Abregelung von Erneuerbaren Energien – kontraproduktiv und doch manchmal richtig

Um die Klimakrise einzudämmen, müssen wir möglichst schnell und möglichst umfassend unsere CO2-Emissionen verringern. Das bedeutet im Umkehrschluss, es braucht so viel Erneuerbare Energien wie es irgend geht – und dennoch passiert es immer häufiger, dass die Ökostromproduktion abgeregelt wird. Warum das so ist, wie man dem entgegenwirken kann und weshalb diese Abregelungen trotz der Wichtigkeit jeder einzelnen Kilowattstunde Ökostrom manchmal sogar sinnvoll sind, erklären wir in diesem Beitrag.

Eines der Grundprinzipien des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), und damit einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Ausbau von Ökostromkapazitäten, ist der Einspeisevorrang für Strom aus Wind- und Solaranlagen, Wasserkraftwerken, Biomasse oder Geothermie. Das bedeutet, dass der mit diesen sauberen Technologien erzeugte Strom verpflichtend abgenommen werden muss und damit zuerst ins Netz eingespeist werden darf, andere Energieträger bzw. Kraftwerke müssen sich hinten anstellen. Und das ist auch richtig so, denn der erzeugte Ökostrom verdrängt dank dieser Vorfahrtsregelung Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken aus dem Netz und verringert damit direkt die deutsche Emissionsbilanz. Mehr Ökostrom heißt darüber hinaus auch mehr Potenziale für die Dekarbonisierung von Wärme und Verkehr, etwa mittels Power-to-heat, Wärmepumpen und Elektroautos. Noch decken Erneuerbare allerdings gerade einmal rund die Hälfte unseres Strombedarfs, von den kommenden zusätzlichen Bedarfen im Wärme- und Verkehrssektor ganz zu schweigen. Daher ist jede Kilowattstunde Ökostrom eigentlich sehr wertvoll und sollte unbedingt genutzt werden – und dennoch kommt es immer häufiger zu Abregelungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen, die nicht nur dem Prinzip der vorrangigen Einspeisung widersprechen, sondern die durch den Verlust des theoretisch produzierbaren Ökostroms auch zu höheren Emissionen führen. Warum passiert das?

Abregelungen durch Einspeisemanagement

Grund für Abregelungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen ist bisher meist das ebenfalls im EEG geregelte Einspeisemanagement, abgekürzt Eisman oder Einsman. Diese Regelung ermöglicht Netzbetreibern, größere Erneuerbaren-Anlagen (Leistung > 100 kW) bei einer drohenden Überlastung der Stromnetze abzuschalten. Aufgrund des Erneuerbaren-Vorrangs soll dies eigentlich nur als allerletztes Mittel passieren, also wenn durch Umleitung des Stroms oder Anpassungen anderer Stromverbraucher oder Kraftwerke die Überlastung nicht behoben werden kann. Die Betreiber der Anlagen müssen dabei allerdings für diese Energie- und damit Einnahmenverluste entschädigt werden, was über die Netzentgelte passiert. Eine genauere Besprechung dieses Einsman-Mechanismus findet ihr im Blog von Next Kraftwerke.

Obwohl diese Erneuerbaren-Abregelung also nur letztes Mittel sein soll, ist die dabei verlorengegangene Ökostrommenge in den letzten Jahren tendenziell immer weiter gewachsen. 2020 waren es immerhin rund sechs Milliarden Kilowattstunden Ökostrom, die so verloren gingen – und damit etwa ein Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland. Vor allem Windenergieanlagen wurden häufig gedrosselt oder ganz aus dem Wind gedreht. Das liegt zum einen daran, dass die Windenergie höhere energetische Potenziale in Deutschland hat und Windparks in der Regel eben mehr Strom in kürzeren Zeiträumen erzeugen als Solarparks. Die vorrangige Betroffenheit der Windenergie liegt aber auch an der geographischen Verteilung:  die Anlagen werden bisher vor allem im Norden aufgebaut, während große Stromverbraucher eher im Süden und Westen angesiedelt sind. Das kann zu einem hohen Bedarf nach Transportmöglichkeiten und so auch teilweise zu Netzüberlastungen führen. Eigentlich müsste daher auch gerade in den Regionen mit hohem Verbrauch mehr Windenergieanlagen gebaut werden, Beschränkungen wie die 10H-Regelung in Bayern oder die kürzlich verabschiedeten strengen Abstandsregeln in NRW sind damit auch aus Netzsteuerungssicht sehr kontraproduktiv.

Mehr Netze und ein flexibleres Stromsystem als Lösung

Überlastungen der Netzbetriebsmittel als Auslöser für die Abregelung können natürlich durch mehr verfügbare Kapazitäten, also den Ausbau der Stromnetze, behoben werden. Das wird auch bereits angegangen, allerdings hinkt die Realisierung des Netzausbaus weit den Planungen hinterher und schränkt so die Erneuerbaren-Einspeisung gerade in Regionen mit viel Wind weiterhin ein. Zudem ist es sicher auch gar nicht sinnvoll, die Netze so weit auszubauen, dass jede allerletzte Kilowattstunde in jedem Jahr aufgenommen werden kann. So würden nämlich auch viele Leitungen gebaut, die kaum genutzt werden würden und eine übertriebene ökonomische Belastung darstellen würden –  zumal in vielen Regionen der Stromnetzausbau ja auch kritisch begleitet wird und keineswegs immer nur als Modernisierung der Infrastruktur gesehen wird. Eine Abregelung von maximal drei Prozent des Erneuerbaren-Stroms wird von vielen Expert:innen als verkraftbar und ökonomisch sinnvoll angesehen.

Neben dem Netzausbau wird es entscheidend darauf ankommen, die Erneuerbaren künftig stärker in den Mittelpunkt unseres Versorgungssystems zu stellen. Sowohl die steuerbaren Erzeuger als auch die Verbrauchsseite müssen sich zunehmend an dem Aufkommen von fluktuierendem, also wetterabhängigem Strom aus Wind und Sonne orientieren. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich zwar auch die Erzeugung dieser Stromeinspeiser regelbar machen, wie es NATURSTROM etwa bei unserem aktuellen Solarpark-Speicher-Projekt zeigt. Mehr Potenzial liegt aber darin, alle anderen Systemkomponenten auf die Ökostromeinspeisung bzw. den Netzzustand auszurichten, um sowohl die Wetterbedingungen wie auch die Netzinfrastrukturen möglichst gut zu nutzen. Dazu gehören beispielweise mehr Freiräume für Sektorenkopplungsprojekte vor Ort, um dort direkt schon Erzeugung und Verbrauch möglichst weit auszuregeln. Dazu gehört aber auch, dass die speicher- und regelbare Bioenergie noch stärker als Ausgleich für Wind und Sonne fungiert, indem BHKW bei den Anlagen größer dimensioniert werden und so flexibler auf den Status des Versorgungssystems reagieren können.

Große Potenziale hat auch die Flexibilisierung des Verbrauchs, beispielsweise indem Industrieprozesse flexibilisiert werden und keine konstante Eingangsleistung mehr benötigen, sondern auf die Netz- und Einspeisesituation reagieren können. Und vor allem müssen sich natürlich die aktuell noch verbleibenden konventionellen Kraftwerke bzw. künftige klimaneutrale Reservekraftwerke nach dem Systemzustand richten, um das natürliche Dargebot an Wind und Sonne möglichst weitgehend nutzen zu können. Das Problem: bisherige Großkraftwerke sind oft nicht für eine flexible Fahrweise gebaut, sie brauchen relativ lange für Leistungsänderungen oder gar ein komplettes Abschalten bzw. Hochfahren. Damit kann es zu Situationen kommen, wo konventioneller Strom die Leitungen praktisch verstopft und bei zu großen Netzbelastungen dann zunächst Erneuerbare abgeschaltet werden müssen. Bereits 2016 hat eine Studie von Energy Brainpool ergeben, dass in vielen Stunden mit Erneuerbaren-Abregelungen nahegelegene Kohlekraftwerke nicht abgeschaltet wurden bzw. nicht mit Minimalleistung liefen – was nicht nur zu Mehremissionen führt, sondern durch die Entschädigungen auch ökonomisch zu Zusatzkosten führt. Auch unflexible Großkraftwerke verursachen damit eigentlich unnötige Erneuerbaren-Abschaltungen – ein Grund mehr für einen schnellen Kohleausstieg.

Redispatch 2.0 – Abregelungen künftig auch regulär mit Erneuerbaren

Die bisher geltende Einsman-Regelung ist wie beschrieben nur ein Noteingriff als letztes Mittel, auch wenn die Nutzung wie ebenfalls dargestellt wohl nicht nur in solchen Fällen zur Anwendung kam. Prinzipiell vorgeschaltet waren diesem Eingriff aber reguläre Redispatch-Eingriffe, die bisher allein konventionelle Kraftwerke betroffen haben: Wenn nach dem Einreichen aller Kraftwerks-Fahrpläne übermäßige Belastungen der Stromnetze ersichtlich wurden, konnten die Netzbetreiber Strommengen neu verteilen – vor dem Netzengpass wurde also ein Kraftwerk heruntergeregelt, damit die Transportmenge auf dem betroffenen Stück weniger wird. Hinter dem Netzengpass wird ein anderes Kraftwerk dafür zum Ausgleich der sonst fehlenden Strommengen mit höherer Auslastung gefahren.

Ab 1. Oktober 2021 gilt eine modernisierte Variante dieses eingespielten Ausgleichsmechanismuss‘, der so genannte Redispatch 2.0. Ab dann werden generell kleinere Stromerzeuger (die Grenze sinkt von 10 MW auf 100 kW) und explizit auch Erneuerbare-Energien-Anlagen regulär mit in diese alltägliche Ausbalancierung des Stromnetzes einbezogen. Dabei wird allerdings ein Faktor berücksichtigt, damit die Öko-Kraftwerke möglichst als letzte von dieser Umsortierung der Einspeisung betroffen sind: Maßnahmen, bei denen Erneuerbare abgeregelt würden, müssen nämlich mindestens um den Faktor 10 günstiger sein als Veränderungen allein zwischen konventionellen Kraftwerken, für KWK-Anlagen gilt der Faktor fünf. Einerseits ist diese Anpassung natürlich sinnvoll, da es solche Netzstabilisierungsmechanismen auch in einer angestrebten Welt mit 100 Prozent Erneuerbare Energien braucht und diese Anlagen nun stärker in das System integriert werden. Die Erneuerbaren-Branche muss und will hier mehr Verantwortung übernehmen, das gilt dann auch für die Belastungssteuerung der Stomnetze. Auf der anderen Seite kann das neue Verfahren natürlich zu mehr Erneuerbaren-Abregelungen führen. Außerdem bedeutet die teilweise erforderlichen technischen Nachrüstungen für diesen verpflichtenden Einbezug beim Redispatch für manche Betreiber:innen von alten Windmühlen einen kaum zu refinanzierenden ökonomischen Mehraufwand.

Versteckte Abregelungen bei Solaranlagen

Erneuerbare werden aber keineswegs nur in Netz-Notsituationen abgeregelt, teilweise ist eine Drosselung von vornherein fest eingebaut – und das betrifft auch ganz schön viele Anlagen bzw. Betreiber:innen, nämlich eigentlich alle kleinen Aufdach-Solaranlagen seit dem Jahr 2012. Das Ganze verbirgt sich hinter dem kryptischen Schlagwort „Wirkleistungsbegrenzung“, die seit dem EEG 2012 gesetzlich festgeschrieben ist. Die Regelung besagt, dass Solaranlagen seitdem entweder ferngesteuert vom Netzbetreiber gedrosselt werden können müssen oder andernfalls eben eine Begrenzung der Einspeiseleistung auf 70 Prozent des maximal Möglichen erfolgen muss – ansonsten würde keine Einspeisevergütung bezahlt. Eine Fernsteuerung erfordert allerdings zusätzliche technische Ausstattung, die für Kleinanlagen kaum erschwinglich ist, die Begrenzung der Wirkleistung ist damit eigentlich ein Standard bei neuen Solaranlagen für Privathaushalte geworden.

Begründung für diese Regelung war auch eine befürchtete Überlastung der Stromnetze, wobei es in dem Fall allerdings nicht wie bei Einsman und Redispatch um die übergeordneten Übertragungs- und Verteilnetze mit hoher Spannung geht, sondern um die lokalen Ortsnetze. Während diese Annahme sicher in einigen Gemeinden auch durchaus begründet ist – gerade in eher ländlich geprägten Regionen mit vielen Solaranlagen, die aber eben wenig Verbrauch und eine eher schwache Netzinfrastruktur aufweisen –, kann die Regelung aufgrund ihrer Pauschalität auch kritisch gesehen werden. Schließlich gibt es beispielweise gerade in Städten noch riesiges Potenzial für mehr Solarstrom, und dort mangelt es auch nicht an ausreichend Netzen oder Verbrauchern – auch wenn Anlagen dort ohnehin oftmals als Mieterstromprojekte umgesetzt werden und dementsprechend größer ausfallen. Zudem muss man sagen, dass durch die Regelung kaum Energiemengen verloren gehen. Erstens sind die maximalen Leistungswerte eher theoretischer Natur und werden in der Praxis nur selten erreicht. (Daher auch die Angabe bspw. in Kilowatt peak, kWp, und nicht wie in Kilowatt wie bei anderen Anlagen.) Der Solaranlagenanbieter DZ4 geht etwa davon aus, dass trotz 30 Prozent weniger erzielbarer Maximalleistung der Erzeugungsverlust nur zwischen null und fünf Prozent liegt, je nach Ausrichtung. Zudem gilt die Begrenzung ja auch nur für die Einspeisung – wenn davor die Einspeisungen aber selbst verbraucht werden, wird auch nichts abgeregelt. Und da die meisten kleineren Solaranlagen seit 2012 ohnehin auf Eigenbedarf ausgerichtet sind bzw. oft sogar mit einem Speicher oder steuerbaren Verbraucher kombiniert werden, sind die Auswirkungen in der Praxis trotz der durchaus kritikwürdigen sehr pauschalen Leistungsbeschränkung nur sehr geringfügig. Auch hier zeigt sich aber erneut: Möglichst viel Flexibilität hilft dem Erzeuger und dem Gesamtsystem.

Abregelungen dürfen sein – wenn das System klar von Erneuerbaren geprägt ist

Jede Abregelung einer Kilowattstunde Ökostrom ist bei unserem jetzigen Systemzustand eigentlich eine zu viel, da wir eben allein in der bisherigen Stromversorgung noch viel zu viel fossile Energie im System haben – von zusätzlich notwendigen Mengen für neue Stromverbraucher im Wärme- und Verkehrsbereich ganz zu schweigen. Insgesamt halten sich die Abregelungen aber hierzulande noch in vertretbaren Grenzen, und auch künftig wird man aus ökonomischen Gründen das System wohl weiterhin so gestalten, dass in einigen wenigen Situationen ein Teil der Ökostromeinspeisung abgeschnitten wird und eben nicht Netze, Speicher oder sonstige Flexibilitätsoptionen so groß dimensionieren, dass jederzeit eben noch Aufnahmekapazitäten bestehen.

Vor allem heißt das aber, dass wir kurzfristig das Ausbautempo für Erneuerbare schnell und deutlich beschleunigen müssen – auch wenn das kurzfristig mit mehr Abregelungen einhergeht, ist der Klima- und auch ökonomische Gewinn größer. Und dann braucht es eben eine konsequente Systemorientierung auf Wind und Sonne – das heißt durchaus einen gewissen Netzausbau, insbesondere aber eine Flexibilisierung der sonstigen Erzeuger und des Verbrauchs. Es braucht also mehr Erneuerbare, mehr flexible Vor-Ort-Lösungen, mehr intelligente Sektorenkopplung, auch mehr Netze – und weniger im Weg stehende Großkraftwerke, die den Anforderungen der Energiewende sowohl aus Emissionsgründen als auch technisch nicht entsprechen. Denn nur mit einem passend zugeschnittenen Gesamtsystem können wir dann auch möglichst viel von dem sauber aus den Naturkräften gewonnen Strom nutzen.

Headerbild: Pixabay / lausitz360

Sven Kirrmann
sven.kirrmann@naturstrom.de

Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.

14 Kommentare
  • Eckbert Schweiger
    Gepostet um 12:31h, 06 April Antworten

    Was für ein Sammelsurium an Unsinn! „Flexibilisierung des Verbrauchs“ bedeutet einfach Wohlstandsverlust durch Abhängigkeit von Wind und Solarstrom. Was fehlt sind vor allem Stromspeicher, aber die sind irre teuer mit heutiger Technologie und sowieso noch in weiter Ferne. Ohne Speichermöglichkeiten wird jedes weitere Windkraftwerk nur noch ineffizienter und für den Verbraucher teurer.
    Vom 19.3.2022 bis 21.3.2022 oder diese Woche am 4.4.2022 hatten wir schon Tage an denen die konventionellen Kraftwerke bereits am unteren Ende ihrer sinnvollen Leistung laufen, aber trotzdem mussten weit über 10 GW exportiert werden und der Import auf NULL runtergefahren werden, um die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Wir sind also schon am technisch und wirtschaftlichen Ende des Ausbaus von Wind- und Solarstrom angekommen, mehr ist nur mit Speichermöglichkeiten sinnvoll.

    • Sven Kirrmann
      Gepostet um 16:02h, 08 April

      Hallo Herr Schweiger,
      ich hätte nicht gedacht, dass es für Sie schon einen Wohlstandsverlust bedeutet, wenn Sie ihren Geschirrspüler mittags statt morgens anstellen – genau das ist nämlich auch schon eine Flexibilisierung des Strombedarfs. Sicher, in großen Industriebetrieben bedarf es teilweise auch größerer Investitionen, um die Produktion auf eine flexiblere Leistungsabnahme umzustellen. Allerdings stehen bspw. in der Aluminiumproduktion ohnehin größere Modernisierungen des Anlagenparks an, diese kann man gleich in eine energiewendekompatible Richtung ausgestalten.
      Übrigens sind auch die von Ihnen geforderten Speicher, zu deren Notwendigkeit ich Ihnen vollkommen zustimme, nichts anderes als eine Flexibilisierungsoption im Stromsystem – und diese werden auch längst gebaut und sind keineswegs in weiter Ferne. Viele Haushalte verfügen schon über Solarspeicher im Keller, auch Großspeicher wie etwa der in unserem Solarpark Henschleben werden immer häufiger und im Endeffekt ist auch jedes der immer häufiger verkauften Elektroauto ein Stromspeicher und kann perspektivisch für die Balancierung des Stromsystems genutzt werden.
      Und Situationen wie die von Ihnen beschriebene, also mit möglichst wenig konventioneller Energie und viel Ökostrom-Einspeisung, ist genau das, wo wir aus Klimaschutzgründen hin müssen. Leider sind diese aber noch viel zu selten, weshalb es noch viel mehr Erneuerbare braucht – und parallel eine dazu passende Ausgestaltung des Energiesystems mit mehr Flexibilitäten, etwa Speichern. Stromim- und -exporte sind dabei eine weitere Ausgleichsoption und vollkommen normal im europäischen Verbund – im Übrigen freut sich Frankreich aktuell sehr über die Überschüsse aus Deutschland, da deren Kernkraftwerksflotte zu einem guten Teil still steht und das Land daher mit hohen Strompreisen und Elektrizitätsknappheiten zu kämpfen hat.
      Ganz generell war es zudem schon immer so, dass die Energieabnahme auf die Notwendigkeiten der Erzeugung hin optimiert wurde. So wurden etwa in den 1970er und 80er Jahren massenhaft Nachtspeicherheizungen verbaut, um nachts eine Abnahme der nicht herunterregelbaren Atomkraftwerke zu sichern. Und die Gestaltung der Netzentgelte reizt bis heute eine möglichst gleichmäßige Abnahme von Leistung an, um der Fahrweise konventioneller Großkraftwerke entgegenzukommen. Da nun aber Wind und Sonne als klimafreundlichste und günstigste Energiequellen ins Zentrum rücken, müssen wir eben auch das Versorgungssystem deren Charakteristika entsprechend anpassen.
      Viele Grüße
      Sven Kirrmann

  • Gerhard Zell
    Gepostet um 13:44h, 21 Juni Antworten

    Hallo

    Gerade eben zur zeit sehen wir was den Wirklich teure Energie ist….Gas und Oel das wir bei uns im Land nicht selber haben….
    die jetzige Krise wäre mir Sicherheit leichter zu Überstehen wenn wir beim Ausbau der EEG schon viel weiter wären….. jetzt zeigen sich die Fehler der letzten 16 Jahre schwarze Energiepolitik.
    Flexibilisierung ist eine gute Sache aber leider besitzen die energieversorgen nicht wirklich eine IT Kompetenz wie kann es sein das Sonntag Nachmittag EEG Anlagen abgeregelt werden aber Die Boiler immer noch nachts Laden?
    woran soll der Durchschnittsbürger erkennen wenn er Die Waschmaschine laufen lassen soll?
    der Blick aus dem Fenster mag tagsüber noch funktionieren aber nachts ?
    was wird jetzt brauchen ist ein zügiger Ausbau der EEG und parallel eine kleine IT offensive um disesn strom auch sinnvoll zu verwenden…ich könnte mir vorstellen das Flexible Preise hier helfen könnten.

    Gruss

  • Matthias Pott
    Gepostet um 16:54h, 04 August Antworten

    Könnte man eigentlich überschüssigen Strom nicht auch kurzfristig irgendwie ökologisch nutzen, ohne lange auf den Bau von Energiespeichern zu warten, die man natürlich auch benötigt. Nicht ganz ernst gemeint, sag ich mal z.B. Brandenburg bewässern.

    • Sven Kirrmann
      Gepostet um 09:42h, 08 August

      Hallo,
      zusätzliche Verbräuche statt Abregelung (bzw. generell eine Verbrauchsflexibilisierung im Zusammenhang mit mehr Erneuerbaren) sind definitiv eine gute Idee, das wurde auch schon teilweise angegangen: So konnte etwa in Norddeutschland, wo es besonders viele Abregelungen gab, in solchen Netzüberlastungszeiten Windstrom für Power-to-Heat, also die Wärmeerzeugung per Strom in Wärmenetzen, genutzt werden. Die sonst dafür verantwortlichen BHKW wurden in dieser Zeit gestoppt, so wurde gleichzeitig die Windenergie sinnvoll genutzt und die Erzeugung von Fossilstrom runtergefahren, also eine doppelte Verbesserung. Diese Regelung war aber eben zeitlich und regional begrenzt, es muss jetzt also darum gehen, wie man das gesamte System so ausgestaltet, dass der anfallende Ökostrom jederzeit bestmöglich genutzt werden kann.
      Viele Grüße
      Sven Kirrmann

  • hanjo nilsson
    Gepostet um 17:19h, 09 September Antworten

    „2020 waren es immerhin rund sechs Millionen Kilowattstunden Ökostrom,“

    6 milliarden waren es wohl, und warum benutzt man in D nicht MWh GWh und TWh

    • Sven Kirrmann
      Gepostet um 09:12h, 13 September

      Hallo,
      danke für den Hinweis, das ist natürlich richtig – die Abregelung betrug 2020 also sechs Milliarden statt wie zunächst fälschlicherweise angegeben sechs Millionen Kilowattstunden – und wurde direkt im Text korrigiert.
      Die Einheitenverwendung kann ich natürlich nur für uns und nicht für Deutschland insgesamt erläutern, hat zumindest aber hier für unseren Blog eine klare Grundlage. Da sich die Artikel an eine möglichst breite Leserschaft richten und nicht nur Expert:innen adressieren sollen, nutzen wir bewusst Kilowattstunden, die jeder aus dem Hausgebrauch kennt, als Grundeinheit, und weisen dann eben die jeweiligen Mengen in den entsprechenden Größenordnungen aus. Natürlich sollten dann aber auch die Zahlen stimmen, für die zunächst fehlerhafte Angabe kann ich mich also nur entschuldigen.
      Noch einmal danke für den Hinweis und viele Grüße
      Sven von naturstrom

  • Frank Nigge
    Gepostet um 11:30h, 27 September Antworten

    Hallo Herr Kirrmann, könnten Sie kurz erläutern, ob, und wenn ja wie, die Abregelungen mit der Strombörse zu tun haben, wie z.B. in „https://www.windkraft-journal.de/2022/09/22/ein-kommentar-von-wolfgang-kiene-geschaeftsfuehrer-maka-windkraft-zur-windkraft-und-strompreisen/179710“ gesagt wird?

    • Tim Loppe
      Gepostet um 10:55h, 05 Oktober

      Hallo Herr Nigge, der Kollege Kirrmann ist im Urlaub, deswegen antworte ich Ihnen hier. Kurz gesagt: Mir ist kein Fall einer solchen künstlichen und spekulationsbasierten Angebotsverknappung bekannt, wie sie im von Ihnen verlinkten Kommentar beschrieben wird. Angesichts der aktuell enorm hohen Preise, die für die Stromproduktion erzielt werden können, würde es auch keinen Sinn ergeben, die Anlagen nicht laufen zu lassen. Lediglich wenn die Börsenstrompreise ins Negative drehen, die Anlagenbetreiber und/oder (je nach Vertragsgestaltung) ihre Direktvermarktungsdienstleister also draufzahlen müssen, um ihre Stromerzeugung loszuwerden, werden Anlagen aus marktlichen Gründen zuweilen gedrosselt oder abgeregelt. Diese Art Angebotsverknappung ist dann aber durchaus gerechtfertigt, schließlich ist zu diesen Zeiten ja so viel Stromerzeugung verfügbar, dass sie die Nachfrage übersteigt.

  • Satoshi Nakamoto
    Gepostet um 10:00h, 12 Dezember Antworten

    Hallo Herr Kirrmann,

    aktuell wird die Abregelung der Erneuerbaren und dessen Subvention (6,2 – 8,6 Cent pro kwh) über das EEG geregelt. Dies wurde bis Juli 2022 über die EEG-Umlage vom Verbraucher finanziert. Seit Juli 2022 wurde die EEG Umlage auf 0 Euro reduziert, aufgrund der extrem steigenden Energiepreise. Nun wird dies durch das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ (EKF) finanziert, also durch den Staat.

    2021 ging über diese Abregelung ~5.9 Mrd kwh an Strom verloren. Bei einer Ausfallvergütung von 6,2 – 8,6 Cent pro kwh, wie sie seit Juli 2022 ausgezahlt wird, sind das ~365 – 507 Mio Euro Kosten für den Verbraucher bzw Staat.

    Würde man diesen Strom für das Bitcoin-Mining verwenden, ergäben sich nach aktuellem Stand mit der neuesten Mining-Hardware Einnahmen in Höhe von ~767 Mio Euro. Dies würde nicht nur die Subventionierung, die aktuell vom Staat getragen wird, decken, es würden sogar noch ~267 – 400 Mio Euro an Gewinn übrig bleiben. Ein Teil davon müsste natürlich für die Kredittilgung für die anfängliche Hardware-Investition sowie für dessen Wartung genutzt werden, dennoch würde ein beachtlicher Gewinn übrig bleiben und der Staat würde sich eine knappe halbe Milliarde Euro sparen. Die Mining-Hardware kann einfach direkt neben die Erneuerbare Energien in Container platziert werden. Hinzu kommt, dass Bitcoin Mining sehr viel Wärme erzeugt, die auch wieder sinnvoll genutzt werden kann.

    Bitcoin Mining ist eine direkte Subvention für Erneuerbare Energien, da es das Ausfallproblem löst. Wieso wird darüber nicht diskutiert?

    • Sven Kirrmann
      Gepostet um 12:16h, 12 Dezember

      Hallo Herr Nakamoto,
      dass abgeregelter Ökostrom auf ein Minimum begrenzt bleiben sollte und man für entsprechende Fälle möglichst alternative Nutzungen kreieren sollte, da sind wir uns einig – auch wenn ich versucht habe, darzustellen, dass eben Abregelungen zu sehr kleinen Anteilen durchaus sinnvoll sein können, um die Stromnetze bzw. auch Alternativnutzungskonzepte nicht überzudimensionieren.
      Bei den konkreten Nutzungsmöglichkeiten sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, wobei ich dabei eher an energiewendedienliche und -immanente Anwendungsfälle wie Wasserstofferzeugung oder power-to-heat denke. Sicher wäre aber auch der Betrieb von Rechenzentren oder konkret die Erzeugung von Bitcoin denkbar, wobei ich letzterem eher skeptisch gegenüber stehe und insbesondere nicht denke, dass der Staat sich als Miner betätigen sollte. Aber privatwirtschaftlich wäre das ja schon jederzeit umsetzbar – wenn es sich denn lohnen würde. Sie müssen dabei bedenken, dass es die konkreten Abregelungen bei den meisten Anlagen ja nur zu sehr wenigen Zeiten im Jahr passiert. Lohnt es sich, allein für diese paar Stunden ein Rechenzentrum neben die Anlage zu stellen und das eben nur dann, wenn es ansonsten abgeregelten Strom günstig nutzen kann, laufen zu lassen? Dazu kommt, dass die abgeregelten EE-Anlagen ja oft in ländlichen Regionen stehen, daher gar nicht immer Abnehmer für mögliche Abwärme zur Verfügung stehen. Grundlegend soll die Abwärme von Rechenzentren, die ja ansonsten eher nahe urbaner Räume aufgebaut werden, aber laut dem in Vorbereitung befindlichen Energieeffizienzgesetz künftig tatsächlich viel stärker auch für die Beheizung von Quartieren genutzt werden.
      ich glaube insgesamt also eher nicht, dass das ein erfolgversprechender Weg wäre, aber lasse mich gerne von entsprechenden konkreten Projekten überzeugen.
      Viele Grüße
      Sven Kirrmann

  • Satoshi Nakamoto
    Gepostet um 15:04h, 12 Dezember Antworten

    Hallo Herr Kirrmann,

    dieser Kommentar-Bereich ist nicht geeignet um dies ausführlich zu diskutieren, da es ein sehr komplexes Thema ist.
    Ich empfehle ihnen sich diesbezüglich über das ERCOT Stromnetz in Texas zu informieren. Texas hat den höchsten Anteil an Erneuerbaren Energien in den USA und haben ihr eigenes Stromnetz ERCOT. Sie haben dementsprechend auch mit den typischen EE-Problemen zu kämpfen und brauchen schnellen „Demand Response“. Sie setzen bereits Bitcoin-Mining als Demand-Response-Instrument ein und das mit Erfolg. Bitcoin-Miner können sich offiziell für das Demand-Response-Program von ERCOT bewerben.

    Ich würde empfehlen mal mit diesen Ressourcen zu starten:

    https://news.bitcoin.com/applied-direct-response-ercot-study-shows-bitcoin-mining-is-beneficial-to-the-texas-grid/

    https://podcasts.apple.com/us/podcast/22-shaun-connell-bitcoin-mining-is-the-holy-grail-for/id1578199828?i=1000568848996

    Viele Grüße

    • Sven Kirrmann
      Gepostet um 15:16h, 12 Dezember

      Hallo Herr Nakamoto,
      ja, diese Debatte kann man sicher an anderer Stelle besser fortsetzen. Alle Interessierten können sich über die von Ihnen genannten Links gerne weitere Einblicke verschaffen. Definitiv brauchen wir mehr flexiblen Verbrauch, also Demand Response. Bitcoin-Mining ist da wie gesagt sicher theoretisch denkbar, ich sehe andere Anwendungen in Deutschland dennoch vordringlicher und kann auch sagen, dass wir als naturstrom aufgrund des mit Bitcoin einhergehenden Ressourcenbedarfs sicher nicht in dieses Geschäftsmodell einsteigen werden. Zudem will ich kurz darauf hinweisen, dass das texanische Stromnetz auch ein etwas besonderes Beispiel ist, da es dort nicht nur sehr hohe Erneuerbaren-Anteile, sondern auch nur sehr wenig Austauschmöglichkeiten mit den umliegenden Regionen – daher gibt es dort einen sehr hohen und regional konzentrierten Flexibilitätsbedarf. Das ist hierzulande mit dem europaweit vermaschten Stromnetz etwas anders.
      Viele Grüße
      Sven Kirrmann

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