Lisa Badum vor dem Bundestag

„Die Energiewende muss tagtäglich vor Ort ausgehandelt werden“

Unsere Kollegin Lisa Badum zieht in den Bundestag ein. Eben noch angestellt, nun abgeordnet – und dazwischen liegt nur ein Wahlsonntag. Was bedeutet es eigentlich, von einem Tag auf den anderen Parlamentarierin zu sein? Und was nimmt sie aus fünf Jahren bei NATURSTROM mit? Bevor sie ihren Schreibtisch geräumt und die Umzugskartons gepackt hat, schnell noch ein Interview.

Lisa, wie hast du den Wahlabend verfolgt?

Den Wahlabend habe ich zusammen mit dem Wahlkampfteam der Grünen in einem Café in Bamberg verbracht. Bei der ersten Hochrechnung haben wir uns alle riesig gefreut – knapp neun Prozent in Bund und mehr als zehn Prozent in Bayern, das war besser als von vielen befürchtet. Da ich wusste, dass bei meinem Platz auf der bayerischen Landesliste gute zehn Prozent in Bayern knapp für meinen Einzug in den Bundestag reichen würden, war ich dann ganz schön nervös. Als dann um 5:30 Uhr das offizielle Ergebnis durch den Bundeswahlleiter bekannt gegeben wurde, war ich völlig perplex.

Halb sechs, meine Güte. Bist du früh aufgestanden oder hast du durchgemacht?

Durchgemacht. Ich war einfach zu aufgekratzt.

Und dein erster Gedanke, als du gemerkt hast, dass es für dich reichen wird?

Ungläubiges Staunen. Ich hatte zwar diesen Traum. Aber, dass Träume wirklich wahr werden – wie häufig erlebt man das schon im Leben? Das war schon ziemlich einzigartig. Die Gefühle kann ich jetzt noch gar nicht in Worte fassen.

Deinen Listenplatz hattest du schon angesprochen: Platz elf war ja alles andere als ein Freifahrtschein. Wie groß waren deine Hoffnungen auf ein Bundestagsmandat zu Beginn des Wahlkampfs?

Große Hoffnungen hatte ich anfangs nicht, denn die Grünen lagen zum Beginn des Wahlkampfs in den Umfragen bei sechs oder sieben Prozent. Für mich war zunächst einmal zweierlei wichtig: dass ich mich gegenüber meiner ersten Kandidatur 2009 bei den Listenplätzen verbessern konnte und dass wir einen guten, inhaltlich getriebenen Wahlkampf führen. Das hat dank des tollen Wahlkampfteams dann auch richtig gut geklappt. Wir hatten im Wahlkreis viel Unterstützung durch die Berliner Parteispitze, außerdem haben wir an über 5.000 Türen geklingelt, viele tolle Aktionen veranstaltet – für mich war es einfach der perfekte Wahlkampf.

Jetzt, da es mit dem Bundestagseinzug geklappt hat: Wie gestaltet sich für dich der Übergang ins Leben als Abgeordnete?

Der verläuft ganz schön abrupt! Montagmorgen nach der Wahl hatte ich schon erste Nachrichten von neuen Fraktionskollegen auf der Mailbox, ob ich abends in Berlin sein könnte. Ich bin also nur kurz ins Büro gegangen und nachmittags direkt zu ersten Treffen nach Berlin gefahren. Dienstag gab es dann die erste Fraktionssitzung.

War’s spannend?

Ja, klar. Die Wahl wurde kurz analysiert und auch die Spitzenkandidaten haben ihre Einschätzung abgegeben. Das ist natürlich toll, wenn man bei so etwas das erste Mal hautnah dabei sein kann. Und zwar nicht als Beobachterin von außen, sondern mitten drin.

Klingt so, als ginge es direkt richtig los. Womit beschäftigst du dich denn aktuell hauptsächlich?

Im Mittelpunkt stehen in den ersten Tagen ganz profane Dinge: Aktuell muss ich mich nach einer Bleibe in Berlin umsehen – und Mitarbeiter finden. Demnächst bin ich in kleinem Umfang Arbeitgeberin, da muss ich mich erst mal einlesen, was es zu beachten gibt. Als nächstes steht dann die Suche nach einem Wahlkreisbüro in der Region Forchheim-Bamberg im Mittelpunkt. In Berlin bekomme ich ein Abgeordneten-Büro zugewiesen, allerdings vermutlich erst ab Anfang nächsten Jahres. Außerdem werden bald schon die ersten Antrittsbesuche im Wahlkreis anstehen, beispielsweise bei Bürgermeistern, Landräten und Vereinen.

Wie machst du das denn so nebenher?

Ich könnte das alles gar nicht schaffen, wenn ich jetzt noch normal arbeiten müsste. Ich habe das große Glück, dass NATURSTROM mein Engagement immer unterstützt hat. Und so ist es glücklicherweise nun auch beim Übergang ins Dasein Abgeordnete. NATURSTROM ist mir sehr entgegengekommen, so dass ich nun die Freiheit habe, in meiner neuen Rolle anzukommen.

In dieser neuen Rolle wird sicherlich vieles anders werden. Aber was nimmst du denn aus deiner Zeit bei NATURSTROM nach Berlin mit?

In fachlicher Hinsicht nehme ich vielfältige Erfahrungen mit, wie die Energiewende tagtäglich mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ausgehandelt werden muss. Die gern zitierte Floskel, dass die Energiewende eine Demokratisierung der Energieversorgung bedeutet, hat sich für mich in fünf Jahren bei NATURSTROM mit Leben gefüllt. In meiner Rolle in der projektbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit habe ich unendlich viel diskutiert und erklärt. Ich hoffe, dass mir diese Erfahrungen im Politikbetrieb weiterhelfen können.

Was ich menschlich von NATURSTROM mitnehme, kann man kaum in Worte fassen. Ich habe mit so vielen Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet, die jederzeit bereit sind, einen zu unterstützten und aufzufangen – das ist wirklich großartig.

Wofür wirst du dich im Bundestag einsetzen?

Ich hoffe, dass ich meine inhaltlichen Prioritäten in den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit, Verkehr oder Klimaschutz setzen kann. Meine Position dürfte da nicht wirklich überraschen: Raus aus Kohle, Atom und Öl – rein in die erneuerbaren Energien. Und das nicht nur im Strom-, sondern auch im Verkehrs- und Wärmebereich.

Zunächst einmal müssen wir aber abwarten, welche Ausschüsse im neuen Bundestag eingerichtet werden. Danach wird dann entschieden, wie wir uns in der Fraktion thematisch aufteilen. Ich bin eine von 18 neuen Abgeordneten in unserer Fraktion, da wird es also ohnehin einiges an Bewegung geben.

Was erhoffst du dir energiepolitisch für die kommende Legislaturperiode?

Zum einen müssen die Ausschreibungen reformiert werden, die Mengenbegrenzungen für die Erneuerbaren müssen weg. Regionalität muss bei den Ausschreibungen stärker berücksichtig werden – es kann nicht sein, dass Bayern nur einen Zuschlag bei den Windausschreibungen bekommen hat. Beim Mieterstrom-Gesetz kann man auch noch mehr rausholen – ich finde das Gesetz, so, wie es gemacht wurde, zu kompliziert. Wenn es keine Anpassungen gibt, wird sich das vorhandene Potenzial nicht optimal heben lassen.

Zu guter Letzt darfst du dich zwischen Pest und Cholera entscheiden: Lieber in einer Jamaika-Koalition die eine oder andere große Kröte schlucken oder in der Opposition die reine Lehre vertreten, aber nichts bewegen?

Wir haben von unseren Wählern den Auftrag bekommen, unser 10 Punkte-Programm zu vertreten. Mit diesen 10 Punkten wird unsere Delegation daher auch in die Verhandlungen gehen. Die Grünen gehen nur in eine Regierung, wenn wir einen Unterschied machen können. Es gibt keinen Automatismus für ein Jamaika-Bündnis, aber wir und alle anderen Parteien haben natürlich die Verantwortung, mit dem Wahlergebnis konstruktiv umzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute in Berlin, Lisa!

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Tim Loppe
loppe@naturstrom.de

ist seit April 2010 Pressesprecher bei naturstrom. Entdeckte die Energiewende in seiner Zeit bei einer Düsseldorfer PR-Agentur für sich. Zuvor hatte der promovierte Germanist an den Universitäten Düsseldorf und Münster im Bereich Sprachwissenschaften gelehrt. E-Mail

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