Earth Overshoot Day

Zum Earth Overshoot Day: Die Vermessung meines Fußabdrucks

29. Juli 2019: Ressourcenwarnung – Du hast dein Limit für dieses Jahr erreicht! Bitte lade dein Ressourcenkonto schnell wieder auf oder stelle deinen Verbrauch ein.

Stell dir vor, jede und jeder von uns bekäme am Jahresanfang eine Art CO2-Konto, das für ein Jahr reichen muss. Und zwar so, dass der Konsum nachhaltig und nicht auf Kosten zukünftiger Generationen ausgetragen wird. Dieses Konto wäre 2019 schon am 29. Juli – dem sogenannten Earth Overshoot Day (Weltüberlastungstag)– aufgebraucht. Ab diesem Tag verbraucht die Weltbevölkerung im Durchschnitt mehr, als ihr eigentlich zusteht – und damit auch wir.

Ressourcenverschwendung, Umweltzerstörung, Klimawandel: Das sind einige der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ihre Lösung ist maßgeblich für die Zukunft – und wird auf der weltpolitischen Bühne seit Jahren in zahllosen Konferenzen, Gipfeln und Foren diskutiert. Doch ob dem Pariser Klimaabkommen und ähnlichen Verträgen und ähnlichen Abschlusserklärungen ein Handeln folgt, ist eine ganz andere Frage.

Und selbst wenn alle wichtigen Industrie- und Schwellenländer den Willen aufbringen, sich an das Klimaabkommen zu halten: Von dem vereinbarten Zwei-Grad-Ziel sind wir derzeit weit entfernt. Druck auf die Industrien und Regierungen der Länder mit dem größten C02-Ausstoß sind notwendig, wenn sich an der weltweiten Klimabilanz etwas ändern soll. Doch während wir auf politische Lösungen warten, können wir selbst etwas tun. Bequemlichkeit und Gewohnheit sind keine guten Ausreden. Die Kunstperformance 1000 GESTALTEN, eine der vielen friedlichen Demonstrationen, die im Rahmen des G20 Gipfels in Hamburg stattfanden, möchte genau das zum Ausdruck bringen:

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Letztlich muss ich mir jedoch an die eigene Nase fassen. Auch ich verbrauche jährlich mehr Ressourcen, als mir eigentlich zustehen – auch ich habe einen Earth Overshoot Day. Herausgefunden habe ich dies unter anderem durch den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes (UBA).

Ausgrechnet zum Earth Overshoot Day: Mein persönlihcer CO2-Ausstoß im Vergleich zum deutschen Durchschnitt.

Mein persönlicher CO2-Ausstoß im Vergleich zum deutschen Durchschnitt. Quelle: http://uba.co2-rechner.de/de_DE/

Mein Fußabdruck: nicht so groß, aber doch zu groß

Auf den ersten Blick scheint mein Ergebnis gar nicht so schlecht zu sein: Pro Jahr gehen knapp sechs Tonnen CO2 auf meine Kappe. Im Vergleich zum deutschen Durchschnitt (11,63 Tonnen) erzeuge ich also fast 50 Prozent weniger CO2. Das liegt vor allem daran, dass ich in einer Studenten-WG lebe, kein eigenes Auto habe und in Berlin die meisten Wege mit dem Rad zurücklegen kann. Ich ernähre mich außerdem vegetarisch, achte auf regionale und saisonale Produkte und versuche immer mehr auf Bio-Lebensmittel zurückzugreifen. Natürlich bezieht meine WG auch naturstrom, wodurch ich bei meinem Strombezug auf ganzer Linie punkten kann – mein CO2-Ausstoß ist hier null.

In meinem Klimazeugnis steht jedoch trotzdem kein „ausreichend“, denn der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) geht von einem Klimabudget von 2,3 t CO₂ pro Mensch und Jahr aus. Würden alle Menschen dieses Kontingent einhalten, könnte den Berechnungen des WGBU zufolge der Anstieg der globalen Temperaturen bis 2050 auf max. 2°C begrenzt werden. Das heißt aber auch: Nur wenn wir unseren CO2-Fußabdruck soweit reduzieren, können wir das 2-Grad-Ziel noch erreichen. Und den Earth Overshoot Day vielleicht aus dem Kalender streichen.

Wie es besser geht

Eins meiner großen Hobbys ist das Reisen. Innerhalb Deutschlands fahre ich zwar mit der Bahn, dem Fernbus oder einer Mitfahrgelegenheit. In den Semesterferien locken mich hingegen immer wieder diverse Billigflug-Anbieter in die Ferne. Die Non-Profit-Organisation atmosfair bietet die Möglichkeit, Aktivitäten zu kompensieren, die CO2 verursachen und für die es noch keine klimafreundlichen Alternativen gibt. Dabei wird der Verbrauch von CO2 für eine gewisse Aktivität, etwa einen Flug, ermittelt. Aus deren Klimawirkung errechnet atmosfair anschließend einen Kompensationsbetrag, der für Klimaprojekte in Entwicklungsländern und Umweltbildung in Deutschland eingesetzt wird. Das Angebot hört sich erst einmal sehr verlockend an: Für den ohnehin günstigen Flug legt man noch ein paar Euro drauf und kann ohne schlechtes Gewissen in den Urlaub düsen. Von Skeptikern werden solche Ansätze jedoch immer wieder als „Ablasshandel“ kritisiert.

CO2-Emissionen im Vergleich - zum Earth Overshoot Day Quelle: Atmosfair

Zum Vergleich: Eine Flugreise von Berlin nach Teneriffa stößt 1,35 Tonnen CO2 aus – die Pro-Kopf-Jahresemission in Indien beträgt 1,6 Tonnen. Quelle: Atmosfair.de

atmosfair selbst warnt davor, die Möglichkeit des Kompensierens nicht als Freifahrtschein für klimaneutrales Reisen zu sehen. Zunächst gilt immer: vermeiden und reduzieren. Nur wenn das nicht möglich sei, sei eine Kompensation die beste Lösung.

Nachhaltig reisen

Alternativen zu einer Kurz- oder Mittelstrecken-Flugreise gibt es viele: Interrail bietet verschiedene Angebote und Optionen, um innerhalb Europas mit dem Zug mobil zu sein. Mit dem Global Pass lassen sich sogar bis zu 30 Länder bereisen – mit nur einem Zugticket. Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahren erhalten Vergünstigungen und bei Familien reisen Kinder bis elf Jahren kostenlos mit.

Preislich kann sich oft auch eine Busreise lohnen und das europäische Netz bietet mittlerweile beinahe jede Verbindung. Auf Plattformen wie GoEuro können Bus- und Zugverbindungen sowie Mitfahrgelegenheiten für ganz Europa gesucht und die Preise und Fahrzeiten miteinander verglichen werden.

Eine Fahrt mit dem Nachtzug, wie zum Beispiel zwischen München und Rom, kann ein ganz besonderes Erlebnis sein. Seit dem Fahrplanwechsel 16/17 betreibt die DB zwar keine Schlaf- und Liegewagen mehr, diese wurden jedoch von der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) übernommen. Diese Art des Reisens bietet neben der fast schon nostalgischen Atmosphäre eine deutliche Entschleunigung im Gegensatz zu einer Flugreise. Lästige Security-Checks, lange Warteschlangen am Gepäckschalter und die frühe Anfahrt zum Flughafen können so umgangen werden – und gibt es denn etwas Schöneres als morgens aufzuwachen und die sanften Hügel der Toskana am Fenster vorbeiziehen zu sehen?

Toskana, Quelle: Pixabay

Der Blick auf traumhaft schöne Landschaften wie die in der Toskana lässt sich unterwegs am besten aus dem Zug genießen. Quelle: Pixabay

Für Segelbegeisterte ist außerdem das Prinzip „Hand gegen Koje“ interessant: Durch die Hilfe aller an Deck wird Bordpersonal gespart und die Kosten können untereinander aufgeteilt werden. Auch Unerfahrene haben dadurch die Möglichkeit, ein Abenteuer auf hoher See zu erleben; denn auch Interessierte ohne Segelschein können bei einfachen Arbeiten, etwa in der Küche aushelfen. Im Internet bieten unterschiedliche Portale „Mitsegel-Gelegenheiten“ an. Persönliche Erfahrungen konnte ich damit zwar noch nicht machen, jedoch kann ich mir gut vorstellen so meinen nächsten Sommerurlaub zu verbringen.

Klimafreundliches investieren

Viele deutsche Banken geraten immer wieder in die Schlagzeilen, weil sie klimaschädliche Unternehmen und Projekte finanzieren oder sich an Spekulationen mit Nahrungsmittel beteiligen. Auch sie leisten einen Beitrag dazu, dass der Earth Overshoot Day dieses Jahr schon am 29. Juli ist. Um dieses Vorgehen nicht mit den eignen Ersparnissen zu unterstützen, empfiehlt sich die Geldanlage bei einer ökologisch orientierten Bank, wie der GLS-Bank. In einem  Interview mit dem Team des NATURSTROM-Blogs erklärt Christof Lützel, Pressesprecher der GLS-Bank, warum es wichtig ist, sein Geld sozial-ökologisch anzulegen und worauf Kundinnen und Kunden dabei achten müssen. Neben der GLS-Bank sind auch die Ethikbank, Triodos Bank sowie die Umweltbank dunkelgrüne Alternativen. Bei letzterer habe ich selbst ein Sparkonto. Dem Rechner des UBA zufolge vermeide ich so 2,10 Tonnen CO2 durch die Investition meines Ersparten in die Finanzierung von Erneuerbaren Energieanlagen und anderen klimafreundlichen Projekten. Das höre ich gerne!

Übrigens bietet auch NATURSTROM Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig die Möglichkeit, ihr Geld nachhaltig anzulegen, etwa in Form von Nachrangdarlehen im Rahmen des Baus von Windkraftwerken oder Solaranlagen.

Protestaktionen - auch im Rahmen des Earth Overshoot Day müssen wir ein Zeichen setzen

Bei unbewusstem Konsum führt jeder Euro zu einem höheren CO2-Ausstoß – und gefährdet damit unsere Erde. Foto: Pixabay

Ökologisch konsumieren

Viel zu viele genießbare Lebensmittel wandern in Deutschland aus den Regalen der Supermärkte direkt in die Mülltonne. Eine Bewegung, die seit einigen Jahren dagegen vorgeht, nennt sich „Containern“. Dabei retten Aktivistinnen und Aktivisten bei Nacht- und Nebelaktionen noch genießbare Lebensmittel direkt aus der Tonne. Wem das nicht ganz geheuer ist, der kann auf Portalen wie Foodsharing.de Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, ohne großen Aufwand und in der Regel kostenlos beziehen.

Ein neues Portal, das gerade noch in der Entwicklungsphase steckt, ist Sirplus. Ziel des Social Business ist es, Lebensmittel zu retten, die nicht der Norm entsprechender oder bereits kurz über dem Mindesthaltbarkeitsdatum sind. Anstatt in der Mülltonne zu landen werden die Produkte zurück in den Kreislauf gebracht und vergünstigt über einen Food-Outlet-Laden sowie per Online-Shop verkauft. Im Herbst soll das Projekt mit einem deutschlandweiten Versand starten und demnächst wird schon ein erster Laden in Berlin eröffnet. Dem werde ich dann gleich mal einen Besuch abstatten!

Ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Die Weltbevölkerung steigt stetig und mit ihr auch der globale Ressourcenverbrauch. Der Earth Overshoot Day rückt im Kalender seit Jahren stetig nach vorne. Ein Beispiel: In Indien war Fleischkonsum in vielen Regionen nie ein großes Thema, doch dies scheint sich nun zu ändern: Westliche Konsumentinnen und Konsumenten werden von einer wachsenden Mittelschicht immer häufiger als Vorbilder gesehen. Dieses Phänomen lässt sich in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern beobachten und könnte sich in Zukunft zu einem enormen Problem entwickeln.

Das heißt aber auch, dass wir zunächst unsere eigenen Gewohnheiten hin zu einem nachhaltigen Konsum ändern müssen, bevor wir mit dem Finger auf stark wachsende Bevölkerungen in den weniger entwickelten Teilen der Erde zeigen. Wir treiben die Produktion von Nahrungsmitteln und Gütern auf die Spitze und blasen Abgase in die Luft, die uns – aber vor allem den Generationen nach uns – zur Last fallen werden. Global gesehen benötigten wir am Ende des Jahres 1,7 Erden, um unser Handeln ausgleichen zu können – was uns jedoch bleibt, ist diese eine.

Autor: Matthias Braun, Studentischer Mitarbeiter – Bürgerenergie und Projektbegleitung bei NATURSTROM

naturstrom Team
onlinemarketing@naturstrom.de

Unter diesem Profil schreiben NATURSTROM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, die nicht zu den regelmäßigen Blog-Autoren gehören.

2 Kommentare
  • Andreas Schuller
    Gepostet um 11:19h, 09 August Antworten

    Wir müssen endlich etwas ändern und aufwachen! Stromfresser aus den Haushalten verbannen, günstigen Stromanbieter wählen und Standby abschalten sind da nur der Anfang!

  • Evelyn E.
    Gepostet um 21:27h, 17 Dezember Antworten

    Am Jahresanfang eine Art CO2-Konto einzurichten ist echt eine prima Idee. Sehr guter Artikel. Vielen Dank.

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