und Verkehr also, ganz unabhängig vom Brennstoff, immer teurer? Mitnichten! Denn es gibt längst Technologien, die statt auf Verbrennung auf die direkte Nutzung (inzwischen sehr günstigen) Ökostrom setzen. Stromgetriebene Technologien wie Wärmepumpen oder Elektroautos sind nicht nur viel effizienter als ihre brennstoffbasierten Vorläufer, sondern auch sauber und praktisch, da sie keine lokalen Schadstoffe freisetzen und in einem auf Sonne und Wind basierenden Stromsystem notwendige Flexibilität bereitstellen, indem sie vor allem dann Strom nutzen, wenn viel davon verfügbar ist.
Klar ist: Um unseren Verkehr und unsere Wärmeerzeugung viel stärker elektrisch abwickeln zu können, braucht es eine ganze Menge Ökostrom. Daher muss der Ausbau von Solar- und Windenergie weiter beschleunigt werden. Das sichert nicht nur ab, dass ausreichend Strom da ist, sondern drückt auch den Strompreis weiter runter.
Noch sind die grundlegenden Investitionen für diese neuen Nutzungsformen zwar teurer als etwa für Gasheizungen oder Benzinautos, aber je mehr davon produziert werden muss, desto günstiger werden sie. Hinzu kommt, dass die Betriebskosten eben schon jetzt oft deutlich niedriger sind, gerade wenn lokal erzeugter PV-Strom genutzt wird bzw. wenn der Netzstrompreis durch mehr Ökostrom-Anteil sukzessive sinkt. Wenn man die Betriebskosten und die steigenden CO2-Preise über die nächsten Jahre mit in den Blick nimmt, rechnen sich innovative Technologien ganz ohne Brennstoffe meist heute schon.
Denn die Devise bleibt: Wer keine Treibhausgase ausstößt, muss auch nicht dafür bezahlen.
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