Wie man eine Solawi gründet – ein NATURSTROM-Kollege erzählt

Auf einem Feld nahe Düsseldorf reihen sich Salate an Bohnen, Brokkoli und Paprika. Steigen einem der Duft von Schnittlauch, Dill und Petersilie in die Nase. In der Mitte: ein Bauwagen. Und eine Idee, die mehr als 60 Menschen vereint.

Unser Kollege Frank Seifert hat eine Solawi gegründet.

Am Anfang stand die Idee – und die Zustände: in der Agrarindustrie, in den Supermärkten und auf dem Weg dahin. Denn wer in der Landwirtschaft arbeitet, hat oft nur die Wahl, sich selbst oder die Natur auszubeuten. Verbraucherinnen und Verbraucher wiederum sehen sich mit einer Vielzahl von Siegeln konfrontiert, wovon viele schwach und einige streng sind. Es ist mühsam, beim Kauf die richtige Entscheidung zu treffen. Ökologische, solidarische und regionale Kriterien gleichzeitig erfüllt zu wissen ist nach wie vor eine Herausforderung.

Eine Antwort darauf: Solawi – Solidarische Landwirtschaft. Dabei wird das angebaute Gemüse nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern direkt – auf Wegen, die von den Mitgliedern der Solawi selbst organisiert und finanziert werden. Landwirte und Verbraucher gehen schon vor der Ernte eine Kooperation ein: So ist der Landwirt gegen etwaige Ernteausfälle abgesichert und die Verbraucher erhalten Einfluss auf die Anbauplanung. Die Ernte wird schließlich im Wochenrhythmus an verschiedenen Ausgabestellen unter den Mitgliedern aufgeteilt. Der Preis für einen Ernteanteil richtet sich dabei danach, was jeder bezahlen kann und will – solange am Ende das nötige Budget zusammenkommt. Und das Risiko verteilt sich gleichmäßig auf allen Schultern.

Eindrucksvoll stellt das der Film über die Solawi in Freiburg, „Die Strategie der krummen Gurke“, dar. „Meine Frau hat mir von dem Film vorgeschwärmt – und mich schließlich damit angesteckt“, erzählt Frank Seifert, NATURSTROM-Mitarbeiter und Solawi-Mitbegründer. „Wir haben angefangen, uns im alternativ-ökologischen Milieu von Düsseldorf umzuhören. Und haben schneller einen Kern von Leuten gefunden, als gedacht.“ Was sie verband: Sie alle wollten ökologisch, nachhaltig und solidarisch miteinander arbeiten – und das allerbeste Gemüse bekommen.

Vor nicht einmal einem Jahr machten sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Bio-Bauernhof im Raum Düsseldorf. Was sie fanden war eine Fläche, die sofort verfügbar war. „Die Entscheidung ging rasend schnell“, erinnert sich Frank. „Wir haben den Pachtvertrag unterschrieben, als wir noch nicht wussten, ob wir genügend Mitglieder für die Solawi finden würden.“ Mit dem Lammertzhof hatten sie einen starken Partner gefunden: Bauer Hannen betreibt seinen eigenen Hof nach Bioland-Kriterien. Die Fläche, auf dem sich seit diesem Jahr die Solawi Düsseldorf tummelt, wurde durch zwei Jahre Gründüngung auf den Ackerbau vorbereitet. „Wir dachten uns: Im Zweifelsfall haben wir dieses Jahr den coolsten Kleingarten der Welt und verbringen unseren Sommer da mit Bier und Liegestuhl“, sagt der 34-Jährige.

So fing es im März 2017 an…

Liegestühle sind auf dem Feld diesen Sommer tatsächlich zu sehen – allerdings sind sie meistens leer. 3.800 Quadratmeter bewirtschaften die mehr als 60 Mitglieder der Solawi, die sich die 38 Ernteanteile teilen, dieses Jahr. Damit sie auch ernten können, was sie säen, haben sie am Anfang des Jahres einen Gärtner eingestellt: fest und für 25 Stunden in der Woche, die er sich nach Arbeitsaufwand einteilt. Einen Ernte-Anteil hat sich der Gärtner selbst gesichert – weil er nicht nur angestellt, sondern auch Teil der Gemeinschaft sein möchte. Und dazu gehört eben auch ein Stimmrecht.

Anpacken müssen trotzdem alle Mitglieder der Solawi: rund vier Stunden im Monat pro Ernteanteil. „Für mich sind die Arbeitseinsätze auf dem Feld ein fester Bestandteil meiner Woche geworden. Sie füllen mittlerweile den Freitag – einen Tag, den ich mir für genau so etwas freigenommen habe“, erzählt Frank. Ende vergangenen Jahres reduzierte er seine Arbeitszeit bei NATURSTROM von 40 auf 32 Stunden. „Egal wie anstrengend die Woche war – auf dem Feld kann ich sie vergessen. Eine Viertelstunde auf den Knien und der Kopf ist leer“, berichtet er, „am meisten Spaß macht mir aber mit interessanten, tollen Leuten auf dem Acker zu arbeiten – und auch diese Gemeinsamkeit zu erleben.“

Solawi ist wie Fußballplatz

…und so reichhaltig fällt die Ernte aus.

Die mehr als 60 Mitglieder helfen auf dem Acker, kümmern sich um die Verteilung und Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie um rechtliche Dinge. Sie sind 18, aber auch 70 Jahre alt, Lebenskünstler ebenso wie Unternehmensberater. „Wir sind eine ganz gemischte Gruppe – wie auf dem Fußballplatz“, sagt Frank.

Das Konzept Solawi begeistert immer mehr Menschen: Über 146 Solawis gibt es in Deutschland bereits, über 100 befinden sich in der Gründungsphase. Die Tendenz ist steigend – und steckt doch noch in den Kinderschuhen, wie ein weltweiter Vergleich zeigt. Rund 1.500 Solawis setzen sich in den USA für eine vielfältige und nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft ein. Und in Japan ist sogar jeder vierte Haushalt an einer Solawi beteiligt.

In Düsseldorf füllt sich die Mitglieder-Warteliste. Doch ganz oben auf der Agenda steht gerade etwas anderes: Alle sind im „Erntemodus“ und auf Beikraut-Jagd (gemeinhin auch Unkraut genannt). In Zukunft soll aus dem bisherigen Zusammenschluss ein eingetragener Verein werden. Dann steht auch die nächste Bieterrunde an, bei der sich die Solawi die Finanzierungzusage der einzelnen Mitglieder einholt, um so das kommende Jahr planen zu können. Außerdem steht die Anbauplanung für 2018 auf dem Programm. Von A wie Aubergine bis Z wie Zucchini wird alles dabei sein, was regional und saisonal ist. Dabei halten sie die Bioland-Richtlinien ein, nur offiziell zertifizieren lassen sie das Gemüse nicht. Sie sind schließlich dabei, wenn es wächst und geerntet wird.

Und der Preis? „Wenn man weiß, wie viel Arbeit in der Ernte steckt und man selber mitgearbeitet hat verliert das Gemüse ohnehin seinen Preis. Dafür bekommt es seinen Wert zurück. Denn zu Supermarkt-Preisen wollen wir gar nicht produzieren“

Wer mitmachen will: kann sich vormerken lassen für einen Wartelistenplatz und wird zur nächsten Bieterrunde eingeladen

Finja Seroka
seroka@naturstrom.de

arbeitete bis 2021 bei NATURSTROM. Begeistert sich beruflich und auch privat für nachhaltige Themen. Zuvor hat sie u. a. als Journalistin für Handelsblatt Online und die Funke Mediengruppe gearbeitet.

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