23 Feb 2023 Endlager für CO2? Die Bedeutung von Carbon-Capture-Verfahren
Die Uhr tickt. Innerhalb der nächsten Jahre wird sich entscheiden, ob wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen können. Und da Not und Zeitdruck bekanntlich erfinderisch machen, ändert sich auch in der deutschen Politik die Atmosphäre. So soll die für 2023 angekündigte Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung den Weg für die lange stark kritisierten sogenannten Carbon-Capture-and-Storage- (CCS) oder -Usage (CCU)-Verfahren ebnen. Was dahinter steckt und welche Rolle diese Ansätze beim Klimaschutz spielen können bzw. sollen, erklären wir hier.
Das klimafreundlichste CO2 ist immer noch das, das gar nicht erst entsteht – so viel ist klar. Aber was ist mit Emissionen, die nach heutigem Stand der Technik schlicht nicht vermeidbar sind, auf deren Ursachen wir aber dennoch nicht verzichten wollen? Bis genug grüner Wasserstoff vorhanden ist, um alle energieintensiven deutschen Industrien klimafreundlich mit Energie zu versorgen, werden noch Jahrzehnte vergehen. Und selbst dann werden zum Beispiel in Zement- oder Kalkherstellung, aber auch bei der Abfallentsorgung weiter Emissionen anfallen. Eine komplette Aufgabe dieser Industriezweige ist keine Option. Wenn wir jedoch einfach weiter sämtliche dort entstehenden Emissionen in die Atmosphäre jagen, sind die Klimaziele endgültig Geschichte. Verfahren zur Speicherung oder Nutzung dieser „unvermeidbaren“ CO2-Emissionen rücken daher verstärkt ins politische Blickfeld – auch in Deutschland. Aber was hat es mit den im Bericht der Bundesregierung behandelten Verfahren nun auf sich?
How to capture your carbon
Ausgangspunkt von CCS- oder CCU-Verfahren ist das Ein- oder Abfangen entstehender Emissionen. Meist wird versucht, die bei Industrieprozessen anfallenden Abgase direkt aufzufangen, bevor sie über den Schornstein in die Atmosphäre gelangen können. Die einfachste Möglichkeit ist hier eine Carbonat- oder Amin-„Wäsche“ der Abgase, die ermöglicht, das CO2 von den anderen Bestandteilen abzuscheiden. Andere Verfahren setzen große Mengen reinen Sauerstoffs ein, wodurch die Abgase fast nur noch aus CO2 und Wasserdampf bestehen. Anstelle komplexer Abscheidungstechniken kann so einfaches Kondensieren genutzt werden, um das CO2 zu isolieren. Es gibt allerdings auch sogenannte Direct-Air-Capture(DAC)-Verfahren, bei denen Umgebungsluft eingesogen und dieser anschließend durch Wäschen oder Filter das CO2 entzogen wird.
Gleich wie der Kohlenstoff am Ende abgeschieden wird, gemein haben alle Verfahren einen hohen Energie- und Ressourcenaufwand. Stammt die dafür notwendige Energie jedoch aus erneuerbaren Quellen – also Solar- oder Windkraft – können die Maßnahmen durchaus ein Gewinn fürs Klima sein, indem sie CO2 aus der Atmosphäre halten oder es sogar entnehmen. Dennoch fehlt der dafür genutzte Ökostrom natürlich für andere Anwendungszwecke. Ein Grund mehr also, CO2-Emissionen gar nicht erst entstehen zu lassen. Und es bleibt die Frage, was mit dem abgeschiedenen Kohlenstoff passieren soll.
Carbon Capture and Usage (CCU) – CO2 als Ressource?
CO2 muss nicht nur ein Abfallprodukt sein, sondern kann als Ressource genutzt werden. Schließlich besteht das für das Weltklima so bedrohliche Treibhausgas an sich aus zwei sehr wertvollen Elementen, nämlich Sauerstoff und Kohlenstoff. Produkte der chemischen Industrie, Feuerlöschanlagen oder auch synthetische Kraftstoffe benötigen Kohlenstoff; da liegen CCU-Verfahren also geradezu auf der Hand. Ganz so einfach ist es jedoch nicht: Denn ein Gewinn fürs Klima ist die Weiterverwendung des CO2 nur, wenn auch sichergestellt wird, dass keine neuen Emissionen entstehen. Entstammt das verwendete CO2 jedoch der Atmosphäre – oder wäre ohnehin „unvermeidbar“ gewesen – und wurde beim gesamten Herstellungsprozess kein neues CO2 erzeugt, kann aber zumindest ein CO2-neutraler Kreislauf entstehen. Dennoch bergen CCU-Verfahren die Gefahr, nur den Zeitpunkt der Emission zu verlagern, denn mittels CCU hergestellte Brenn- oder Kraftstoffe geben bei ihrer Verwendung schlussendlich doch den enthaltenen Kohlenstoff ab. Eine stoffliche Nutzung des Kohlenstoffs kann aber durchaus eine effektive Netto-Reduktion der Treibhausgasbelastung mit sich bringen.
Carbon Capture and Storage (CCS) – aus der Atmosphäre, aus dem Sinn?
Was ist also mit einer Speicherung des abgeschiedenen Kohlenstoffs? Bislang binden Aufforstungsmaßnahmen 99,9 Prozent des jährlich der Atmosphäre entnommenen CO2. Allerdings braucht diese natürliche Kohlenstoffspeicherung nicht nur viel Fläche und Zeit, sondern stellt die Speicherung auch nur für einige Jahrzehnte sicher – wobei Waldbrände stets allen Fortschritt zunichtemachen können.
CCS-Verfahren wollen nun eine dauerhafte Lagerung des abgeschiedenen Kohlenstoffs ermöglichen, indem sie ihn unterirdisch, im Meeresgrund oder in ausgebeuteten Gas- oder Erdöllagerstätten speichern. Eine besondere Form von CCS stellt die Speicherung von Emissionen aus Biomasse (BECCS) dar. Diese gilt sogar als „kohlenstoffnegativ“, da die Pflanzen der Atmosphäre zwar CO2 entziehen, es aber durch die Speicherung nicht wieder abgegeben. Es gibt jedoch Zweifel daran, ob das Verfahren je im großen Stil technisch und wirtschaftlich realisierbar sein wird.
Erfüllen sich die Versprechen der CCS-Befürworter:innen, könnten laut Umweltbundesamt bis zu 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden. Ob sie wirklich gehalten werden, ist jedoch noch lange nicht sicher. Kritiker:innen warnen davor, dass das Gas doch aus den Kavernen entweichen kann und so das Emissionsproblem lediglich verschoben wird – bei sehr hohem Aufwand.
Zwischen Gefahr und Notwendigkeit
Die größten Risiken von CCU/S-Verfahren sehen Gegner:innen allerdings weniger im Normalbetrieb als in den zu erwartenden Leckagen und Unfällen. In solchen Fällen könnte das entweichende CO2 nicht nur Schadstoffe im Untergrund freisetzen, sondern durch Verdrängung auch das Grundwasser kontaminieren. Auch die Transport- und Speicherinfrastruktur an der Oberfläche stellen eine potenzielle Gefahr für Flora und Fauna dar. Der hohe Energieaufwand verdeutlicht darüber hinaus, dass alle Maßnahmen ohnehin nur klima- und umweltpolitisch zu rechtfertigen sind, wenn die Emissionen wirklich nicht direkt durch Erneuerbaren-Einsatz vermeidbar sind und wenn sämtliche für CCS bzw. CCU genutzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt.
Diesen berechtigten Bedenken steht jedoch die klare Aussage des Weltklimarats entgegen: Ohne negative Emissionen und damit die Abscheidungstechnologien lässt sich das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichen. So erklärt sich auch der Wandel in der deutschen Politik, die die Verfahren zuletzt mit einem Gesetz von 2012 praktisch verbot. Doch während damals vor allem die Abscheidung von Kohlenstoff aus fossilen Kraftwerken im Fokus stand, sind es heute die oben erwähnten „nicht verhinderbaren“ Emissionen der Industrie. Diese Schwerpunktsetzung und klare Eingrenzung ist nicht nur wichtig, um eine Renaissance der Kohle zu verhindern – wie 2012 befürchtet – sondern auch den begrenzten Speicher- und Technologiekapazitäten sowie der geringen Effizienz des Verfahrens geschuldet.
Oberste Prämisse bleibt Emissionsvermeidung
An CCU und CCS führt für eine wirklich klimaneutrale Welt also kaum noch ein Weg vorbei. Umso wichtiger ist es, den anlaufenden Prozess im Rahmen der für 2023 angekündigten Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung genau zu beobachten, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Übertriebene Großinvestitionen in Speicher-, Transport- und Exportinfrastruktur müssen verhindert werden; oberstes Ziel muss weiterhin die Vermeidung von Emissionen und der sich daraus ableitende Umbau der Industrie auf regenerative Quellen sein. Durch die Abscheidungstechnologien darf es keinesfalls zu einer Wiederbelebung fossiler Kraftwerksparks kommen, wie es sich in anderen Staaten bereits abzeichnet.
Dieter Donner
Gepostet um 23:53h, 23 FebruarGuten Tag, ein „guter Artikel“ über CCS und CCU, weil er niemand wehtut. Und leider dauch Naturstrom im Mainstream mitschwimmen lässt..
Die Guten Geschäfte müssen weitergehen und niemand soll mitkriegen, dss wir uns alle in einem Krieg befinden. Unsere Lebensstiel und unser Festhalten an so beliebten Verschwendungsriten – auch von Ökostrom – ist krieg gegen unsere natürlichen Lebensbedingungen und vor allem
gegen die Zukunftsperspektiven unser Kinder und Enkel.
Und CCS ist wieder so ein Versprechen, das wenig mehr als „Augenwischererei“ ist. Vor allem aber CCU soll ja vor allem sog. synthetische Kraftstoffe bieten, die gute Geschäfte, aber keine ökologische Besserung bieten. Die werden einfach später verbrannt und setzten CO2 frei.
Und es ist ein energieintensives Verfahren, das bisher immer noch mehr CO2 verursacht als „verbannt“. Aber es vernebelt so schön.
Also die eigentliche notwendige Marschroute ist, sich nicht nur von Putin-Gas zu lösen, sondern auch von dem „Konsumismus“. das aber bitte nicht mit Ende der Markwirtschaft und schon gar nicht der Sozialen Gesellschaftswirtschaft zu tun hat. Um den Kapitalismus-Fanatikern mit ihrem für große „Markte, die von wenigen Unternehmen dominiert werden“ auch den Zahn zu ziehen, möchte ich wieder das „Small and quick and efficient“ Thema hochbringen. Ob Naturstrom noch dazu gehört, wir sich zeigen, aber Zukunft sollte das haben. Ob das auch mit Scholz und grünen sowie gelben Kollegen geht, da habe ich meine Zweifel. Denn Scholz hat ja gezeigt, was man alles Große vergeigen kann: Elbphilharmonie, wo u.a. der japanische Akustik- Guru für teures Geld Menschen mit gutem Gehör sprachlos zurück lässt. Aber zumindest die Ausgabesumme hat Rekordhöhen erreicht. Und die jahrzehntelange und erst kurz vor Kriegsbeginn abgesagte „Kumpanie“ mit Putin von Merkelrund Scholz etc. und die tollen Konsumflocken als „Brot und Spiele“ auch und vor allem zu Lasten der normalen Russen und weiterer Mitmenschen auf der Welt werden nun öffentlich und bemerkbar. das System wankt wie der Scholzomat und kann nur mühsam über Inflation am Laufen gehalten werden. Dafür hat man jetzt als Sündenbock Putins-Krieg „gefunden“, obwohl die Ursachen eher in der expansiven Geldpolitik
der Konsumisten und Ausgabenbillionäre – an der Spitze mit den Großspekulantenund Notenbänkern -, die das mit Freuden sehen.
Wie sagt der Kabaretist Siebr: „Es geht weiter, immer weiter“ und vergißt zu sagen: „Ein bisschen menschlisher verlust ist immer miztim Geldbeutel“.
Aber warum macht Naturstrom und sonstige edle Unternehmen da mit? Ich weiß es nicht!
beste Grüße und Gut nacht
Dieter Donner, einer , der mal Wirtschaftswissenschaften studiert zu haben glaubt
Finn Rohrbeck
Gepostet um 10:12h, 24 FebruarHallo Herr Donner,
vielen Dank für Ihren Kommentar zu unserem Artikel. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich in meiner Antwort auf Ihre Aussagen zu Carbon-Capture-Verfahren beschränke.
naturstrom-Priorität Nummer 1 ist und bleibt das Einhalten des 1,5-Grad-Ziels und der Kampf gegen die Klimakrise. Durch die politischen und wirtschaftlichen Versäumnisse der letzten drei Jahrzehnte sind wir als Gesellschaft gezwungen, über jedwede Möglichkeit zur Treibhausgasreduktion zu diskutieren. Das heißt auch, über die zurecht umstrittenen Carbon-Capture-Verfahren aufzuklären und Gefahren und Risiken abzuwägen – daher unser Blog-Artikel. Das soll kein Mitschwimmen im Mainstream sein, sondern im Gegenteil wollten wir auf die unbequeme Tatsche aufmerksam machen, dass das 1,5 Grad-Ziel nicht ohne Emissionsabscheidung mehr erreichbar ist – und gleichzeitig vor einer Verklärung entsprechender Technologien als Heilsbringer warnen.
Fakt ist, alle CCx-Maßnahmen sind nur sinnvoll, wenn sämtliche benötigte Energie aus Erneuerbaren Quellen stammt und sich die Treibhausgas-Konzentration durch die Maßnahmen nicht erhöht. CCU-Verfahren, die mit Sicht auf ihren gesamten Kreislauf mehr Emissionen verursachen, darf es nicht geben – da haben Sie vollkommen recht. Und natürlich stimmt es auch, dass wir unsere Energienutzung viel effizienter aufstellen müssen, unser bisher oft sehr verschwenderischer Lebensstil wird in der bereits angebrochenen Klimakrise nicht mehr zu halten sein. Dafür engagieren wir uns auch über unsere Geschäftsaktivitäten hinaus ganz konkret etwa mit der Durchführung von Repair Cafes oder mit konkreten Energiespartipps. Dennoch können wir es uns eben nicht leisten, Emissionsminderung auch durch CO2-Abscheidung abzutun – die Erderhitzung ist hierfür (leider!) schon viel zu weit vorangeschritten und das Umsteuern auf klimagerechtere Wirtschaftspfade erfolgt bislang viel zu langsam, wie der Weltklimarat erklärt. Dennoch ist und bleibt es wichtig, die Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam zu verfolgen und die grundlegend notwendigen Entscheidungen für diese Technologienutzung kontinuierlich kritisch zu hinterfragen.
Viele Grüße