O du fröhliche: So gelingt die Klimadebatte an Weihnachten

Die Feiertage stehen bevor, alles ist perfekt vorbereitet für Ruhe und Besinnlichkeit. Doch zwischen Plätzchenduft und Geschenkefreude lauert die über das Jahr verdrängte Auseinandersetzung: Das Klima wird zum heißen Diskussionsthema im Gespräch mit den Verwandten. Wie die Debatte harmonisch bleibt und man vielleicht auch den ein oder anderen Familienangehörigen zum Umdenken bringt, erklärt unsere Kollegin Helena.

Nicht allein die globale Durchschnittstemperatur nimmt stetig zu. Auch die Atmosphäre unter dem Weihnachtsbaum heizt sich mancherorts zügig auf. Im Handumdrehen übertönen Vorurteile oder gar Verschwörungsmythen über die wohl bedrohlichste Krise der Menschheit die friedlich gesungenen Melodien von Jingle Bells und O Tannenbaum. So sitzen wir alle Jahre wieder fassungslos an den feierlich gedeckten Tischen, während neben uns eine hitzige Debatte über Straßenblockaden und Energiegesetze entbrennt.

Die gute Nachricht: Es gibt einen Weg zu einem wirkungsvollen Gespräch über das Klima, der sich in wenigen Schritten beschreiten lässt.

Schritt 1: Wer ist mein Gegenüber?

Bevor wir auf unser Gegenüber reagieren, ist es wichtig, zu verstehen, was die Person bewegt und motiviert. Schließlich ist es kaum vergleichbar, ob ich mit meinem konservativen Onkel beim traditionellen Weihnachtsessen oder einer Aktivistin auf einem nachhaltigen Weihnachtsmarkt über das Thema spreche.

Jeder Mensch hat einen unterschiedlichen Wissensstand, trägt andere Werte und Einstellungen in sich und sieht verschiedene Handlungsoptionen und -anreize. Manche zweifeln aber auch an ihren eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, etwas zu bewirken. Genau das sind jedoch die Faktoren, die zu einem klima- und umweltfreundlichen Verhalten führen.

Um eine Person einzuordnen, lassen sich verschiedene Modelle hinzuziehen. So gibt es beispielsweise eine Befragung aus dem Jahr 2021, welche die deutsche Bevölkerung in fünf Typen des Klimabewusstseins einteilt: alarmierte Aktive, Überzeugte, Vorsichtige, Unbekümmerte sowie Ablehnende.

Die „alarmierten Aktiven“ sind von der Dringlichkeit überzeugt und engagieren sich aktiv, um Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Die Gruppe der „Überzeugten“ hat ein starkes Bewusstsein für das Problem, engagiert sich allerdings weniger. Ihre Sorge gilt tendenziell eher künftigen Generationen, Tieren und Pflanzen. Die „Vorsichtigen“ erkennen das Problem an, zweifeln aber an ihrer eigenen Wirksamkeit und sehen die Verantwortung bei Industrie und Politik. Die „Unbekümmerten“ vermuten natürliche Ursachen für die Klimakrise, während die „Ablehnenden“ entweder kein Problem oder ebenfalls auf natürlich Ursachen – und somit keinen Grund zur Sorge – sehen. Sie lehnen Maßnahmen aktiv ab.

Schritt 2: Welches Ziel kann ich realistisch erreichen?

Sobald ich verstanden habe, was die Person bewegt, kann ich mich fragen, welches Ziel realistisch mit meinem Gegenüber erreichbar ist. In den wenigsten Fällen werden wir eine Person durch ein einziges Gespräch von unseren Zielen überzeugen können. Das müssen wir aushalten.

Immerhin sind Veränderungen nur selten leicht. Vom Impuls zum Wandel angespornt, brechen wir auf. Schnell und ruckartig holt uns jedoch ein lähmender Schock ein. Auf die damit wachsende Unsicherheit darüber, was auf uns zukommt, reagieren wir mit hartnäckiger Ablehnung. Wir verneinen jegliche Notwendigkeit der Veränderung und verlaufen uns zwischen Ausreden und Ablenkungsmanövern. Erst nach einer gewissen Zeit erreicht uns die vernunftmäßige Einsicht. Wir akzeptieren, dass wir uns einfach noch nicht wirklich zurechtfinden. Vorsichtig tasten wir uns hervor, bis wir realisieren, dass interessante Möglichkeiten vor uns liegen. Langsam, aber sicher nähern wir uns der Zustimmung. Auf einmal merken wir: Das funktioniert alles doch ganz gut.

Aber wie finde ich nun heraus, ob mein gesetztes Ziel wirklich dabei hilft, jemanden auf diesem Weg zur Veränderung voranzubringen? Wenn wir anhand der SMART-Methode vorgehen, muss ein Ziel spezifisch, messbar, ansprechend, realistisch und zeitlich festgelegt sein.

Angenommen, wir sprechen über die eigene Stromerzeugung: Ein gutes Ziel könnte sein, dass ich in den nächsten zwei Wochen Angebote von Anbietern für Balkonkraftwerke einhole, um aktiv zur Energiewende beizutragen.

Schritt 3: Wie kann ich zu Klimaschutz motivieren?

Lange Zeit sind die Menschen davon ausgegangen, dass einfach mehr Informationen notwendig sind, wenn das Publikum noch nicht ganz verstanden hat, welche Konsequenzen es aus den präsentierten Informationen ziehen soll. Wissen ist wichtig. Das haben wir bereits festgestellt. Menschen denken jedoch nicht in Fakten, sondern überwiegend in Geschichten.

Bislang mangelt es häufig an einer persönlichen Bindung zum Thema Klima, da es stark von wissenschaftlichen Aspekten geprägt ist und hauptsächlich in Zahlen und Daten kommuniziert wird. Um mehr Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen, müssen wir die Daten zur steigenden Durchschnittstemperatur mit ihren Auswirkungen in Form von Geschichten präsentieren.

Hinzu kommt, dass in den Medien oft negative Bilder des Klimas – wie brennende Wälder oder gebrochene Klimaversprechen – dominieren, ohne dabei konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Unsere Lösung: Wir bieten positive Szenarien, die den Klimawandel greifbar machen und ein Bild davon zeichnen, wie wir ihn möglichst eingrenzen. Das meint zum Beispiel Menschen, die aktiv für den Klimaschutz eintreten – sei es durch Demonstrationen, Alltagsentscheidungen oder im Beruf. Unser übergeordnetes Ziel ist es, Menschen dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg beim Klimaschutz zu finden und nicht mit gehobenem Zeigefinger vor ihnen zu stehen.

Von Bedeutung ist allerdings nicht nur, wovon wir erzählen, sondern auch wie wir darüber sprechen. Unsere Kommunikation, sei es verbal oder visuell, enthält oft mehr als wir zunächst annehmen. Hinter jedem Begriff steckt ein Schwarm von Assoziationen, der sich aus unseren Erfahrungen und Lebensrealitäten speist. Die Wissenschaft spricht dabei von frames oder auch Bedeutungsrahmen.

Nutzen wir beispielsweise den Begriff „Globale Erderwärmung“ verbindet unser Unterbewusstsein dies mit einem positiven Empfinden. Eine Erwärmung weckt sommerliche Gefühle sowie eine Lust auf Freibad, Vanilleeis und Strandurlaub. Waldbrände, Gesundheitskrisen und Wasserknappheit treten weit in den Hintergrund. Anders sieht es wiederum aus, wenn wir es konkret als Erdüberhitzung benennen. Was zunächst positiv schien, wandelt sich schlagartig ins Negative.

Das Konzept der frames ist somit ein wichtiger Ansatz, um die Wahrnehmung und das Verständnis des Klimawandels mit Auswirkungen und Lösungen zu beeinflussen. Wir merken uns: Sprache wirkt.

Schritt 4: Welche Widerstände bestimmen das Verhalten meines Gegenübers?

Widerstände sind in gewisser Weise menschlich. Es ist die menschliche Natur, durch die wir uns selbst im Weg stehen. Wenn es nach unserem Gehirn geht, befinden wir uns immer noch in der Steinzeit, in der wir jagen und sammeln. Das führt dazu, dass wir einerseits auf unseren eigenen Vorteil bedacht sind und andererseits nur in der Lage sind, mit klar erkennbaren Gefahren umzugehen, wie etwa einem hungrigen Säbelzahntiger, der vor uns steht.

Genauso sind wir absolute Herdentiere. Aus einer Gruppenzugehörigkeit schöpfen wir unsere Identität und Motivation. Zudem beeinflusst die Art und Weise, wie wir die Motive unserer Mitmenschen wahrnehmen und welche Werte unsere Gesellschaft teilt, unser eigenes Handeln. Wenn wir also feststellen, dass unsere Mitmenschen klimafreundliche Verhaltensweisen an den Tag legen, möchten auch wir nicht als Letzte oder Letzter dastehen, die oder der darauf reagiert.

Als ob das nicht schon genug wäre, zeigt unsere Spezies eine ausgeprägte Tendenz, Verluste zu meiden. Geschürt von populistischen Reden über die vermeintlich drohende Verbotskultur, fürchten sich die Menschen vor dem Klimaschutz, und das, obwohl uns die Klimafolgen so viel mehr nehmen werden. Durch Klimaschutz hingegen, können wir so viel gewinnen: Eine verkehrsreduzierte Innenstadt sorgt für eine erhöhte Aufenthaltsqualität in Städten und Sicherheit im Straßenverkehr. Eine dezentrale Energieversorgung durch Windkraft- und Solaranlagen bietet uns eine stärkere Unabhängigkeit. Klimafreundliche Anbaumethoden in der Landwirtschaft helfen, die langfristige Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Die Liste lässt sich fast endlos weiterführen. DAS sind die positiven Geschichten, die wir erzählen können – und müssen.

Mit Empathie und Geduld zum Ziel

Wenn wir in wenigen Tagen mit unseren Verwandten in weihnachtlich geschmückten Räumen sitzen und unsere entgegengesetzten Ansichten zusammenstoßen, bringt uns trotz aller Widerstände eine harte Konfrontation nicht voran. Ganz im Gegenteil! Auf diesem Weg verhärten wir eher die Fronten.

Die Zauberwörter, die uns leiten, sind Empathie und Geduld. Wir bringen also nicht nur Geschenke und Plätzchen mit, sondern auch die Bereitschaft, uns in die Gedankenwelt unserer Familie hineinzuversetzen. Genauso behalten wir stets im Kopf, dass eine einzelne Unterhaltung nicht genug ist, um eine Veränderung zu bewirken.

Gerade bei Feierlichkeiten wie Weihnachten sollten wir uns die Zeit dafür nehmen, Verständnis für unser Gegenüber zu entwickeln. Schließlich geht es um Besinnlichkeit, Ruhe und Gemeinschaft.

Helena Renz

Helena unterstützt seit April 2023 die naturstrom-Gruppe kommunikativ im Bereich der Energieerzeugung. Und auch im Alltag engagiert sie sich für eine klimafreundliche Kommunikation – derzeit vor allem bei den Scientists For Future.

Dominique Czech
dominique.czech@naturstrom.de

ist seit April 2018 dabei und schreibt für naturstrom über alles rund um die Energiewende. Jenseits des Büros bewegen sie die Themen Ernährung, Konsum und Mobilität – aber bitte in nachhaltig.

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