Ab April 2025 gibt es eine gewichtige Neuerung in der Energieversorgung: Netzentgelte für Privathaushalte werden in manchen Fällen nicht mehr einheitlich über den Tag erhoben, sondern sie schwanken je nach Tages- und teilweise auch nach Jahreszeit. Wen dies betrifft, was die Neuregelung bringen soll und wie man davon profitieren kann, besprechen wir in diesem Beitrag.
Ein Disclaimer vorab: Erst einmal werden nur Nutzer:innen von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Speichern, Wallboxen und Wärmepumpen zeitvariable Netzentgelte nutzen können. Die Vorgabe ist nämlich Teil der Festlegung der Bundesnetzagentur zum §14a des Energiewirtschaftsgesetzes, welcher genau solche steuerbaren Anlagen adressiert. Mehr zu dieser Festlegung und zu den daraus resultierenden Vergünstigungen lest ihr hier. Aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass zeitvariable Netzentgelte künftig generell eine größere Rolle im Energiesystem spielen werden, das Weiterlesen lohnt also für alle. 😊
Zeitvariable Tarife ab 1.4. 2025
Was also wurde beschlossen? Die Bundesnetzagentur hat festgelegt, dass alle Netzanbieter für eben diese steuerbaren Verbrauchseinrichtungen ab April 2025 zeitvariable Netzentgelte einführen sollen. Diese können je nach Netzgebiet sehr unterschiedlich ausfallen, es gibt hierzu lediglich ein paar Rahmenvorgaben: Und zwar müssen drei Tarifstufen ausgewiesen werden, der Standardtarif, der dem Netzentgelt anderer Privatverbraucher gleicht, einen Hoch- und einen Niedrigtarif. Alle drei Tarifstufen müssen pro Tag mindestens einmal angewendet werden. Das muss aber nicht über das ganze Jahr einheitlich passieren, sondern man kann dies pro Quartal unterschiedlich halten. Insgesamt müssten die Netzbetreiber die zeitvariablen Tarife sogar nur in zwei Quartelen des Jahres zur Anwendung bringen, so dass bspw. solche Tarifstufen nur im Sommerhalbjahr gelten und das Netzentgelt auch für steuerbare Verbrauchseinrichtungen im Winter einheitlich ist – oder umgekehrt.
Was ist der Sinn von zeitvariablen Netzentgelten?
Hintergrund dieser Neuerung ist einerseits die volatile Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, andererseits die sehr unterschiedliche Lage in den einzelnen Netzgebieten. Und auch der über den Tag bzw. übers Jahr schwankende Stromverbrauch spielt dabei eine Rolle. Ziel der zeitvariablen Netzentgelte ist, den Bedarf besser auf die Verfügbarkeit von Sonnen- und Windstrom abzustimmen. In aller Regel werden die Netzbetreiber dann die günstige Tarifstufe im Netz anbieten, wenn viel Ökostrom verfügbar ist – also etwa im Sommer zur Mittagszeit oder nachts im Winter. Dieses Preissignal korrespondiert meist mit einem dynamischen Stromtarif und verstärkt noch den Anreiz, genau in Zeiten mit viel Ökostrom (und wenig Nachfrage) die eigenen flexiblen Verbraucher zu nutzen, also etwa dann sein Elektroauto zu laden oder die Wärmepumpe zu betreiben.
Allerdings kann es auch Netzgebiete geben, die etwa viel Wind und nur sehr wenig Solaranlagen haben, in denen es also gerade nicht von Vorteil wäre, wenn im Sommer alle zur Mittagszeit zusätzliche Verbraucher anwerfen. In einer solchen Region könnte das zeitvariable Netzentgelt also für Sommermittagsstunden eher hoch sein und so den Anreiz aus dem dynamischen Tarif nivellieren. Die niedrigen Netzentgeltstufen wären dann eher für die Zeiten vorbehalten, wenn es auch in diesen Netzgebieten eher viel Strom und zu wenig Nachfrage gibt, wie etwa in der Nacht. Die zeitvariablen Netzentgelte stellen also ein lokales, netzbezogenes Preissignal dar, das den bundesweiten Börsenpreis ergänzt und so bei der flexiblen Steuerung diese Vor-Ort-Gegebenheiten in die angestrebte Verbrauchsverschiebung mit einfließen lässt.
Wie kann ich von zeitvariablen Netzentgelten profitieren?
Die zeitvariablen Netzentgelte können ein großer Vorteil für Haushalte mit steuerbaren Verbrauchern sein – ganz einfach, indem ich die ohnehin flexiblen Bedarfe von Wallbox oder Wärmepumpe bzw. die Beladung eines Speichers in die Zeiten lege, in denen eben das vergünstigte Netzentgelt gilt. Idealerweise, wenn man einen dynamischen Tarif hat und zu diesen Zeiten dann auch der Börsenpreis günstig ist – im besten Fall kann man dann bspw. dann sein Elektroauto quasi zum Nulltarif aufladen. Auf der anderen Seite sollte man vermeiden, viel Strom in den hohen Netzentgeltzeiten zu nutzen, da die Kosten dann über dem üblichen Strombezug liegen können. Wie genau diese Zeitfenster ausgestaltet konkret vor Ort ausgestaltet sind, weisen die Netzbetreiber jeweils aus. Den für den eigenen Haushalt zuständigen Netzbetreiber kann man über folgende Seite herausfinden: https://www.vnbdigital.de/
Nun wollen aber wahrscheinlich die wenigsten Menschen beispielsweise nachts um zwei aufstehen, um dann das Elektroauto in die Wallbox zu stecken, weil dann das günstige Niedrig-Tarif-Zeitfenster anfängt. Das muss aber auch nicht sein. Moderne Energiemanagementsysteme oder Apps zu dynamischen Tarifen wie bei naturstrom smart können automatisiert die günstigsten Stromverbrauchszeiten für steuerbare Geräte nutzen. Dabei wird sowohl die Entwicklung der Börsenpreise wie auch die jeweils geltenden Netzentgeltkosten berücksichtigt.
Ich bekomme bereits Vergünstigungen bei den Netzentgelten, verliere ich diese mit den zeitvariablen Netzengelten?
Schon bislang haben Haushalte mit steuerbaren Verbrauchern von reduzierten Netzentgelten profitiert – als Ausgleich dafür, dass die Netzbetreiber auf diese Geräte zugreifen und deren Leistung im Fall einer übermäßigen Netzbelastung drosseln können. Dies ist entweder in Form eines pauschalen Abschlags auf die Netzkosten geschehen („Modul 1“), der zwar netzbetreiberindividuell berechnet wird, aber man konnte immer mit einem niedrigen dreistelligen Entlastungsbetrag pro Jahr rechnen. Alternativ konnten die Haushalte einen um 40 Prozent reduzierten Arbeitspreis bei den Netzentgelten wählen – dafür brauchte es jedoch einen eigenen Stromzähler für die betreffende Verbrauchseinrichtung („Modul 2“).
Die zeitvariablen Netzentgelte kommen nun als Modul 3 dazu – allerdings nicht alternativ, sondern ergänzend zu Modul 1. Bisherige Nutzer der (standardmäßigen) Entlastung über Modul 1 können nun also zusätzlich profitieren – müssen den entsprechenden Nutzungswunsch aber explizit anmelden. Haushalte, die Modul 2 nutzen, können hingegen nicht auf die zeitvariablen Netzentgelte zurückgreifen, könnten aber zu Entlastungs-Modul 1 (zurück)wechseln und dieses mit den zeitvariablen Netzentgelten kombinieren.
Der Ausblick: Wie geht es bei (zeitvariablen) Netzentgelten weiter?
Die Einführung der zeitvariablen Netzentgelte ist eine sinnvolle Regelung, um in dem Preissignal des Stromtarifs die jeweilige lokale Netzsituation mit einfließen zu lassen und so netzdienlichen Stromverbrauch anzureizen. Idealerweise ergänzt dieses lokale Signal einen dynamischen Tarif, der die bundesweite Situation im Strommarkt widerspiegelt. So würde sowohl die generelle Erzeugungssituation als auch die Belastung des Netzes vor Ort in einem gemeinsamen Strompreis zusammenfließen.
Bisher sind diese zeitvariablen Netzentgelte ja aber statisch festgelegt und sollten zwar gut die zeitliche Entwicklung der Netzbelastung darstellen, aber es ist eben noch keine wirklich intelligente und dynamische Lösung, die die tatsächliche Situation widerspiegelt. Aktuell gibt es auch nicht genug Sensorik in unseren Verteilnetzen, um eine solche Lösung umzusetzen. Aber es finden aktuell viele Entwicklungen in diese Richtung statt und in einigen Jahren werden wir daher sicher nicht nur diese in drei Stufen und für feste Zeitblöcke festgelegten leicht variablen Netzentgelte sehen, sondern eine sehr viel dynamischere Bepreisung der Netzkapazitäten in Echtzeit. Dann vielleicht sogar nicht nur für ein ganzes Netzgebiet, sondern für einzelne Netzknoten. Unterschiedliche Teile einer Gemeinde könnten – zumindest für die steuerbaren Verbraucher – dann je nach Zeit und je nach Verfügbarkeit etwa von Solarstrom ganz unterschiedliche Preise für die Netznutzung bekommen. Mit solch transparenten Informationen könnten Verbraucher:innen bzw. deren Energiemanagementsysteme noch besser auf die Lage in Markt und Netz reagieren. Das ist zwar noch einige Jahre weg, aber es bleibt spannend. 😊
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Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.
Eine Antwort
Der Artikel liefert eine umfassende Einführung in das Thema zeitvariable Netzentgelte und beleuchtet deren Bedeutung für die Energiewirtschaft sowie die Verbraucher. Besonders gelungen ist die klare Erklärung, wie diese neuen Tarifmodelle funktionieren und welche Vorteile sie für Haushalte mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen bieten können.
Hervorzuheben ist die praktische Perspektive: Die Erläuterung, wie moderne Energiemanagementsysteme und dynamische Tarife genutzt werden können, macht das komplexe Thema greifbar. Zudem wird anschaulich dargestellt, wie lokale Netzgegebenheiten in die Preisgestaltung einfließen und welchen Beitrag dies zur besseren Integration von erneuerbaren Energien leisten kann.
Ein kleiner Kritikpunkt könnte sein, dass die zukünftigen Entwicklungen, wie eine echtzeitdynamische Bepreisung, nur kurz angerissen werden. Eine detailliertere Diskussion dazu wäre spannend gewesen.
Insgesamt ein lesenswerter Beitrag, der die Relevanz der neuen Regelungen verständlich macht und wichtige Tipps gibt, wie Verbraucher von diesen profitieren können. Besonders für Besitzer von Wallboxen oder Wärmepumpen ein wertvoller Leitfaden!