Klimaschutz in der Krise: Frag nicht, was die Welt tun kann

Konkrete Maßnahmen, um die Klimaziele 2030 zu erreichen? Die waren auf der 5. ZEIT Konferenz Energie & Klimaschutz im Programm angekündigt. Geliefert haben dann aber nicht die Politiker der Regierung. Sondern jemand anderes.

„Klimaschutz – jetzt aber richtig!“ So der Appell, die Ausrichtung des Programms der 5. ZEIT Konferenz Energie & Klimaschutz diese Woche in Berlin. Eröffnet hat die erste Session Thomas Bareiß, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. „Wir haben schon viel geschafft“, gab sich Bareiß optimistisch und selbstbewusst. Er kündigt sogar neue Sonderausschreibungen an. Aber: „Wir wollen den Markt nicht überreizen. Für Wind haben wir ja beispielsweise bereits Ausschreibungsregelungen und unbegrenzt Platz haben wir auch nicht.“ Buhrufe aus dem Publikum.

Konkrete Maßnahmen, um die Klimaziele 2030 zu erreichen? Die blieb der Staatssekretär schuldig – oder behielt sie zumindest für sich. Wir bräuchten Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, keine Frage. Aber 100 Prozent, das ginge nicht so einfach, die Versorgungssicherheit müsste zu jedem Zeitpunkt gesichert sein. Damit spielte Bareiß auf die Angst vor einem Blackout an. Dabei gibt es für letztere keinen Grund – die Qualität der Strom- und Gasversorgung befindet sich in Deutschland auch im internationalen Vergleich auf einem konstant hohen Niveau, das twittert die Bundesnetzagentur. Und sprach sich in einem Bericht erst kürzlich dafür aus, die Kohleverstromung zu reduzieren: Die Versorgungssicherheit würde dann sogar steigen. Öko-Energieversorger wie NATURSTROM zeigen seit 20 Jahren, dass es möglich ist: Ökostrom, direkt aus Ökostromanlagen in Deutschland. Ebenso sauber wie sicher.

Julia Verlinden, Bundesabgeordnete für die Grünen, nahm den Staatssekretär gleich in die Verantwortung: „Ich finde es fahrlässig, keinen konkreten Fahrplan aufzustellen. Auch die Industrie hat so keine Planungssicherheit. Sie bekommt so das Signal: Es ist noch Zeit.“ Dabei sei es nach wie vor möglich, die gesteckten Klimaziele zu erreichen.

Mit welchen Technologien das möglich sein könnte – darum ging es im zweiten Teil der Konferenz. Zunächst stand dabei Flüssiggas für LKW im Fokus. Kritisch vom Publikum oder der Moderation infrage gestellt wurden die Thesen in der Runde allerdings leider nicht. Die Impulsvorträge vor der Mittagspause ließen dafür mehr Raum. Zum Beispiel der zu einer Anlage, die CO2 aus der Luft saugt – und anschließend der Getränkeindustrie zur Verfügung stellt. Die nutzt das Gas, um Wasser und Softdrinks mit Kohlenstoff zu versehen. Da wird CO2 plötzlich zum gefragten Rohstoff.

Mit dem Auftritt der ZEIT-Redakteurin Petra Pinzler rückte auch das Publikum in den Mittelpunkt, wurde es konkret. Denn sie berichtete von dem Selbstversuch ihrer Familie, CO2-neutral zu leben. Nach dem Motto: Frag nicht, was die Welt tun kann. Sondern was du für die Welt tun kann. Zumindest zuerst. Und das ist eine ganze Menge.

Zwölf Monate lang schaute die Familie Pinzler-Wessel genauer hin: beim Einkaufen ebenso wie beim Reisen und Wohnen. So verfolgte ihr Mann die Lieferkette von verschiedenen Äpfeln, um herauszufinden, ob der Flugapfel aus Neuseeland den heimischen, gekühlt gelagerten doch irgendwann in der CO2-Bilanz überholt. Im Herbst kaufte die Familie die regionalen Bio-Äpfel – im Winter wiesen die importierten Äpfel aus dem Ausland eine bessere Treibhausgas-Bilanz auf und wanderten deshalb auch in ihren Einkaufskorb. „Einen viel größeren Effekt hat jedoch der Weg zum Supermarkt“, berichtet Petra Pinzler und schmunzelt. „Bestenfalls wird der zu Fuß oder mit dem Fahrrad bestritten – und nicht mit dem Auto.“

Mobilität ist ohnehin eine große Stellschraube: „Ein Wochenendtrip nach Malle lässt sich nicht mit drei Bio-Äpfeln wieder gut machen.“ Auf solche Reisen hat die Familie deshalb auch verzichtet und dabei ganz unterschiedliche Reaktionen geerntet. Von Unverständnis bis zur Faszination sei alles dabei gewesen. „Viele sind davon überzeugt, dass es egal ist, ob der einzelne etwas an seinem Verhalten ändert“, so Pinzler. „Sie sagen: sollen doch die Politiker. Soll doch die Industrie. Soll doch die Technologie. Verzicht hat doch noch nie geholfen.“

Das Fazit der Familie jedoch ist ein anderes: „Wir haben in dem Jahr festgestellt, dass auch wir einen Impact haben. Dass Politik und Technologie ihre Grenzen haben.“

Jede und jeder kann etwas tun. Auch Du. Zum Beispiel mit dem Wechsel zu Ökostrom.

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Finja Seroka
seroka@naturstrom.de

arbeitete bis 2021 bei NATURSTROM. Begeistert sich beruflich und auch privat für nachhaltige Themen. Zuvor hat sie u. a. als Journalistin für Handelsblatt Online und die Funke Mediengruppe gearbeitet.

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