Was geschah und geschieht bei der Energiewende? Eine Bilanz zum Jahreswechsel 2020/21

Mit dem 1. Januar 2021 startete nicht nur kalendarisch eine neue Dekade. Rund um dieses Datum war und ist auch energiepolitisch einiges los, und diese Umwälzungen setzen sich auch in den kommenden Monaten fort. Vom EU-Klimagesetz über das neue EEG inklusive den ersten Erneuerbaren-Altanlagen bis hin zum beginnenden Kohleausstieg geschieht gerade eine ganze Menge in Sachen Energiewende – wenn auch, so viel sei vorweggenommen, weiterhin noch zu wenig. Gemeinsam mit euch machen wir ein Rück- und wagen einen Ausblick.

Der Jahreswechsel 2020/21 war ein ganz spezieller. Nach vielen Entbehrungen des vorangegangenen Pandemiejahres symbolisierte das Neujahrsdatum dieses Mal noch mehr als sonst die Hoffnung auf Aufbruch und Besserung. Das gilt auch beim Klimaschutz: Laut vielen Expert*innen ist das neue Jahrzehnt unsere letzte Chance , die Ziele aus dem Pariser Klimaschutzübereinkommen noch einhalten zu können. Immerhin ist in Deutschland und Europa in den letzten Wochen des Jahres 2020 einiges bei Klimaschutz und Energiewende passiert, und auch der Beginn von 2021 hat es in sich. Wir sortieren das Ganze für euch.

Das Europäische Klimaschutzgesetz: großer Rahmen mit potenziell großer Wirkung

Nach den Wahlen des Europäischen Parlaments und der Konstituierung der neuen Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen 2019 hat das Thema Klimaschutz in der EU im vergangenen Jahr an Bedeutung gewonnen – allen voran in Gestalt des Klimaschutzgesetzes. Es verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, den nationalen Ausstoß von Treibhausgasen maßgeblich zu senken. Eine entscheidende Wegmarke dafür fand kurz vor Jahresende statt: Mitte Dezember einigten sich die Staatschef*innen auf ein gemeinsames Klimaziel. Statt der bisher angestrebten Reduktion um 40 Prozent gegenüber 1990 wollen die Mitgliedsstaaten ihr Ziel auf minus 55 Prozent aufstocken– und das sogar ohne Großbritannien als einem der bisherigen Vorreiter. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments fordern sogar einen Wert von -60 Prozent. Über die endgültige Ausgestaltung verhandeln aktuell Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament im so genannten Trilog. Klar ist aber: Es wird deutlich ambitionierter, was sich auch auf die Energiewende-Anstrengungen hierzulande auswirken wird.

Das EEG 2021: zwischen Licht und Schatten und Wartestellung

Angekündigt war der erste Entwurf für eine EEG-Novelle schon für das Frühjahr 2020, präsentiert wurde das Dokument allerdings erst Ende September. Die Verabschiedung dieser so zentralen Energiewende-Grundlage erfolgte dann in der letzten Bundestagssitzung 2020 kurz vor Weihnachten. Dringlich war das vor allem deswegen, weil mit dem 1.1.2021 erstmals die 20-jährige EEG-Förderperiode für Erneuerbare-Altanlagen endete und zuvor vollkommen unklar war, wie es mit diesen weitergehen sollte. Aber auch viele andere Weichenstellungen waren vorzunehmen – nicht zuletzt eine Erhöhung des Ausbautempos der Erneuerbaren, das durch höhere EU-Klimaschutzziele, den beginnenden Kohle- und den bald abgeschlossenen Atomausstieg sowie durch den wachsenden Stromverbrauch durch Wärmepumpen und Elektromobilität notwendig wird.

Im Detail hat sich die EnergieAgentur.NRW in einem ausführlichen Blogbeitrag den Neuregelungen des EEG 2021 gewidmet, wir wollen es bei einer kurzen Einordnung belassen:

Gut ist, dass es überwiegend sinnvolle Anschlussregelung für ausgeförderte Anlagen gibt. Gerade kleine Solaranlagen wären sonst wohl abgeschaltet worden. Und auch für Windenergieanlagen brauchte es durch die Corona-Verwerfungen eine Nachfolgelösung, die wir uns zwar hätten besser vorstellen können, aber besser als nichts. Positiv sind ebenfalls die ausgeweiteten Eigenverbrauchsmöglichkeiten, das eigene Fördersegment für große Solar-Dachanlagen und die Verbesserungen beim Mieterstrom. Auch dass eine komplett treibhausgasneutrale Stromversorgung noch vor 2050 nun im EEG als Ziel genannt wird und dafür die Zwischenmarke und Ausbaupfade für 2030 angehoben wurden, ist erstmal natürlich ein guter Schritt – allerdings bleibt die im EEG vorgesehene Dynamik zu gering.

Und damit sind wir leider bei den doch zahlreichen negativen Punkten der Novelle. Zentral sind hier sicher die trotz Erhöhung zu geringen Ausschreibungsmengen – immerhin haben das die Regierungsfraktionen mittlerweile selbst erkannt und für das erste Quartal 2021 Nacharbeiten versprochen. Auch die Ausweitung des Vergütungsausfalls in Zeiten negativer Preise wirkt kontraproduktiv, da dies die (Re-)Finanzierung neuer Anlagen erschwert. Umfangreichere Verpflichtungen zum Smart-Meter-Einbau, zur Messung und Steuerung der Anlagen verkomplizieren darüber hinaus neue Erneuerbaren-Projekte. Und generell bleiben viele grundsätzliche Fragen zum Strommarktdesign, zur Verbesserung der Genehmigungssituation oder zum Repowering offen.

Erneuerbare dominieren Stromsystem, Kohleausstieg beginnt

Der Jahreswechsel ist auch immer eine Zeit, Bilanz zu ziehen– was wurde im letzten Jahr erreicht, wie geht es im folgenden weiter? Im Strommarkt steht fest, dass die Erneuerbaren ihre Führungsstellung 2020 weiter ausgebaut haben. Sie sind nicht nur zusammengenommen erneut und mit wachsendem Abstand der wichtigste Energieträger, auch unter den einzelnen Energiequellen ist die Windenergie die wichtigste und trägt mehr zur deutschen Stromerzeugung bei als Braun- und Steinkohle zusammen. Je nach genauer Bezugsgröße erreichen die Erneuerbaren einen Anteil von knapp unter oder knapp über 50 Prozent der Stromerzeugung. Der deutlich angestiegene Anteil 2020 lag zwar auch an der durch Corona insgesamt gesunkenen Erzeugungsmenge, dennoch wird durch den zunehmenden Wegfall konventioneller Kraftwerke die Entwicklung in dieser Richtung weiter gehen – nicht zuletzt, weil alte Windenergieanlagen und neue Solarparks inzwischen ganz ohne Förderung im Strommarkt bestehen.

Zudem hat 2020 der Kohleausstieg begonnen – wenn auch wiederum zu zögerlich. Den Rahmen für diesen Prozess bildet das Anfang 2020 beschlossene Kohleausstiegsgesetz. Ein drauf basierender Vertrag mit den Braunkohlebetreibern zur Stilllegung, der allerdings ein Enddatum erst 2038 und auch nur ein langsames Ausstiegstempo vorsieht, folgte Mitte des Jahres. Und auch mit der Steinkohle hat es sich bald ausgestromt: Im Gegensatz zur Braunkohle wird der Ausstieg hier über deutlich ambitioniertere Ausschreibungen organisiert. Insgesamt 4,7 Gigawatt Steinkohleleistung wurden in dieser ersten Runde bezuschlagt, deren Ergebnisse am 1. Dezember veröffentlicht wurden. Seit Jahresanfang 2021 nehmen diese Kraftwerke also nicht mehr am Strommarkt teil – unter ihnen auch große, moderne und vergleichsweise effiziente Erzeugungseinheiten wie Moorburg in Hamburg. Das zeigt nicht nur die wirtschaftlich verheerende Situation der Kohlekraftwerke, die mit den Erneuerbaren nicht mithalten können, sondern lässt auch hoffen, dass die verbleibenden fossilen Stromerzeuger in den verbleibenden Jahren ihres Betriebs möglichst wenig Strom und damit Emissionen produzieren. So könnte der Kohleausstieg ganz unabhängig von den im Gesetz festgehaltenen Plänen allein marktgetrieben deutlich schneller vonstattengehen. Immerhin wird diese Möglichkeit in der Regelung ausdrücklich offengehalten.-

Trotz des zu langsamen Veränderungstempos ist also auch beim deutschen Kraftwerkspark immerhin ein Wandel eingeleitet, für viel fossile Kapazität ist das vergangene Jahr gleichbedeutend mit einem Abschied auf Raten oder direkt auf Nimmerwiedersehen. Parallel gehen auch die letzten Atomkraftwerke auf die Zielgerade ihres Betriebs, spätestens 2022 stoppen die letzten Vertreter dieser Art ihre Produktion und das Stromsystem wird endgültig durch die Erneuerbaren geprägt – dazu ist es dann aber natürlich auch erforderlich, insbesondere Wind- und Solarenergie weiter und schneller als bisher auszubauen.

Weniger Emissionen auch bei Wärme und Verkehr mit CO2-Preis & Co.

Nachdem im Stromsektor der Durchbruch der Erneuerbaren längst geschafft ist, sollen nun auch der Wärme- und Verkehrssektor nachziehen. Zentrales Instrument hierzu ist der CO2-Preis. Wer die schon häufig genannte Bewertung „nicht verkehrt, aber dennoch zu wenig und zu spät“ auch hier anwenden will, liegt nicht ganz falsch. 😉

Auch Grenzwerte, Vorgaben und Förderprogramme sollen zu einem Rückgang der Emissionen beitragen – etwa die EU-Flottenvorgaben für Fahrzeuge, das (leider lückenhafte) Verbot neuer Ölheizungen und Förderprograme für Elektroautos, Ladestationen und klimaschonende Wärmetechnologien. Immerhin scheint es so, als ob auch in diesen Bereichen 2020 eine neue Dynamik entfacht werden konnte: Das Wärme-Förderprogramm kann neue Rekordzahlen vermelden, Wärmepumpen, die schon länger die wichtigste Heizungsart im Neubau sind, werden jetzt auch im Gebäudebestand genutzt und die Zulassungszahl von Elektroautos ist enorm gestiegen, während der Verkauf konventionell betriebener Pkw zurückging.

Unterm Strich hat 2020 doch einige Weichen in Richtung mehr Klimaschutz gestellt. In vielen Bereichen ist etwas in Bewegung gekommen, wenn auch noch mit zu wenig Dynamik. 2021 gilt es, hier weiterzumachen – in Deutschland, der EU und der Welt. Die USA, einer der größten Treibhausgasemittenten der Welt, hat immerhin schon einen demokratischen Schwenk zu mehr Klimaschutz vollzogen – durch die Wählerinnen und Wähler und die neu vereidigte Regierung. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch hierzulande der Klimaschutz bei den vielen anstehenden Wahlen zu Landesparlamenten und zum Bundestag ein wichtiger Faktor erweist. Mit diesem halbwegs optimistischen Ausblick wünschen wir allen Leser*innen noch ein gutes neues Jahr 2021! 😊

Sven Kirrmann
sven.kirrmann@naturstrom.de

Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.

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