Mehr Sonne für alle? – das kann die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Photovoltaik ist bereits seit Jahren eine der günstigsten Wege, Energie zu erzeugen. Zum Glück weiß das auch die Politik und hat mittlerweile zahlreiche Wege geschaffen, wie Bürger:innen Solarenergie selbst nutzen können. Mit dem Solarpaket I kam im Mai 2024 neben weiteren Erleichterungen eine neue Möglichkeit hinzu: die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Wie mittlerweile (fast) Jede und Jeder die Kraft der Sonne ernten kann, lest ihr hier.

Die wohl bekannteste Art der Solarstrom-Nutzung ist die „klassische“ Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach – ein Evergreen der Energiewende: Möglichst unverschattete Dachflächen von Ost bis West – immer häufiger sogar gen Norden – ermöglichen Eigenheimbesitzer:innen, Solarstrom zu ernten. Die Energie nutzen sie heute in der Regel selbst und speisen den Überschuss (oder auch den gesamten erzeugten Strom) gegen Einspeisevergütung ein. Trotz relevanter Anlaufinvestitionen in aller Regel ein guter Deal, der meist nach spätestens 15 Jahren Gewinne abwirft.

Auch wer zur Miete wohnt oder in einer Eigentumswohnung lebt, hat mit einem Stecker-Solargerät die Möglichkeit, die Sonne als Stromquelle für den eigenen Haushalt zu nutzen. Vorausgesetzt, es ist ein passender Aufstellungsort vorhanden und die Eigentümer haben nichts einzuwenden. Dank der geringen Kosten lohnen sich Balkonkraftwerke durch den reduzierten Netzbezug oft schon nach wenigen Jahren, können aber eben auch nur kleinere Teile des eigenen Bedarfs decken. Dachanlagen sind daher weiter der Königsweg für den Vor-Ort-Solarstrom.

Im Mehrfamilienhaus kann das aber kompliziert werden: Die Dachflächen gehören entweder dem Vermieter und damit einer anderen Partei oder im Fall von Wohnungseigentümergemeinschaften ganz vielen Akteuren zusammen. Aber selbst für Steckersolargeräte gibt es in Mehrfamilienhäusern nicht immer passende Optionen oder einen geeigneten Platz. Für diese Fälle – oder sogar ganze Quartiere – gibt es Mieterstrom-Modelle. Hier werden PV-Anlagen auf den Dächern installiert und der lokal erzeugte Solarstrom den Bewohner:innen als Teil eines Vollversorgungs-Tarifs angeboten. Das heißt, erzeugt die PV-Anlage mal nicht genug Strom, wird die Restmenge aus dem Netz bezogen – im Falle von naturstrom selbstverständlich zu 100 Prozent Ökostrom. Das einzige Problem? So klimafreundlich und kosteneffizient das Konzept auch ist, so aufwändig sind die Mess- und Abrechnungsprozesse, zudem muss eben die jederzeitige Energielieferung gesichert sein. Mieterstrom-Konzepte funktionieren damit in aller Regel nur mit erfahrenen Partnern wie etwa naturstrom und auch nur in größeren Gebäuden, idealerweise ab 50 Wohneinheiten, in Neubauten auch weniger.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung – Mieterstrom minus Bürokratie?

Genau diese Leerstelle füllt nun die neue Versorgungsoption der so genannten „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“. Lieferantenpflichten und bürokratische Hürden entfallen hier größtenteils. Auch kleinere Mehrparteienhäuser und Gewerbeobjekte bekommen so eine einfache Möglichkeit, Solarstrom vor Ort zu erzeugen und zu nutzen.

Besitzer:innen, Eigentümergemeinschaften oder Dritte können dafür auf den Gebäudedächern PV-Anlagen installieren und betreiben sowie Stromlieferverträge mit den Bewohner:innen schließen. Anders als beim „klassischen“ Mieterstrom sind sie allerdings neben den regulatorischen Erleichterungen von der Pflicht zur Reststromlieferung befreit. Das heißt, Bewohner:innen können den lokalen Solarstrom über einen Stromliefervertrag schlicht zusätzlich zu ihrem regulären Stromtarif beziehen. Wie auch bei Mieterstrom-Modellen sparen sie so Netzentgelte und Abgaben für den Teil des Vor-ort-Stroms, der gleichzeitig zur Erzeugung verbraucht wird. Überschüssiger Solarstrom fließt gegen Einspeisevergütung ins Netz, was die Betriebskosten stabilisiert.

Wie viele Kilowattstunden aus der PV-Anlage jedem Haushalt zustehen, muss durch Aufteilungsschlüssel im Stromliefervertrag festgelegt und dem Netzbetreiber mitgeteilt werden. Für die Aufteilung gibt es zwei Varianten. Entweder sie erfolgt statisch, sodass jeder Wohneinheit gemäß Haushaltsgröße oder Wohnfläche ein Kontingent zugesprochen wird, oder dynamisch nach dem jeweils aktuellen anteiligem Gesamtstromverbrauch im Gebäude.

Smart Meter vorausgesetzt – Netzbetreiber verantwortlich

Ohne Weiteres lässt sich das neue Versorgungskonzept jedoch nicht umsetzen, da viertelstündliche Messungen der erzeugten, verbrauchten und eingespeisten Kilowattstunden vorausgesetzt sind. Leisten kann das nur ein intelligentes Messsystem (iMSys) – besser bekannt als Smart Meter, die bislang allerdings noch immer die Ausnahme sind. Unmittelbar nutzen können, werden das neue Versorgungsmodell anfangs daher nur wenige Gebäude. Netz- und Messstellenbetreiber sind jedoch in der Pflicht und müssen die Technik mittelfristig zur Verfügung stellen:  Neben dem beschleunigten generellen Smart Meter-Rollout können ab 2025 Messtellen auch auf Antrag zu intelligenten Zählern aufgerüstet werden. So kann auch diese Hürde in überschaubarer Zeit abgeräumt werden.

 

Alles in Allem bringt die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung eine überfällige bürokratiearme Versorgungslösung für Mehrfamilienhäuser, insbesondere für Eigentümergemeinschaften, die gemeinsam in eine PV-Anlage investieren wollen.

Für größere Gebäude oder Quartiere lohnen sich klassische Mieterstrom-Modell übrigens weiterhin mehr. Das liegt an der staatlichen Förderung durch den sogenannten Mieterstrom-Zuschlag, der jede vor Ort erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde Solarstrom vergütet und so gerade bei größeren Projekten einen Finanzierungsbaustein darstellt – diesen gibt es bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nicht, dafür ist die Umsetzung eben deutlich einfacher. Für (kleinere) Mehrfamilienhäuser und Gewerbegebäude ist die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung in jedem Fall ein langersehnter neuer Weg.

Finn Rohrbeck
finn.rohrbeck@naturstrom.de

unterstützt seit Juni 2022 das Presseteam bei naturstrom. Zuvor arbeitete er im Veranstaltungsmanagement der Verbraucherzentrale NRW und beschäftigte sich dort mit den Themen Energie und Energieberatung.

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