#wirspielennichtmit beim E.ON-RWE-Deal: Zweite Runde Klage und Initiative

Mit der Initiative #wirspielennichtmit macht NATURSTROM gemeinsam mit vielen Mitstreiter*innen auf die Auswirkungen des Zusammenschlusses von RWE und E.ON aufmerksam. Die beiden Energieriesen haben im März 2018 in einem Megadeal beschlossen, den Wettbewerb untereinander einzustellen und so den Energiemarkt neu aufzuteilen – mit potenziell erheblichen Schäden für Verbraucher*innen, Wettbewerb und Klimaschutz. Daher haben wir gemeinsam mit einigen regionalen Energieanbietern ein zweites Mal Klage beim EU-Gerichtshof eingereicht, nachdem wir bereits gegen Teil 1 des Deals Einspruch eingelegt haben. Wir haben die ganze Story für euch.

Vor über 20 Jahren wurde der Strommarkt liberalisiert. Seitdem hat sich langsam, aber stetig und gegen viele Hindernisse ein inzwischen florierender Wettbewerb etabliert. Das war gut für die Verbraucher*innen, aber sicherlich auch ein Motor für die Energiewende: Denn durch Diversität und Vielfalt auf dem Markt werden Innovationsdenken und Fortschritt angekurbelt. 2020 haben die Erneuerbaren Energien knapp über die Hälfte des Stroms in Deutschland erzeugt. Eine freudige Nachricht für Klima- und Umweltschutz – Kohle hat keine Zukunft! Wohl wissend, dass es damit auch an ihre bisherige Pfründe geht, machen die Dinosaurier RWE und E.ON aber jetzt gemeinsame Sache, um ihre Position zu sichern. 2018 haben sie vereinbart, durch einen Tausch von Geschäftsfeldern den Wettbewerb untereinander einzustellen.

Der Deal zwischen RWE und E.ON umfasst drei Teile: Teil 1: RWE kauft die Erzeugungskapazitäten von E.ON, im Gegenzug bekommt EON in Teil 3 die Netz- und Vertriebsgesellschaften von RWE, insbesondere aus der Tochter innogy. Beide Teile mussten aufgrund der weitreichenden Auswirkungen von den Wettbewerbshütern der EU geprüft und freigegeben werden. Dazwischen liegt noch Teil 2, bei dem es um eine erhebliche Beteiligung von RWE an der vergrößerten E.ON geht, und der vom Bundeskartellamt überprüft – und freigegeben – wurde. Die Aufsichtsbehörde befürchtet allerdings in ihrem aktuellen „Marktmachtbericht 2020“, dass sich eine „marktbeherrschende Stellung von RWE bereits bei einer vergleichsweise geringfügigen weiteren Verknappung der Marktverhältnisse ergeben“ könne. Wem das als Stoff für den Politthriller noch nicht reicht: Erstaunlich ist auch, dass sich die Bundesregierung mittels eines Streithilfeantrags auf die Seite der Unternehmen geschlagen hat. Denn damit ergreift sie Partei für nationale Großunternehmen statt für Wettbewerb und Mittelstand. Gegen die Freigabe des ersten Teils haben NATURSTROM und zehn andere Energieversorger im Mai 2020 beim EU-Gericht eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Ein Erfolg der Klage würde bedeuten, dass das Verfahren noch einmal überprüft werden muss. Über die Hintergründe des Deals und die erste Klage haben wir bereits berichtet.

Warum erneut eine Klage?

Der dritte Teil des Deals, der E.ON die Übernahme der Netz- und Vertriebsgesellschaften aus dem RWE-Konzern ermöglicht, wurde bereits im September 2019 von der EU-Kommission freigegeben. Auf eine Begründung musste die Öffentlichkeit aber ungewöhnlich lange, nämlich bis November 2020, warten. Die Begründung ist aber Grundlage, um überhaupt juristisch dagegen vorgehen zu können. Die Kläger fordern neben der erneuten Überprüfung der Freigabe höhere Auflagen, um den fairen Wettbewerb weiter zu garantieren. Denn die bisherigen Einschränkungen waren marginal: E.ON musste zwar ein paar Schnellladestationen verkaufen, behält mit über 1.600 Ladestationen aber seine dominierende Stellung im Bereich E-Mobilität. Außerdem wird der Konzern mit seinen gut 16 Millionen Kunden auf bis zu zwei Drittel der Fläche Deutschlands zum Grundversorger und kann so in Zukunft die Preise entscheidend bestimmen. Zudem würde das Unternehmen– direkt oder mittelbar über zahlreiche Beteiligungen – viele Regionen beim Strom- und Gasvertrieb beherrschen und könnte in der Folge unabhängige kommunale und mittelständische Anbieter aus dem Markt verdrängen – einzige Auflage war beim Stromvertrieb die Abgabe von rund 260.000 Heizstromkunden. Außerdem würde E.ON als merklich größter Netz- und Messstellenbetreiber über Energiedaten von rund 20 Millionen Strom -und 3,4 Millionen Gaszählern verfügen – eine wichtige Ressource für zukünftige, datenbasierte Geschäftsmodelle. Auch Becker, Büttner, Held, die Anwaltskanzlei die NATURSTROM und die anderen Klagenden vertritt, pflichtet bei : „E.ON wird im Verteilnetzbereich „Herrin der Flächen“, dominiert die Endkunden-Märkte für Strom und Gas und hat mit einem hierzulande mehr als verdoppelten Kundenstamm Zugang zu einer Unmenge an Daten, die für das innovative Geschäft die Grundlage bilden.“

Folgen auch für Klimaschutz

Dr. Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender von NATURSTROM und Mitinitiator des Widerstandes gegen den Deal, gibt das Vorgehen der Wettbewerbshüter Rätsel auf. Er fragt sich : „Wie kann es sein, dass die EU-Kommission und das Wirtschaftsministerium in Berlin gerade den Konzernen, die sich jahrelang gegen die notwendigen Wandel der Energieversorgung mit lauteren und unlauteren Mitteln gestemmt haben, für besonders befähigt hält, diese brennende Aufgabe für unser aller Zukunft zu stemmen?“
„Wir brauchen dringend und schnell mehr Nachhaltigkeit, mehr Umweltschutz und mehr Klimaschutz in der sich rasend schnell ändernden Energiewelt. Das geht nur mit hochinnovativen, schnell agierenden, gesellschaftlich und ökologisch Verantwortung tragenden Unternehmen anstatt mit trägen Großkonzernen und weniger Wettbewerb. Die EU-Kommission hat sich offensichtlich keine Gedanken gemacht, was die Freigabe der Fusion RWE-E.ON für das vorrangige politische Ziel, die Klimakatastrophe aufzuhalten, bedeutet“, bilanziert Banning.

In seinem Gastbeitrag beschreibt auch Gunnar Harms, Vorstandsmitglied des Bündnis Bürgerenergie und Unterstützer der Initiative, die „Arroganz der Macht“ und skizziert, wie vor allem der RWE-Konzern schon früher seine Marktdominanz für eigene Interessen ausgenutzt hat.

20 Konzerne sind immer noch verantwortlich für 35 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen – seit 1965 stagniert diese Zahl. Auch wenn vordergründig ein gewisser Wandel eingeleitet wurde und beispielsweise RWE mit Investitionen in Erneuerbare Energien sein Image aufpolieren will, fällt der weiterhin stark von Kohlekraftwerken geprägte Konzern immer wieder durch Negativschlagzeilen auf, die von einem so „grünen“ Unternehmen (#NeueRWE?) nicht zeugen: Beispielsweise sabotiert RWE in den Niederlanden dringend nötige Klimaschutz-Maßnahmen und klagt dort gegen deren geplanten Kohleausstieg auf zwei Milliarden Euro Entschädigung.

Unsere Stimme wird lauter

Mit unserer Initiative fordern die Wahrung von Verbraucherinteressen und bestehendem Wettbewerb, eine Stärkung der dezentralen Energiewende und wirksame Auflagen für die Konzerndeals. Und mit der begleitenden Petition kann sich jeder und jede diesen Forderungen anschließen. Schon über 62.000 (Stand: 11.02.21) Menschen unterstützen uns hierbei!

Gerne also auch noch unterschreiben, teilen und weitersagen: #wirspielennichtmit beim Deal von RWE und EON!

Zur Petition geht es hier lang: https://weact.campact.de/petitions/fairer-energiemarkt-statt-dominierende-grosskonzerne-1

Mehr Info zur Initiative gibt es unter: www.wir-spielen-nicht-mit.de

Joanna Albrecht
joanna.albrecht@naturstrom.de

unterstützte das PR-Team von naturstrom bis Dezember 2021, jongliert aber schon etwas länger beruflich mit Energiethemen. Ihr Herz schlägt Grün (und für Tiere). Sie mag Waldspaziergänge, Gärtnern und den Teamsport Ultimate Frisbee.

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