Schnellere Genehmigungen, Novellen aus Brüssel und andere Gründe zur Hoffnung – Was tut sich bei der Windenergie?

Ohne Windkraft keine Energiewende – so einfach ist es. Trotzdem wurde der Zubau von Windrädern in den letzten Jahren immer mühsamer. Aber es geht voran: Zahlreiche Gesetzesnovellen und Vorhaben versprechen verbesserte Voraussetzungen für den künftigen Ausbau. Wir blicken auf die wichtigsten Punkte in Sachen Windenergie-Beschleunigung und zeigen, wie vor allem die bislang lähmenden Genehmigungsverfahren vereinfacht werden sollen.

Unter den klimafreundlichen Stromquellen sind Photovoltaik und Windkraft die unangefochtenen Spitzen- und Wegbereiter für das Energiesystem der Zukunft. Schon heute sind diese Technologien die größten Ökostromquellen, die Windenergie sogar der wichtigste Energieträger im deutschen Strommix insgesamt. Und nur Solar- und Windenergie bieten ausreichend Potenziale, um erst die Strom- und dann die ganze Energieversorgung vollständig zu dekarbonisieren. Doch während die Solarenergie bereits gemäß des ambitionierten Ausbaupfades der Ampelkoalition durchstartet, bleibt die Windenergie aufgrund der in der letzten Dekade aufgebauten Hemmnisse (noch) hinter den notwendigen Zielen zurück.

Sieben Jahre für ein Windrad

Planung und Bau von Erneuerbaren Energien-Anlagen sind ein aufwändiges Unterfangen: Flächen müssen gesichtet und gesichert, Einflüsse auf Mensch und Umwelt untersucht werden. Schon das nimmt meist rund 18 Monate in Anspruch. Die weitaus meiste Zeit kosten allerdings nicht diese produktiven Planungs- und Umsetzungsschritte, sondern die umfassenden Genehmigungsverfahren. Vor allem die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sticht hier mit viel Zeitaufwand heraus. Denn oft sind für diese aufwendige Gutachten zu Lärm- oder Artenschutz notwendig, die wiederum auf monatelangen Erhebungen vor Ort beruhen und dadurch die Projektrealisierung stark verzögern oder ganz verhindern.

Im Durchschnitt vergehen von Einreichung des Antrags bis zur Genehmigung eines Windkraftprojekts über zwei Jahre – in vielen Fällen dauert es noch deutlich länger. Laut Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) erhält gerade mal jedes vierte Windradprojekt wie angestrebt innerhalb von zwölf Monaten eine Genehmigung. Oft führen die Verzögerungen dazu, dass die Pläne zum Zeitpunkt der Erteilung gar nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik sind und mittlerweile andere, leistungsfähigere und oft auch leisere Anlagen verbaut werden sollen. Nicht selten beginnt dann der Genehmigungsmarathon von vorne.

Und selbst wenn von Seiten der Behörden alles genehmigt wurde, ist der Bau einer Windkraftanlage noch lange nicht sicher. Etwa 20 Prozent aller Wind-Projekte in Deutschland werden beklagt und landen vor Gericht, was im positivsten Fall nur Verzögerungen von einigen weiteren Monaten bis Jahren, im schlimmsten das Ende des Projektes bedeutet. Der häufigste Grund für Klagen sind (teilweise auch von Windkraft-Gegnern instrumentalisierte) Artenschutz-Bedenken. Aber auch über Lärmschutz und Baurecht wird gestritten. Realisierungszeiten von fünf, sechs oder sogar sieben Jahren sind keine Seltenheit. (Unser unternehmensinterner Rekord bei einem weiterhin nicht abgeschlossenen Windkraftprojekt: traurig-stolze zwölf Jahre and counting …)

Rückenwind aus Brüssel

Zum Glück ist sich die Politik mittlerweile nicht nur der großen Probleme bei der Windenergie-Projektierung bewusst, sondern handelt endlich auch entsprechend.

Ein erster Meilenstein hierzu war die EU-Notfallverordnung von Dezember 2022, die im Zuge der Energiekrise erarbeitet wurde und bis Ende Juni 2025 in Kraft ist. Sie vereinfacht die Genehmigungsverfahren für Erneuerbare Energien-Anlagen wesentlich und gibt die Richtung vor. Vor allem aber führt sie Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in bestimmten ausgewiesenen Gebieten ein. Hat dort bereits eine übergreifende strategische Umweltprüfung für das Gebiet als solches stattgefunden, wie es in den bisher ausgewiesenen Eignungsgebieten die Regel ist, kann auf die bislang zusätzlich notwendige UVP für konkrete Einzelprojekte verzichtet werden. Der Umweltschutz bleibt also gesichert, gleichzeitig können Windenergieanlagen viel unkomplizierter realisiert werden.

Mit der Novelle der Renewable Energy Directive (RED III) kam im Oktober 2023 eine Verstetigung dieser Regelungen, die die Mitgliedsstaaten innerhalb von 18 Monaten umsetzen müssen. Für Teile der Reform gelten sogar noch kürzere Fristen. So müssen Gebiete, die bereits für Erneuerbare Energien ausgewiesen sind, innerhalb von sechs Monaten zu „Beschleunigungsgebieten“ erklärt werden. In diesen sollen die Genehmigungsverfahren im Regelfall fortan nur noch 12 Monate dauern dürfen, im Falle von Repowering-Projekten sogar nur 6 Monate. Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverband WindEnergie (BWE), sieht in der Direktive entsprechend „erhebliches Beschleunigungspotenzial“ für den Windkraft-Zubau.

Segel gesetzt in Berlin

Auch in Deutschland gibt es Aufwind: Bereits Mitte 2022 – noch vor der EU-Notfallverordnung – wurden mit dem EEG 2023 die Ausbauziele und die Gewichtung von Erneuerbaren Energien in Genehmigungsverfahren erhöht. Gerade dass Ausbau und Betrieb von Ökoenergie-Anlagen ein „überragendes öffentliches Interesse“ zugesprochen wurde, ist hier ein Gamechanger. Denn bei der stattfindenden Schutzgüterabwägung im Rahmen der Verfahren stehen dadurch lediglich die Belange der Landes- und Bündnisverteidigung gleichrangig zum Erneuerbaren-Ausbau. Gleichzeitig sorgte auch ein neues Wind-an-Land-Gesetz für mehr Flächen für Windenergie-Projekte. Eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes verminderte darüber hinaus Konfliktpotenziale mit dem Artenschutz. In Folge dieser ersten Bausteine sollten dann konkret die Genehmigungsverfahren beschleunigt und so mehr Tempo in den Windausbau gebracht werden.

Eine ohnehin laufende Novelle des Raumordnungsgesetzes überführte bereits im März 2023 – und damit bemerkenswert schnell – einen Teil der EU-Reformen in deutsches Recht. Für Projektier:innen von Windkraft- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen oder auch den Bau von neuen Stromnetzen bedeutet dies eine enorme Erleichterung, da in diesen bereits voruntersuchten Gebieten die monatelangen individuellen Erhebungen entfallen können.

Auch der Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung, auf den sich Bund und Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz im November geeinigt haben, birgt großes Potential. Gerade die angestrebte stärkere Digitalisierung der Verfahren – wofür schon zusätzliche Gesetze auf den Weg gebracht wurden – und das Versprechen, mehr Geld für Personal bereitzustellen, sind hier zentral. Verwaltungen auf allen Ebenen könnten so entlastet und Prozesse beschleunigt werden.

Interessensverbände wie der BEE sehen noch für einen weiteren Bereich deutliche Verbesserungen. So lassen die Beschlüsse zur Regelung von Transporten erwarten, dass künftig Genehmigungen gebündelt und damit schneller bearbeitet werden können. In den letzten Jahren führte das Fehlen einer einheitlichen Genehmigungssystematik und langsame Verfahren in den für Infrastruktur zuständigen Behörden zu immensen Verzögerungen bei der Realisierung von Windprojekten.

2024 soll es weitergehen mit den Reformen. So soll in der ersten Jahreshälfte die bereits laufende Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes abgeschlossen sein. Da diese die Grundlage für die UVP bildet, ist diesbezüglich mit einer Harmonisierung der bestehenden Gesetze zueinander zu rechnen. Neben neu erschlossenen Windparks werden vor allem Repowering-Projekte davon besonders profitieren, indem nur eventuelle Verschlechterungen gegenüber dem vorherigen Projektzustand noch abgeprüft werden müssen. Wenn neue Anlagen also etwa leiser als die alten Generatoren sind, wird eine Lärmprüfung kein Genehmigungsgegenstand mehr. Das übergeordnete Ziel bleibt klar: Unnötige bürokratische Hürden sollen aus dem Weg geräumt werden.

 

Es geht also merklich voran bei der Windkraft in Deutschland und Europa. Aber wie auch beim einzelnen Windrad gilt: Es braucht nicht nur eine kurze Brise, sondern beständige (Luft-)Bewegung. Was die Regierungen in Brüssel, Berlin und den Ländern in den letzten zwei Jahren auf den Weg gebracht haben, lässt hoffen, dass die jahrelange Flaute nun endlich ein Ende hat und sich der schon wieder langsam wachsende Windenergie-Ausbau rasch deutlich beschleunigt. In der ersten Hälfte 2024 erwartet der BWE sogar noch mehr und schnellere Verbesserungen. Dabei stehe Wind allerdings keinesfalls allein, auch bei den anderen Erneuerbaren sähe es gut aus. Gute Aussichten also auf die kommenden Monate und Jahre.

Finn Rohrbeck
finn.rohrbeck@naturstrom.de

unterstützt seit Juni 2022 das Presseteam bei naturstrom. Zuvor arbeitete er im Veranstaltungsmanagement der Verbraucherzentrale NRW und beschäftigte sich dort mit den Themen Energie und Energieberatung.

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