(Perspektivische) Gasknappheiten und die Auswirkungen auf die NATURSTROM-Gastarife

Seit Ende letzter Woche gilt in Deutschland die Gas-Alarmstufe, es wird vor einem Gas-Mangel in der Energieversorgung gewarnt. Viele Gas-Kund:innen fragen sich, was diese erstmals ausgerufene Warnstufe für sie bedeutet, wie es überhaupt so weit kommen konnte und wie sich die Situation weiterentwickeln könnte. Hier beantworten wir die wichtigsten Fragen.

Ist meine Versorgung als naturstrom biogas-Kund:in gesichert?

Zunächst die wichtigste Nachricht: Ja, die Versorgung aller naturstrom biogas-Kund:innen ist sicher. Aktuell fließt ohnehin ausreichend Gas aus verschiedenen Quellen nach Deutschland, um die komplette Nachfrage zu decken und sogar weiter gewisse Mengen einzuspeichern, wenn auch nur noch auf geringem Niveau. Und selbst wenn es tatsächlich zu einer Gasknappheit kommen würde, also nicht mehr alle Nachfragen durch die verfügbaren Gasmengen bedient werden könnten, wären Haushalte die allerletzte Abnehmergruppe, bei denen es zu Einschränkungen kommen würde. Nichtsdestotrotz ist schon heute das Einsparen von Energie sinnvoll.

NATURSTROM hat bereits Anfang des Jahres (und damit noch vor dem russischen Angriffskrieg) alle noch fehlenden Erdgasmengen, die wir 2022 im Rahmen unserer (Misch-)Tarife benötigen (und deren Emissionen wir im Rahmen unserer Klimaschutzagenda natürlich ausgleichen), bei Vorlieferanten vertraglich gesichert, was kurzfristig die Versorgung für unsere Kund:innen garantiert. Allerdings waren die Preise schon damals sehr hoch, was zu der letzten Preisanpassung für unsere naturstrom biogas-Tarife führte. Auch für das Folgejahr sind bereits große Teile der benötigten Gasmengen vertraglich abgesichert und werden aufgrund des besonderen Schutzes von Kleinverbrauchern selbst im Fall einer tatsächlichen Gasmangellage mit höchster Wahrscheinlichkeit bedient werden.

Wie ist die aktuelle Situation und was hat dazu geführt?

Aktuell, genauer gesagt am 23. Juni, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die so genannte Alarmstufe und damit den zweiten Schritt des dreigliedrigen Notfallplans Gas ausgerufen. Daraus ergeben sich noch keine direkten Konsequenzen, aber der Gasmarkt wird verschärft beobachtet, es gibt eine erhöhte Koordination der Gasflüsse innerhalb der EU sowie mit den Lieferanten und Großverbrauchern. Zudem kann das Ministerium Maßnahmen zur Reduzierung des Gasverbrauchs einleiten. Bereits im März trat in einem ersten Schritt die Frühwarnstufe in Kraft, der Gasmarkt unterliegt seitdem einem genaueren Monitoring. Es werden Daten gesammelt und die nun zur Debatte stehenden Maßnahmen vorbereitet. In den ersten beiden Stufen – und damit eben auch aktuell – ist allerdings der Markt weiterhin für die Steuerung der Gaszuteilung zuständig. Erst in der dritten und letzten Stufe, dem tatsächlichen Notfall, würde die Bundesnetzagentur als so genannter Lastverteiler den Markt außer Kraft setzen und dann von Staats wegen entscheiden, welche Verbraucher:innen bzw. Gruppen noch beliefert werden und an welchen Stellen es zu Einschränkungen kommt. Die Aufrechterhaltung der Versorgung von besonders geschützten Einrichtungen wie etwa Krankenhäusern, aber auch von Haushalten steht dabei an oberster Stelle.

Wenn aktuell noch ausreichend Gas zur Deckung der Nachfrage nach Deutschland fließt, warum gilt dann überhaupt die Warnstufe?

Dies resultiert daher, da auch die Entwicklung der kommenden Monate einbezogen wird. Und beim nun aktuellen Stand der Gasflüsse würden die Mengen eben nicht ausreichen, um die Speicher bis zum Beginn der Heizperiode ausreichend zu füllen und damit für den Winter definitiv abgesichert zu sein. Die momentane Situation ist also noch keine akute Gasmangellage, aber eben eine perspektivische – daher ist die Warnstufe eine angemessene Reaktion auf die Situation.

Überhaupt nötig wurde die veränderte Beurteilung, da seit Mitte Juni deutlich weniger Gas aus Russland nach Deutschland und Europa fließt und Russland immer noch – trotz bisheriger Anstrengungen zur Diversifizierung der Importquellen – weiterhin größte Gaslieferant ist. Schon 2021 ist der größte deutsche Gasspeicher, der unter Kontrolle eines russischen Staatsunternehmens stand, entgegen dem üblichen Marktverhalten fast leer geblieben. Schon vor Beginn des Angriffskrieges hat Russland seine Gasressourcen damit, sowie durch geringe Lieferungen trotz bereits hoher Preise strategisch eingesetzt und so für weiter steigende Gaskosten gesorgt. Seit Jahresanfang 2022 und Kriegsbeginn hat sich die Situation noch einmal deutlich verschärft, unter anderem indem die bereits zuvor rückläufigen Gasimporte durch die Jamal-Pipeline, einer der zuvor wichtigsten Transportwege, im März vollständig zum Erliegen kamen. Und auch durch die Ukraine, deren Pipeline-Infrastrukturen trotz Kriegs weiter gewisse Gastransite gewährleisten könnten, kam kein Gas mehr nach Europa bzw. Deutschland. Lediglich die durch die Ostsee laufende Pipeline Nord Stream 1 wurde zunächst weiter in vollem Umfang genutzt, womit zunächst auch noch die bis dato vereinbarten langfristigen Lieferverträge eingehalten wurden.

Seit Mitte Juni sind aber auch die auf diesem Weg gelieferten Gasmengen in zwei Schritten deutlich zurückgegangen, zuletzt auf nur noch 40 Prozent der vorherigen Importe – womit erstmals fest vereinbarte Lieferkontrakte nicht erfüllt wurden. Russland und dessen Staatsfirmen nutzen Energieressourcen also nicht mehr nur strategisch, sondern wurden vertragsbrüchig. Wenn es bei diesen aktuellen Liefermengen bleibt, könnten die deutschen und europäischen Speicher aufgrund der Limitierungen alternativer Importoptionen nunmehr nicht so stark aufgefüllt werden, dass eine Versorgung über den Winter vollständig abgesichert wäre. Darüber hinaus gibt es Spekulationen, dass nach einer für Juli vorgesehenen üblichen Wartung der Pipeline Nord Stream 1, die etwa zwei Wochen dauern soll und während welcher ohnehin kein Gas fließt, die Gasimporte nicht wieder aufgenommen würden – dann würde es nicht wie jetzt zu perspektivischen Gasknappheiten im Winter kommen, sondern eine Mangellage schon in den kommenden Monaten trotz des im Sommer deutlich geringeren Gasverbrauchs wahrscheinlich werden.

NATURSTROM liefert doch Biogas, kann man so nicht fossiles Erdgas ersetzen?

Die allermeisten unserer Kund:innen haben Mischtarife, in denen neben gewissen Anteilen Biogas (oder chemisch eigentlich Biomethan) Erdgas enthalten ist. Diese daraus resultierenden Emissionen gleichen wir zwar mit hochwertigen Klimaschutzprojekten aus, so dass das Gesamtprodukt klimaneutral ist, aber natürlich sind wir damit abhängig vom Erdgasmarkt. Dazu kommt, dass Biomethan-Mengen ebenfalls knapp sind – was allerdings daran liegt, dass durch gesetzliche Anreizinstrumente in den letzten Jahren Mineralölkonzerne und Speditionen stark auf diesen Energieträger als Kraftstoff setzen und der Markt damit leergekauft wurde. Auch für NATURSTROM wurde es sehr schwierig, überhaupt noch die für unsere Tarife nötigen Mengen in der garantierten besonders nachhaltigen Qualität zu bekommen.

Aber selbst wenn verstärkt Biomethan-Mengen aus dem Kraftstoffbereich wieder im Wärme- bzw. Industriesektor genutzt werden könnten, um knappes Erdgas zu ersetzen, würde das bei Weitem nicht für eine vollständige Substitution reichen: 2021 wurden etwa 12 Terawattstunden (TWh) Biomethan in Deutschland eingespeist, der gesamte Erdgasverbrauch lag dagegen bei etwa 1.000 TWh, davon kam gut die Hälfte aus Russland. Selbst mit entschlossenem Energiesparen und einer starken Diversifizierung von Lieferquellen könnte mit Biomethan allein russisches Erdgas nicht ersetzt werden. Nichtsdestotrotz müssen regenerative Gase bzw. Erneuerbare Energien allgemein natürlich als Teil einer zukunftsfähigen und sicheren Energieversorgung mitgedacht werden. Nicht zuletzt, um aus Klimaschutzgründen generell so wenig fossile Gase wie möglich zu nutzen, egal woher sie kommen.

Was bedeutet das für die Gaspreise?

Knappe Verfügbarkeiten heißen immer hohe Preise – das manifestiert sich auch in schmerzlicher Deutlichkeit im Gasmarkt. Schon seit Herbst 2021 sind die Großhandelspreise für Gas in Höhen geklettert, die nie zuvor erreicht wurden. Während Gas im Termin-Einkauf lange um die zwei Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) gekostet hat und noch 2020 auf einem Tiefstpreis von gut 1 ct/kWh lag, hat sich dieser Wert seit Herbst 2021 vervielfacht und liegt aktuell bei bis zu 9-10 ct/kWh, punktuell sogar darüber. (Höhere Gaspreisen resultieren übrigens auch direkt in höheren Strompreisen. Warum das so ist, haben wir in diesem Blogbeitrag erklärt.) Nach einem kurzzeitigen Höchststand bei Kriegsbeginn und einer anschließenden leichten Erholung verfestigen sich aktuell also Preisniveaus weit über dem langjährigen Schnitt. Zudem lassen die aktuellen Verknappungen weitere Preiserhöhungen befürchten. Und um es ganz deutlich zu sagen: Diese enormen Verteuerungen sind trotz der schon erfolgten Preisanpassungen im Markt aufgrund der üblicherweise langjährigen Einkaufspolitik von Energieversorgern bisher nur in begrenztem Umfang bei den Endverbraucher:innen angekommen!

Als praktisches Beispiel: NATURSTROM kauft üblicherweise einen Großteil der benötigten bzw. erwarteten Gas- und Strommengen im Voraus, um sich gegen starke Preissprünge wie aktuell abzusichern. Das kann zwar auch bedeuten, dass Kund:innen nicht direkt von sinkenden Preisen an den Großhandelsmärkten profitieren, vermeidet aber im Regelfall und gerade in der aktuellen Situation unkalkulierbare Preisexplosionen. Erste Energiemengen für einen bestimmten Lieferzeitraum werden dabei in der Regel schon drei bis fünf Jahre im Voraus gekauft, der Großteil der benötigten Energie ein bis zwei Jahre vor Lieferung und ein kleinerer Anteil dann noch kurzfristig im laufenden Jahr beschafft, um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Das heißt, unsere aktuellen Gastarife – wie auch die bei allen anderen Versorgern – sind noch stark von Einkäufen aus den letzten Jahren bestimmt, in denen die Preise eben noch nicht so hoch waren. Wenn nun die Gashandelspreise weiter so hoch bleiben, ist auch in den nächsten Jahren mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen, da dann fehlende Mengen bspw. für 2023 oder 2024 zu den nun teureren Kosten eingekauft werden müssen.

Für 2022 hat sich NATURSTROM angesichts der absehbaren Unsicherheiten schon früh im Jahr entschieden, alle noch fehlenden Gasmengen für das Lieferjahr direkt einzukaufen und damit die Lieferungen für unsere Kund:innen abzusichern. Die Einkaufspreise waren zwar bereits im Januar/Februar vergleichsweise teuer, was dann auch eine entsprechende Preisanpassung notwendig machte, war aber im Rückblick angesichts der folgenden Entwicklungen eine sehr gute Entscheidung.

Was ist das Energiesicherheitsgesetz und was hat es mit der aktuellen Situation zu tun?

Als Reaktion auf die Entwicklungen im Gasmarkt hat die Ampel-Koalition im Frühjahr das so genannte Energiesicherheitsgesetz novelliert. Dieses erlaubt nun in besagter Notfalllage, dass Großhändler die stark gestiegenen Preise beim Gasimport – ungeachtet bestehender Verträge ­– direkt an Abnehmer bzw. Weiterlieferanten wie NATURSTROM weitergeben könnten. Ziel ist, so Insolvenzen der Großhändler und damit einen Zusammenbruch der Versorgung zu vermeiden, wenn diese bspw. beim Wegfall russischer Gasmengen die vereinbarten Lieferungen zu deutlich teureren Preisen anderswo einkaufen müssten, aber die gestiegenen Kosten aufgrund der zuvor vereinbarten Verträge nicht weitergeben könnte. Sollte dieser Fall also von der Bundesregierung (oder besser gesagt von der Bundesnetzagentur) ausgerufen werden, könnte auch NATURSTROM ungeachtet der vorherigen Liefervereinbarungen von den Vorlieferanten höhere Kosten für den Erdgaseinkauf aufgebürdet bekommen und müsste diese dann weitergeben. Die Politik hat diese Regelung allerdings als präventiv und einen solch schwerwiegenden Eingriff als allerletztes Mittel charakterisiert, so dass wir hoffen, dass dieser Preisweitergabemechanismus nicht zur Anwendung kommen wird und die bestehende Preisgarantie für naturstrom biogas auch für das zweite Halbjahr 2022 bestehen kann.

Wie lässt sich der Mangel an Gas verringern?

Wenn es weniger Gas gibt, heißt das natürlich, dass wir unseren Bedarf möglichst weit senken und damit dem knapperen Angebot anpassen sollten. Neben politischen Maßnahmen wie etwa der Verschärfung von Effizienzvorgaben im Neubau und der Verringerung der Gasnutzung zur Stromerzeugung sind natürlich alle gefragt, einen Beitrag zu leisten. Vor allem im Wärmesektor wird am meisten Gas verbraucht, weniger heizen oder gar der Wechsel auf moderne Technologien wie die Wärmepumpen bringen hier also besonders viel. Konkrete Energiespartipps gibt es an vielen Stellen, etwa bei der von der Bundesregierung gestarteten Kampagne „Energiewechsel“ oder bei der auch von uns unterstützten Aktion #StopFossil. Letztere bietet nicht nur eine praktische App an, die konkret im Alltag mit Tipps unterstützt und die die eigenen Ersparnisse trackt, es werden auch die Gesamterfolge aller Kampagnenteilnehmer:innen visualisiert und so der konkrete Effekt beim Einsparen fossiler bzw. russischer Energieimporte verdeutlicht.

Das Wichtigste ist und bleibt aber der schnelle Ausbau Erneuerbarer Energien, ob zu Hause mit einer Solaranlage auf dem Dach oder durch große Wind- und Solarparks. Mehr Erneuerbare bringen nicht nur mehr Klimaschutz, sondern reduzieren auch direkt fossile Importe, wirken dämpfend auf die Energiepreise und sichern so unsere Versorgung. Da es im Stromsektor schon einen besonders hohen Anteil Erneuerbarer Energien gibt, verringert auch die Nutzung von Ökostrom für Wärme und Mobilität, also etwa über Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge, den Bedarf an fossilen Energieträgern. Wer die Möglichkeit hat, Erneuerbare Energien bzw. Ökostrom zu nutzen und voranzubringen, sollte diese also jetzt mehr denn je ergreifen – ob direkt über Vor-Ort-Erzeugung im eigenen Umfeld, im Rahmen von Bürgerenergiegemeinschaften oder über die Nutzung von Öko-Energieanbietern wie NATURSTROM.

 

Bildquelle: flickr.com / jayblue, CC BY 2.0

Sven Kirrmann
sven.kirrmann@naturstrom.de

Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.

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