12 Jul 2023 Das Gebäudeenergiegesetz: Viel heiße Luft um heiße Luft – oder?
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) regelt die Vorgaben für Heizungen in Deutschland. Aktuell erhitzt es aber vor allem die Gemüter, da eine bevorstehende Novelle viele neue Vorgaben bringen könnte. Wir erläutern, was genau geplant ist, warum der Vorschlag erarbeitet wurde – und was das Heizungsgesetz mit Glühbirnen zu tun hat.
Anmerkung: Eine erste Version dieses Blogbeitrags ging Ende April 2023 online. Dieses Update berücksichtigt die Änderungen, die seitdem am geplanten Gesetz vorgenommen wurden.
Erinnert ihr euch noch an die Leuchtmittel-Regulierung der EU im Jahr 2012? Kurz vor Inkrafttreten des Verkaufsverbots von besonders ineffizienten Glühbirnen stockte der Handel damals ein letztes Mal ordentlich die Bestände auf. Kund:innen deckten sich mit einem Dekaden-Vorrat an 100-Watt-Glühbirnen ein, um „nicht im Dunkeln zu sitzen“. Auf einmal gab es eine Vielzahl an Expert:innen für Lichtfarben und es wurde einem ungefragt erklärt, warum die neuen, effizienteren Birnen eine Gefahr für den eigenen Biorhythmus wären. Und durch das in den Energiesparlampen oft enthaltene Quecksilber, über das heute niemand mehr spricht, drohte quasi der Untergang des Abendlandes. So manch eine:r schimpfte in dieser Gemengelage lautstark über die „Regulierungswut“ der Politik. Dass die „neuen“ Birnen viel effizienter waren und so bares Geld gespart werden konnte, fiel dabei schnell unter den Tisch. Ein ähnliches Phänomen erfasst gerade den Heizungsmarkt: der Ansturm auf Öl- und Gasheizungen ist genauso wie die Aufregung über die Politik groß, denn schon bald sollen neue Heizungen einen deutlich höheren Mindestanteil an Erneuerbaren Energien erfüllen müssen.
Der Gebäudesektor in der Pflicht
Auslöser für das Rauschen im Blätterwald und den Last-Minute-Run auf fossile Heizungen ist eine kleine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Das GEG regelt ganz allgemein den effizienten Einsatz von Erneuerbaren Energien in Gebäuden und ist bereits im Jahr 2020 in Kraft getreten. Natürlich gab es auch schon davor eine Regulierung des Wärmeeinsatzes im Gebäude, das GEG vereinte mehrere zuvor getrennte Gesetze. Das Heizen von Gebäuden hat insgesamt einen immensen Einfluss auf die CO₂-Emissionen (ca. 1/3 der Emissionen fallen im Gebäudesektor an), doch der Gebäudesektor hinkt auf dem Weg der Dekarbonisierung stark hinterher. Die GEG-Novelle soll die Wärmewende planbarer machen und ist so ein kleines Puzzlestück des großen Gesamtziels der Klimaneutralität bis 2045.
Die GEG-Novelle schlägt seit Monaten große Wellen, zuletzt stoppte das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren die GEG-Novelle im Bundestag, da der Gesetzentwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage im Voraus zur Vorbereitung vorgelegen hatte. Die Verabschiedung des Gesetzes wird voraussichtlich erst im September stattfinden.
Doch was sieht der vorliegende Gesetzesentwurf überhaupt vor? Im Gegensatz zur Vorgängerversion, die zum 1.1.2024 ein 65-Prozent-Kriterium für Erneuerbare Energie beim Einbau neuer Heizungen einführen sollte, ist der aktuelle Gesetzentwurf bereits abgeschwächt worden. Ab nächstem Jahr sollen nur neue Heizungen im Neubau in Neubaugebieten zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbarer Energie laufen. Bevor das 65-Prozent-Kriterium auch im Neubau außerhalb von Neubaugebieten und im Bestand gilt, soll zunächst eine sogenannte Wärmeplanung durchgeführt werden. Das passende Gesetz zur Wärmeplanung wird zurzeit parallel erarbeitet und soll ebenfalls im Herbst durch den Bundestag verabschiedet werden – es regelt die Wärmeplanung für Kommunen mit 100.000 Einwohnenden oder mehr bis 2026, und für Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnenden bis 2028. Erst wenn durch das Wärmeplanungsgesetz entschieden wurde, ob ein Gebäude an ein Wärmenetz angeschlossen werden kann, greift das 65-Prozent-Kriterium für neue Heizungen überall.
Zur Erfüllung des 65-Prozent-Kriteriums gibt es neben dem Anschluss an ein Wärmenetz dann viele weitere Optionen im Gesetz: eine elektrische Wärmepumpe, eine Stromdirektheizung, eine solarthermische Anlage, eine Wärmepumpen-Hybridheizung, eine Solarthermie-Hybridheizung oder eine mit grünem oder blauem Wasserstoff betriebene Heizung können laut GEG alle das 65-Prozent-Kriterium erfüllen. Im Gegensatz zur Vorgängerversion sind auch Biomasseheizungen in jeder Variation weiterhin auch im Neubau und im Bestand als Option vorgesehen. Tatsächlich war das im GEG zu verankernde 65-Prozent-Kriterium bereits im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart worden – da zwar zunächst noch für 2025, aber die grundsätzliche Richtung war lange absehbar.
Das 65-Prozent-Kriterium gilt nur für neue Heizungen
Entgegen einiger irreführender Schlagzeilen dürfen auch laufende Öl- und Gasheizungen nach Inkrafttreten der GEG-Novelle weiterbetrieben und gegebenenfalls repariert werden. Zwar erfüllen Öl- und Gasheizungen das 65-Prozent-Kriterium nicht, aber die GEG-Novelle adressiert schließlich nur neu eingebaute Heizungen. Eine funktionierende Öl- oder Gasheizung darf also über 2026 bzw. 2028 hinaus regulär betrieben werden, bis irgendwann ein Heizungstausch ansteht. Beim Heizungstausch gibt es außerdem eine Frist von fünf5 Jahren, in denen übergangsweise auch eine Heizung eingebaut werden darf, die nicht das 65-Prozent-Kriterium erfüllt. Spätestens ab 2045 dürfen laut Gesetz wirklich keine fossilen Heizungen mehr betrieben werden.
Nun scheint 2045 weit weg – doch ein Heizungstausch steht im Schnitt alle 20-30 Jahre an, sodass eine heute eingebaute Heizung voraussichtlich bis 2045 läuft. Viele Eigentümer:innen treffen die Entscheidung für eine neue Heizung nur ein- bis zweimal im Leben, die Investition in eine neue Heizung sollte deshalb gut überlegt sein – und man muss jetzt schon die Auswirkungen über eine lange Frist mitdenken. Übrigens nicht nur die Auswirkungen auf das Klima, sondern auch die auf den Geldbeutel, da fossile Energien absehbar deutlich teurer werden. Die GEG-Novelle soll Einfluss auf die Investitionsentscheidung von Gebäudebesitzer:innen nehmen und den Einbau neuer Heiztechnik ökonomisch wie ökologisch in nachhaltige Bahnen lenken. Ein Ziel, dass eigentlich alle teilen, gerade angesichts der großen Bedeutung des Wärmesektors für den Klimaschutz. Spannender als die Frage, welche Heizung man nicht mehr einbauen darf, sind daher die verschiedenen Optionen, die das Gesetz als zukunftsfähig einstuft.
Option 1: Anschluss an ein Wärmenetz
Durch den Anschluss eines Gebäudes an ein Wärmenetz (z.B. Fernwärme) wird das 65-Prozent-Kriterium automatisch erfüllt – unabhängig von der konkreten Wärmeerzeugung. Diese Wärmenetze werden aber gesondert reguliert und auf Dekarbonisierung verpflichtet. Wenn der Anschluss an ein geplantes Wärmenetz möglich ist, dann kann das 65-Prozent-Kriterium noch bis zu 10 Jahre außer Acht gelassen werden. Die Kommunen sollen dabei zukünftig einen sogenannten Transformationsplan vorlegen, um die Möglichkeit des Anschlusses an ein Wärmenetz für jedes Gebäude mit Ja oder Nein beantworten zu können.
Option 2: Elektrische Wärmepumpen
Grundsätzlich wird im Neubau fast nur noch mit elektrischen Wärmepumpen geplant, da es sich hier um die effizientesten und kostengünstigsten Optionen handelt. Auch im Bestand kommen immer häufiger elektrische Wärmepumpen zum Einsatz, da die Technologie mittlerweile keine zwingende Sanierung erfordert (siehe z.B. Studie von Agora Energiewende).
Option 3: Stromdirektheizungen
Stromdirektheizungen sind weitaus weniger effizient als Wärmepumpen, aber können im Einzelfall mit sehr geringen Wärmebedarfen eine passende Lösung im Neubau sein.
Option 4: Solarthermische Anlagen
Solarthermie benötigt eine möglichst große Dachfläche. Etwas pauschal lässt sich sagen: Je größer das Haus ist und je mehr Personen darin wohnen, desto eher lohnt sich eine Investition. Für den Klimaschutz ist Solarthermie immer ein Zugewinn.
Option 5: Wärmepumpen-Hybridheizungen
Die Kombination aus Wärmepumpe und beispielsweise Gas für Spitzenlasten ist besonders im Bestand interessant, um auch bei hohen Wärmebedarfen am kältesten Wintertag verlässlich heizen zu können.
Option 6: Solarthermie-Hybridheizungen
Ähnlich wie bei einer Wärmepumpen-Hybridheizung macht die Kombination aus einer solarthermischen Anlage mit anderen Energieträgern wie beispielsweise Gas für Spitzenlasten hier den Unterschied.
Option 7: Wasserstoff-Heizungen
Diese Option ist möglicherweise in der Zukunft verfügbar. Heute wird noch kein einziges Gebäude in Deutschland über ein Wasserstoff-Netz beheizt, da diese Infrastruktur (noch) nicht existiert. Gasheizungen, die technisch auf Wasserstoff umstellbar wären, erfüllen als sogenannte „Wasserstoff ready/H2-ready“-Heizungen aber laut der GEG-Novelle das 65-Prozent-Kriterium. Als rares Gut wird grüner Wasserstoff voraussichtlich nicht für das Heizen von Gebäuden genutzt werden, sondern stattdessen in der Industrie Verwendung finden. Die Nachhaltigkeit von blauem Wasserstoff ist außerdem hochumstritten, da dieser aus Erdgas hergestellt wird und CO₂ als Beiprodukt anfällt.
Option 8: Biomasseheizungen
Diese Option umfasst die Vielzahl an Biomasse-Verbrennungen wie Pellets oder Holzhackschnitzel und schließt auch das Heizen mit Biomethan ein. Biomasseheizungen sind als Erfüllungsoption jedoch lediglich im Gebäudebestand vorgesehen.
Grundlegend lässt sich festhalten: Die Anzahl der Möglichkeiten für zukunftsfähiges Heizen ist groß und zahlreiche Länder wie beispielsweise Schweden machen bereits vor, dass Heizen ohne Öl und Gas möglich ist. Klar ist, dass niemand in den kommenden Jahrzehnten frieren muss, weil fossile Heizungen aus den Häusern verschwinden. Genau so, wie niemand seit 2012 im Dunkeln sitzt, weil ineffiziente Glühbirnen verboten wurden.
Michael Buch
Gepostet um 14:46h, 02 MaiIch habe 2019 eine Gasheizung für eine 30 Jahre Ölheizung einbauen lassen, Entscheidungsgrund war auch das 100%-Biogas von Naturstrom. Wie wird dies hier gesehen?
Sven Kirrmann
Gepostet um 16:56h, 03 MaiHallo Michael
ich bin nicht ganz sicher, worauf die Frage abzielt:
Wenn es darum geht, ob du die Heizung auch nach der Novellierung des GEG weiternutzen kannst, kann ich jegliche Bedenken nehmen. Die Erneuerbaren-Pflichten gelten wie beschrieben nur beim Einbau einer neuen Heizung, bis dahin können alte Geräte ganz unabhängig von der Technologie weiterbetrieben werden.
Wenn du auf unser früheres 100%-Biogas-Produkt abzielst, dass wir aktuell nicht mehr anbieten können: Das liegt leider daran, dass durch das Instrument der THG-Quote der Verkehrssektor fast alle Biomethan-Mengen mit unseren hohen Nachhaltigkeitsstandards aufgekauft hat und damit Produkte mit hohen Biomethan-Anteilen aktuell nicht mehr möglich bzw. nur zu sehr hohen Kosten realisierbar wären. Genauer haben wir das hier aufgeschlüsselt: https://blog.naturstrom.de/energiewende/biogas-knappheit/
Oder wenn es dir um eine politische Bewertung geht: Natürlich finden wir richtig, fossile Energieträger auch im Wärmesektor endlich zurückzudrängen. Grüne Gase wie Biomethan oder Wasserstoff werden da sicher Teil der Lösung sein, aber eben viel weniger bzw. nur teurer verfügbar sein als das bisherige fossile Gas (bei welchem eben CO2-Schadenskosten nicht eingepreist waren und dass daher auch viel zu günstig war). Daher ist es natürlich konsequent, die Gasnutzung im Wärmebereich generell zurückzudrängen und vorrangig auf Technologien zu setzen, die besonders effizient und leicht klimaneutral zu betreiben sind – insbesondere sind das Wärmepumpen bzw. Wärmenetze, wobei eben das Gesetz auch eine Vielzahl anderer Erfüllungsoptionen vorsieht, je nach Situation. Und dass es für bereits verbaute Heizungen erstmal Bestandsschutz gibt, ist aus sozialen Erwägungen auch sehr nachvollziehbar, auch wenn 2045 als Zieljahr zur Klimaneutralität angesichts der auch von dir geschilderten langen Betriebsdauer von Heizungen gar nicht mehr so lang weg ist.
Ich hoffe, das beantwortet deine Frage, ansonsten melde dich gerne noch einmal.
Viele Grüße
Sven von naturstrom