Der bisherige Erfolg der Energiewende ist vor allen engagierten Bürgerinnen und Bürger zuzuschreiben: rund die Hälfte der installierten Leistung Erneuerbarer Energien befindet sich in Bürgerhand. Doch die Bürger-Energiewende ist in Gefahr: mit Inkrafttreten der Novellierung zum Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) haben sich bereits im vergangenen Jahr die Bedingungen für Bürger-Energiegesellschaften verschlechtert. Aktuell plant das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine weitere Änderung des EEG, die fatale Folgen für die Energiewende in Bürgerhand haben könnte.
Vorgesehen ist, bereits 2017 die Förderung Erneuerbarer Energien nahezu vollständig auf Ausschreibungsverfahren umzustellen – eine Praxis, die insbesondere kleine Akteure stark benachteiligt, da sie mit großen finanziellen Risiken einhergeht. Diese werden Bürger-Energiegesellschaften, auch im Sinne ihrer Mitglieder, nur in den seltensten Fällen eingehen und daher auf eine Teilnahme an den Ausschreibungen verzichten. All dies wird eine massive Ausbremsung der bis dato so erfolgreichen Bürger-Energiewende zur Folge haben.
Bereits die EEG-Novelle 2014 hatte folgenschwere Auswirkungen auf die Bürgerenergie: Seit Inkrafttreten der Gesetzesänderungen im Sommer 2014 ist die Zahl der Neugründungen von Bürger-Energiegesellschaften stark eingebrochen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 29 Energie-Genossenschaften neu gegründet – ein Jahr zuvor waren es noch mehr als 100. Doch auch andere kleinere Marktteilnehmer im Segment der Erneuerbaren Energien, wie Stadt- und Gemeindewerke oder unabhängige Ökostromanbieter, sind von den Plänen der Bundesregierung betroffen. Dabei sind es gerade lokale Erneuerbare-Energie-Projekte mit Bürgerbeteiligung, die sich durch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und eine positive Wirkung auf die Wirtschaft in der Region auszeichnen.
Wie sehen die Pläne des BMWi konkret aus?
Ab 2017 soll die Vergütung für den in Öko-Kraftwerken produzierten Strom, die bislang im EEG festgeschrieben wird, in Ausschreibungsverfahren ermittelt werden. In den Ausschreibungsrunden treten alle, die Öko-Kraftwerke errichten möchten, gegeneinander an: Energiekonzerne, internationale Investoren, Stadtwerke, Ökostromanbieter und Genossenschaften. Das Problem: Nur diejenigen, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilnehmen und einen Zuschlag erhalten, haben zukünftig einen Anspruch auf Förderung nach dem EEG. Und über den Zuschlag entscheidet allein die Vergütungshöhe je Kilowattstunde, zu der ein Bieter sein Öko-Kraftwerk wirtschaftlich zu betreiben können glaubt. Wer wenig fordert, wird gefördert – so könnte das Motto des BMWi lauten.
Was bereits seit Anfang des Jahres für den Bereich der Photovoltaik-Freiflächenanlagen getestet wird, soll ab 2017 auch bei anderen Arten der regenerativen Energieerzeugung wie zum Beispiel der Windenergie eingeführt werden. Von den Änderungen erhofft sich das Ministerium eine effektivere Steuerung des Ausbaus Erneuerbarer Energien sowie mehr Wettbewerb und den Erhalt der Akteursvielfalt – eine Rechnung, die nach Ansicht von NATURSTROM nicht aufgehen wird.
Problematisch erscheinen bereits die den Ausschreibungen zugrundeliegenden Grundnahmen: Denn das Argument, mit Ausschreibungen ließen sich die Kosten der Energiewende senken, zielt ausschließlich auf die reinen Kosten der Stromproduktion ab und vernachlässigen die umfassenderen Systemkosten. Die Kosten des Stromtransports, des zeitlichen Ausgleichs von Ökostromangebot und -nachfrage und auch die gesellschaftlichen Kosten durch unnötige Belastungen der Natur und fehlende Akzeptanz bei den Bürgern müssen mitberücksichtigt werden. So bleiben gerade die nachhaltigen und ökonomischen Vorteile von lokalen Energieversorgungslösungen außen vor.
Welche Auswirkungen haben die Pläne auf die (Bürger-)Energiewende?
Mit der geplanten Umstellung auf Ausschreibungen werden gerade diejenigen Akteure, die sich bislang als Treiber der Energiewende hervorgetan haben, benachteiligt und ausgebremst. Betroffen sind vor allem Bürgerenergie-Projekte, aber auch kleinere Stadt- und Gemeindewerke und unabhängige Stromanbieter. Denn größere Akteure, wie z.B. große Energiekonzerne, verfügen über einen besseren Zugang zu Kapital und anderen Möglichkeiten der Risikostreuung und können dadurch die durch Ausschreibungen entstehenden Herausforderungen besser meistern.
Statt die Akteursvielfalt zu erhalten, drohen die geplanten Maßnahmen die Vielfalt der Akteure und die Beteiligung von Bürgern an der Energiewende einzudämmen. Dadurch ist ein Verfehlen der Ausbauziele für Erneuerbare Energien zu befürchten – mit fatalen Folgen für Klima und Umwelt und die zeitnahe Umsetzung einer sauberen, sicheren und dezentralen Energieversorgung.
NATURSTROM fordert Ausnahmen für kleine Energiewende-Akteure
NATURSTROM hat in einer Erklärung zu den Plänen des BMWi Stellung bezogen und auf die Gefahren, die mit der Einführung solcher Ausschreibungsverfahren einhergehen, aufmerksam gemacht. In ihrer Stellungnahme plädiert die NATURSTROM AG für ein Nebeneinander von Ausschreibungsverfahren für Großprojekte und einem Vergütungssystem für kleinere und regionale Energieprojekte. Gerade letztere zeichnen sich durch angemessene Projektgrößen, eine sinnvolle Nutzung vorhandener Infrastruktur und durch eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung aus.
Kleine Akteure und Projektgrößen von bis zu 10 MW installierter Leistung sollten aus Sicht von NATURSTROM grundsätzlich von der Ausschreibungspflicht befreit werden, damit die Akteursvielfalt bei der Umsetzung der Energiewende auch weiterhin gewahrt bleibt. Der von vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern so erfolgreich begonnene Weg hin zu einer nachhaltigen und sauberen Energieversorgung sollte auch weiterhin fortgesetzt werden können.
Die vollständige Stellungnahme der NATURSTROM AG zum Thema Ausschreibungen finden Sie hier.
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arbeitete bis Februar 2019 in der Pressestelle von NATURSTROM. Ihre Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit wurde während ihrer Zeit als Mitarbeiterin einer Fairhandels-Organisation geweckt und begleitet sie bis heute auch ehrenamtlich. E-Mail