Am Donnerstag demonstrieren tausende Menschen bei einer großen Demo in Berlin für die Energiewende. Zwei Tage nach dem letzten Gipfeltreffen zur EEG-Reform zwischen Bundesregierung und Ländervertretern, das in einigen Details noch keine Einigung brachte, nutzten sie die Chance, um Druck auf die politischen Entscheider zu machen. In welchen Punkten bereits Konsens herrscht, welche Fragen noch offen sind und wie sich die Novelle auf die Energiewende auswirken wird, erklärt Ronald Heinemann, Leiter der politischen Kommunikation bei NATURSTROM, im Interview.
Die nächste EEG-Novelle soll bereits Mitte Juni im Kabinett verabschiedet werden und dann zum Jahreswechsel in Kraft treten. Nach dem Treffen von Merkel, Gabriel und den Ministerpräsidenten war am Mittwoch von allen Beteiligten zu hören, man sei sich im Großen und Ganzen einig. Aber worüber denn genau?
Mit der EEG-Novelle wird ein Paradigmenwechsel besiegelt: Die Bundesregierung legt künftig über ein Ausschreibungsverfahren fest, bis zu welcher maximalen Erzeugungsleistung Ökostromanlagen neu gebaut werden dürfen. Damit kann sie das Tempo der Energiewende beliebig drosseln. Der sprichwörtliche „längere Hebel“, an dem die Bundesregierung sitzt, ist in diesem Fall die Handbremse – und die zieht sie kräftig an.
Und was bedeutet das genau?
Das heißt beispielsweise, dass der Zubau neuer Windenergieanlagen an Land auf 2.800 MW pro Jahr begrenzt wird – das ist deutlich weniger als in den beiden letzten Jahren. Außerdem ist bei den 2.800 MW der Austausch alter Windräder gegen moderne Anlagen bereits mit eingerechnet. Der tatsächliche Zubau wird also geringer ausfallen, da schließlich die alten Windräder vom Netz gehen. Zudem ist eine einmalige Absenkung der Vergütung für Windenergieanlagen von fünf Prozent zum 1. Januar 2017 vorgesehen. In diesem Fall würden viele Windparkprojekte, die Energiegenossenschaften und andere engagierte Akteure mit mehrjährigem Vorlauf geplant haben und für die bereits Baugenehmigungen vorliegen und teilweise schon die Windräder bestellt sind, auf einen Schlag an den Rand der Wirtschaftlichkeit gedrängt.
Düster sieht es auch bei der Photovoltaik aus. Seit zwei Jahren bereits wird das jährliche Ausbauziel deutlich verfehlt. Und nun soll auch noch der Bau von Anlagen ab einer Leistung von 750 kWp über Ausschreibungen ermittelt werden. Das wird den Bau neuer Photovoltaikanlagen weiter ausbremsen.
Wieso das?
Im Zuge der Novelle wird die Einspeisevergütung für die meisten Ökostrom-Anlagen nicht mehr im Rahmen des EEG vom Gesetzgeber festgelegt, sondern in Ausschreibungen ermittelt. Planer geben also an, ab welcher Einspeisevergütung sie bereit sind, ein bestimmtes Öko-Kraftwerk zu errichten und zu betreiben. In diesem Wettbewerb treten alle gegeneinander an: Energiekonzerne, internationale Investoren, Stadtwerke, Ökostromanbieter und Genossenschaften. Was uns und anderen große Sorgen macht: Kleinere Akteure wie Bürger-Energiegesellschaften, die bisher die Energiewende ganz wesentlich mitgestaltet haben, drohen durch die Umstellung auf Ausschreibungen ins Abseits gedrängt zu werden.
Weil sie gegen die professionellen Investoren den Kürzeren ziehen?
Genau. Ausschreibungen erfordern umfangreiche Vorleistungen und bergen wirtschaftliche Risiken, die ehrenamtlich getragene Bürgerenergie-Gesellschaften im Gegensatz zu großen Projektentwicklern und den Energiekonzernen vielfach nicht werden stemmen können. Die Bundesregierung hat es bislang versäumt, auf die Bedürfnisse und die besondere Situation der Bürgerenergie-Akteure einzugehen. Somit droht sich die Energiewende in ihrem Charakter massiv zu wandeln: von einem Gemeinschaftswerk der Bürgerinnen und Bürger hin zu einem Projekt der Stromkonzerne, das sich politisch möglichst ambitionslos verwalten lässt. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung geraten somit jedenfalls in immer weitere Ferne.
Und welche Punkte sind bei der Novelle aktuell noch offen?
Unklar ist noch, wie es mit der Biomasse weitergeht. Anders als bei Wind und Photovoltaik fallen bei Biomasseanlagen ja Kosten für die eingesetzten Substrate an. Aufgrund dieser vergleichsweise hohen Betriebskosten werden viele Anlagen stillgelegt werden müssen, wenn sie in wenigen Jahren keine EEG-Vergütung mehr erhalten und ihnen die Politik nicht möglichst bald eine langfristige Perspektive aufzeigt. Die Zeit drängt, denn Investitionen, beispielsweise in die Flexibilisierung bestehender Anlagen, rechnen sich erst nach langer Betriebsdauer – die Entscheidungen müssen die Anlagenbetreiber aber vielfach bereits jetzt treffen. Für den Bereich Biomasse wären Ausschreibungen daher ein probates Mittel, um eine gewisse Planungssicherheit zu schaffen und zumindest den aktuellen Bestand zu sichern.