Bürgerenergie – ein demokratischer Auftrag

Um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen, müssen wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen. Dabei spielen Bürgerenergie-Gemeinschaften eine entscheidende Rolle. Warum das so ist und wie naturstrom diese unterstützt, lest ihr in diesem Beitrag.

In den kommenden Monaten möchten wir euch das Thema Bürgerenergie mit einer Reihe von Blogbeiträgen näherbringen. Dabei stellen wir euch unsere langjährigen Bürgerenergie-Partner vor – von denen viele in diesem Jahr Jubiläum feiern – und geben Einblicke in realisierte Wind- und Solarprojekte, die ohne das Engagement von Bürgerenergie-Akteuren nicht so erfolgreich hätten umgesetzt werden können. Wenn ihr keinen Beitrag aus der Serie verpassen möchtet, könnt ihr gerne auch den Auftaktbeitrag vom 08.05.2024 lesen. Unter dem untenstehenden Titel „Bürgerenergie – ein demokratischer Auftrag“ werden übergreifend die Werte und der Stellenwert der Bürgerenergie in der notwendigen Energiewende beleuchtet.

Energiewende „von unten“

Die Entstehung von Energiegemeinschaften ist eng mit dem Bedürfnis nach alternativen Energiequellen und dezentraler Energieerzeugung verbunden. In der Vergangenheit dominierten große konventionelle Energieversorgungsunternehmen, was das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer nachhaltigeren und umweltfreundlichen Energieerzeugung in der Bevölkerung schärfte. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Energiegenossenschaften gegründet. Hauptziel war es, die Stromversorgung ländlicher Gebiete sicherzustellen, da die damaligen Energieunternehmen noch keine flächendeckende Infrastruktur bereitstellen konnten. Diese Genossenschaften legten den Grundstein für die Entwicklung der Bürgerenergiebewegung. Ein wichtiger Meilenstein in dieser Entwicklung war insbesondere die Anti-Atom-Bewegung der 1970er Jahre. Sie bewirkte, dass sich immer mehr Menschen über Alternativen zur Atomenergie informierten. Kleine Wind- oder Solaranlagen für den privaten Gebrauch gewannen an Bedeutung. Nahezu alle Energiegemeinschaften eint zudem der Wunsch nach Unabhängigkeit und Energieautarkie. Für die Energiewende „von unten“ spielte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine entscheidende Rolle und schuf einen Rahmen für den Anlagenbau in Bürger:innenhand.

Neben der Versorgung mit sauberer Energie spielt die demokratische Mitbestimmung eine wichtige Rolle. Über die Entwicklung und Umsetzung von Energieprojekten entscheiden Energiegemeinschaften gemeinsam und gleichberechtigt. Dies fördert die lokale Verbundenheit. Energiegenossenschaften stehen für eine Form der Energieversorgung, die auf Gemeinschaftssinn, Umweltbewusstsein und Partizipation beruht.

Partnerschaften mit naturstrom in der Praxis: Windpark Scheßlitz-Königsfeld

– Inbetriebnahme der ersten Anlagen: 2011
– 10 Windräder, ca. 48 Millionen kWh jährlich
– Gemeinsame Betreibergesellschaft mit lokalen Akteuren
– Beteiligung von zwei Bürgerenergie-Gemeinschaften + Bürgerbeteiligung an 22,75 % der Anlagen
→  52 Kommanditanteile ab 30.000 €
→ 187 Nachrangdarlehen ab 1.000 €
→ Funding über „Klimaschwarm“ ab 500 €
–  regionalstrom-Tarif
– Spielplatzgeräte/Fußballtor wurden aus Erlösen des Windparks finanziert

Akzeptanz durch Mitbestimmung

Für das Gelingen der Energiewende ist es von zentraler Bedeutung, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien von den Menschen vor Ort mitgetragen wird. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Wind- und Solaranlangen ist die Beteiligung der Anwohner:innen an den Anlagen ein entscheidendes Mittel, um die Akzeptanz für die Projekte zu erhöhen und die damit verbundenen Ziele für den Klimaschutz zu beschleunigen. Beteiligung darf aber nicht nur ein soziales Schlagwort sein. Es kommt auch darauf an, wie das Projekt umgesetzt wird – nämlich fair, offen und inklusiv.

Spätestens hier kommen Bürgerenergie-Gemeinschaften ins Spiel. Sie werden von den Menschen vor Ort gegründet: Freund:innen, Nachbar:innen und Kolleg:innen schließen sich zusammen und sind schon allein deshalb hervorragende Kommunikatoren für lokale Projekte. Durch Informationsveranstaltungen und gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse tragen Bürgerenergie-Gemeinschaften dazu bei, das Verständnis für nachhaltige Energie zu fördern. Weil die Mitglieder direkt aus der näheren Umgebung kommen, ist es einfacher, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das führt zu mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung und schafft die Möglichkeit, wirtschaftlich von den Projekten zu profitieren. Wer interessiert ist, kann sich direkt an den Anlagen beteiligen ­- sowohl ideell als auch finanziell.

Identifikation durch regionale Wertschöpfungseffekte

Der Beitrag der Bürgerbeteiligung zur Förderung der Energiewende und zur Stärkung demokratischer Werte ist vielfältig. Auch wenn Projekte ohne die direkte Beteiligung einer Bürgerenergie-Gemeinschaft umgesetzt werden, sollten sie so bürgernah wie möglich gestaltet werden, um eine Beteiligung zu ermöglichen. Durch Eigenkapitalbeteiligungen in Form von Kommanditanteilen oder Nachrangdarlehen können sich Bürgerenergie-Gemeinschaften, aber auch einzelne Privatpersonen finanziell an Erzeugungsanlagen beteiligen. Zudem können je nach Konstellation des Projektes beispielsweise die erwirtschafteten Nutzungsentgelte aus den Anlagen für gemeinnützige Zwecke vor Ort genutzt werden. Die Einbindung der im Projekt anfallenden Gewerbesteuern bietet außerdem finanzielle Vorteile für die Standortkommune. Ein vergünstigter Strompreis für Anwohner:innen in direkter Umgebung der Anlagen macht die Vorteile des gemeinsamen Projekts für die Bürger:innen vor Ort praktisch nachvollziehbar und erleichtert es, sich mit den Anlagen vor der Tür zu identifizieren. Bleibt die Wertschöpfung in der Region, steigert das die Akzeptanz der Anlagen. Wichtig ist dabei, dass die Anwohnerinnen und Anwohner transparent über die Wertschöpfungseffekte informiert werden.

Partnerschaften mit naturstrom in der Praxis: Solarpark Uttenreuth

– Inbetriebnahme des ersten Anlagenabschnitts: 2014
– Nennleistung: ca. 7,3 MWp
– Kooperation mit drei Bürgerenergie-Gemeinschaften
– Beteiligung von rund 500 Bürger:innen über Mitgliedschaft in Bürgerenergie-Gemeinschaften
– Stromvertrieb über gemeinsames Stromprodukt bavariastrom

Die Kraft der Gemeinschaft

Partnerschaften spielen eine große Rolle bei Umsetzung von Erneuerbare-Energie-Projekten. Dabei können sich verschiedene Gruppen wie Bürgerenergie-Gemeinschaften, Gemeinden und umweltbewusste Energieanbieter gegenseitig unterstützen. Jede Gruppe bringt ihre Expertise ein: Die Energiegemeinschaften kennen die regionalen Gegebenheiten, die Bürger:innen vor Ort und können die finanziellen Mittel der Genossenschaft und ihrer Mitglieder in Erneuerbare Energien investieren. Die Kommunen bieten potenzielle Flächen an und kommen so ihren klimapolitischen Zielen näher. Ein nachhaltiger Ökoenergieanbieter hingegen verfügt über gebündelte Fachkompetenzen und finanzielle Kraft. Zusammenarbeit ist also der Schlüssel, um erneuerbare Energien demokratisch und erfolgreich umzusetzen. Durch solche Partnerschaften können Bürgerenergie-Gemeinschaften so an Stärke gewinnen, ohne sich zu überfordern.

Zusammen mit Bürgerenergie-Akteuren und den vor Ort ansässigen Kommunen hat naturstrom bereits zahlreiche Bürgerwind- und Bürgersolarparks realisiert. Trotz der sehr individuellen Ausgestaltung dieser Projekte eint sie die gemeinschaftliche Umsetzung durch lokale Akteure und den Betrieb einer gemeinsamen Projekt- und/oder Betreibergesellschaft.

Mehr Demokratie durch Bürgerenergie

Die Energiewende in Deutschland, als eines der größten gesellschaftlichen Themen unserer Zeit, gelingt nicht losgelöst von der Bevölkerung. Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es die breite gesellschaftliche Unterstützung sowie eine zunehmende Beteiligung der Öffentlichkeit. Bürgerenergie-Gemeinschaften tragen dazu bei, demokratische Werte zu festigen, indem sie Bürgerinnen und Bürgern die aktive Teilnahme an der Gestaltung ihrer ermöglichen und lokale Lösungsansätze für globale Herausforderungen entwickeln.

Melanie Kühl und Nina Lang

engagieren sich bei naturstrom im Team „Bürgerenergie & projektbegleitende Kommunikation“ für den Ausbau der dezentralen, bürgernahen Energiewende.

naturstrom Team
onlinemarketing@naturstrom.de

Unter diesem Profil schreiben NATURSTROM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, die nicht zu den regelmäßigen Blog-Autoren gehören.

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