Zahl des Monats: Weiterbetrieb von Altanlagen könnte 1,6 Milliarden Euro einsparen

Man stelle sich vor: Tausende funktionierende Windparks liefern keinen Strom mehr. Der Grund: Ihre Besitzer können sich ihren Weiterbetrieb nicht mehr leisten. Denn sie gingen vor 20 Jahren ans Netz – und müssen nun ohne EEG-Förderung auskommen. Dieses Schreckensszenario könnte ab 2021 wahr werden – und Deutschland bis zu 1,6 Milliarden Euro kosten.

„Der Weiterbetrieb alter Anlagen wird in vielen Fällen kein Selbstläufer sein. Und was mit den Anlagen nach 2021 geschehen wird, ist nicht nur für den einzelnen Windmüller wirtschaftlich relevant, sondern auch für die Allgemeinheit“, weiß NATURSTROM-Vorstand Oliver Hummel. Denn: Berechnungen zufolge könnte der Weiterbetrieb alter Anlagen den EEG-Topf bis Ende 2026 um bis zu 1,6 Milliarden Euro entlasten.

„Funktionstüchtige Altanlagen produzieren im Schnitt sehr günstig sauberen Strom. Deshalb ist es für die Energiewende, aber auch für jeden einzelnen Stromkunden am besten, wenn sich alte Windräder noch ein paar Jahre weiterdrehen. Sie gegen Neuanlagen auszutauschen, erhöht die Kosten für das EEG-System“, so Hummel weiter. Grundlage der Berechnungen sind Daten der Übertragungsnetzbetreiber, der Bundesnetzagentur und aus aktuellen Studien.

Im schlimmsten Fall würden die Altanlagen mit Ablauf ihrer EEG-Förderung stillgelegt werden. Um diesen Verlust an Ökostrom zu kompensieren, müssten neue Anlagen her. Deren Bau frisst nicht nur Ressourcen, sondern auch Geld. Allein 2021 fallen Windräder mit einer Leistung von rund 4.000 Megawatt, die vor 20 Jahren oder früher in Betrieb genommen wurden, aus der EEG-Förderung. Tausende Anlagen werden jährlich folgen. Bis 2026 sind rund 30 Prozent der aktuell installierten Windenergie-Leistung betroffen.

„Der Worst Case wird nicht eintreten, da sind wir uns ziemlich sicher“, gibt Hummel zumindest zum Teil Entwarnung. Dafür sorgen Akteure der Energiewende wie NATURSTROM – zum Beispiel mit dem Kauf des eines Windparks in Nordhessen.

Dominique Czech
dominique.czech@naturstrom.de

ist seit April 2018 dabei und schreibt für naturstrom über alles rund um die Energiewende. Jenseits des Büros bewegen sie die Themen Ernährung, Konsum und Mobilität – aber bitte in nachhaltig.

2 Kommentare
  • Chiara Przybilla
    Gepostet um 03:50h, 03 April Antworten

    Danke für euer Engagement!

    Ich habe gelesen, dass einer der großen Stromanbieter den Betroffenen anbietet, dass die eigenen Experten prüfen, ob Neubau, Weiterbetrieb oder Stilllegung die günstigste Variante ist, und die Firma dann auch gleich hilft, das umzusetzen. – Ich frage mich nur, wem das letztendlich nützt?

    Habt ihr einen Überblick, wie die Lage der Betroffenen aussieht? Helfen PPA, die ja teilweise schon unterschrieben, teils in der Pipeline sind? Welche Möglichkeiten hat, welche Rolle spielt Naturstrom? – auch jenseits vom kompletten Kauf einer Anlage?

    Freundliche Grüße

    Chiara Przybilla

    • Tim Loppe
      Gepostet um 16:49h, 10 April

      Hallo Chiara Przybilla,

      du stellst einige sehr gute Fragen. Mal sehen, ob ich sie in der gebotenen Kürze beantworten kann.

      Zunächst zur Lage der „Betroffenen“, also der Windmüller: Verlässliche Daten sind hierzu schwer zu bekommen. Es muss befürchtet werden, dass für viele Altanlagen kein Repowering in Frage kommt, da heute z. B. andere Abstandsregelungen gelten als zu Zeiten der Windenergie-Pioniere Ende der 1990er. Selbst in den Fällen, in denen der Standort ein Repowering zulässt, ist fraglich, ob sich Bürgerenergiegesellschaften oder private Eigentümer alter Windenergieanlagen mit ihrem kleinen Repowering-Projekt in ein Ausschreibungsverfahren wagen, wie es das Erneuerbare-Energien-Gesetz seit 2017 vorsieht. In solchen Ausschreibungen besteht das Risiko, dass ein Projekt trotz beträchtlicher Vorleistungen keinen Zuschlag erhält und somit nicht umgesetzt werden kann. Akteure, die dieses Risiko nicht auf mehrere Projekte streuen können, sind hierdurch strukturell gegenüber größeren Projektentwicklern im Nachteil.

      Was die Ertragslage alter Windenergieanlagen angeht, wird das Bild ebenfalls uneinheitlich sein. Anlagen an guten Küstenstandorten haben eine deutlich höhere Ausbeute als Anlagen im Binnenland, die in früheren Jahrzehnten noch nicht so dezidiert auf Schwachwindverhältnisse hin designt waren wie moderne Anlagen. Im Gegenzug ist der Wert des Stroms bei küstennahen Anlagen aber auch geringer, da sich die vielen Windparks im Norden gegenseitig „kannibalisieren“: Sehr viele Anlagen produzieren zur gleichen Zeit, das drückt für alle die Preise im Stromgroßhandel.

      PPA, also langfristige Lieferverträge, helfen den Anlagenbetreibern natürlich insofern, als sie ein gewisses Maß an Sicherheit bringen. Wobei da auch viel an der Vertragsgestaltung und der Risikoaffinität des Anlagenbetreibers hängt.

      Die Quintessenz ist am Ende also: An einer individuellen Beurteilung führt kein Weg vorbei.

      Tja, und welche Rolle spielt da NATURSDTROM? Wir haben ein Paket geschnürt, mit dem wir sowohl die Erträge alter Windenergieanlagen optimieren als auch ihre Kosten senken können. Die Ertragsseite ist seit jeher unser Steckenpferd. NATURSTROM ist der einzige unabhängige Ökostromanbieter, der nicht nur einen größeren Stamm an Privat- und Gewerbekunden mit Ökostrom im Premiumsegment beliefert, sondern zugleich auch ein umfangreiches Portfolio in der Direktvermarktung aufgebaut hat. Aktuell vermarkten wir rund 900 Megawatt Wind- und Solarenergie im Großhandel. Vor mehr als zehn Jahren war NATURSTROM der erste Anbieter in Deutschland, der Windstrom aus dem EEG herausgekauft und für die Belieferung der eigenen Kunden eingesetzt hat. In diesem Bereich haben wir also viel Knowhow und Kontakte aufgebaut. Mit einer Beteiligung am auf Altanlagen spezialisierten Servicedienstleister StiegeWind GmbH haben wir uns zudem Expertise in der technischen Betriebsführung sowie in den Bereichen Service und Wartung aufgebaut. Diese Dienste bieten wir – ergänzt um die kaufmännische Betriebsführung – Betreibern von Altanlagen an. Der Kauf von Anlagen – wie z. B. hier geschildert – ist für uns also nur eine von vielen Varianten der Zusammenarbeit mit Betreibern von Altanlagen.

      So, kurz wie die Antwort nun doch nicht. Ich hoffe, sie hilft dir dennoch weiter!

      Viele Grüße
      Tim

Post A Comment