Die Ampel hat viel für die Energiewende erreicht, aber für eine klimaneutrale Energieversorgung bleibt weiterhin viel zu tun. Deswegen zeigen wir in insgesamt vier Themenbereichen, was aus naturstrom-Sicht energiepolitisch in der nächsten Legislatur – gleich in welcher Parteien-Konstellation – angepackt werden muss. Die Details zu den ersten beiden unserer insgesamt vier Kernforderungen gibt’s hier.
1. Investitionen sicherstellen
Prosperierende Gesellschaften brauchen verlässliche Rahmenbedingungen – und eine intakte Umwelt. Es ist daher unverzichtbar, die deutsche Wirtschaft endlich konsequent auf Klimaschutz auszurichten und vorausschauend in zukunftsfähige Technologien zu investieren. Ein ständiges Hin und Her, obwohl die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Klimaneutralität von Wirtschaft und Gesellschaft klar ist, schadet allen: Unternehmen, Gesellschaft und dem Klima.
Klare Rahmenbedingungen schaffen Wachstumsimpulse für die zuletzt schwächelnde Wirtschaft. Und gleichzeitig erschließen sie das gewaltige Potenzial privater Investitionen, die so zu einem riesigen Hebel für effektive CO2-Reduktionen werden.
Weichenstellungen beibehalten
Alle demokratischen Parteien haben sich zu dem Klimaschutzübereinkommen von Paris bekannt. Damit Unternehmen ihre Geschäftsmodelle entsprechend ausrichten und die notwendigen Investitionen tätigen, braucht es politische Verbindlichkeit und verlässliche Gesetzgebung, die dieses Übereinkommen zu Grunde legt.
Das heißt konkret: kein Infragestellen oder Verschieben der bisherigen Emissionsreduktionspfade und flankierender Regulierung – vom Klimaschutzgesetz über Vorgaben zur Gebäudeenergienutzung bis zu den Grenzwerten für die Autoindustrie.
Wirksamer CO2-Preis
Preise für CO2 machen die enormen Schadenskosten fossiler Energieträger transparent und lenken Investitionen marktlich in klimafreundliche Technologien. Ein wachsender CO2-Preis ist daher ein zentraler Pfeiler einer wirksamen Klimaschutzpolitik.
Die bisherigen europäischen Pläne zum CO2-Emissionshandel müssen daher weiterverfolgt werden, idealerweise abgesichert durch einen nationalen Mindestpreis. (Spoiler: Ums Klimageld, das einen sozialen Ausgleich für die wachsenden Kosten für Endverbraucher:innen bringt und über den CO2-Preis finanziert werden könnte, geht’s beim nächsten Mal.)
Klimaschutzverträge ausbauen
Mit Klimaschutzverträgen unterstützt der Bund Unternehmen dabei, ihre Produktionsanlagen klimafreundlich umzurüsten. Hierfür gleicht er die Kosten-Differenz klimaschonender Produktionslösungen gegenüber bisherigen fossilbasierten Prozessen aus.
Gerade für die energieintensive Industrie schaffen die Verträge eine Perspektive, klimafreundliche Produktion und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu vereinen. Gleichzeitig fördern sie Innovation und geben so weitere Wachstumsimpulse.
Um der Wirtschaft Planungssicherheit zu geben, müssen die Klimaschutzverträge erhalten und ausgeweitet werden. Deutschland sollte seiner Vorreiter-Rolle als erstes Land in der EU mit solchen Zukunftsverträgen treu bleiben.
Fossile Subventionen abbauen
Noch heute stecken wir Steuergeld in fossile Nutzungsmodelle. Jedes Jahr bremsen rund 65 Mrd. Euro klimaschädliche Subventionen wie die vergünstige Dieselsteuer oder die Pendlerpauschale die Transformation hin zur Klimaneutralität.
Solche Fehlsteuerungen gilt es abzubauen, um einen wirklich fairen Markt für Klimaschutzlösungen zu ermöglichen. Mit dem eingesparten Steuergeld sollten stattdessen zukunftsfähige Technologien und Programme zu fördern.
In Zukunft investieren
Privates Engagement ist sehr wichtig für den Klimaschutz, aber der Staat muss bei diesem grundlegenden Modernisierungsprozess vorangehen können. Die Schuldenbremse erweist sich hierbei allerdings als riesiger Bremsklotz.
Damit Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Wirtschaft (kurz: die Zukunft) möglich werden, bedarf es daher einer Reform der Schuldenbremse (und/oder neuer Einnahmen). Die bisherige schwarze Null im Staatshaushalt wird durch fehlende Instandhaltung und Weiterentwicklung unserer Infrastruktur sowie zunehmende Schadenskosten der Klimakrise erkauft – so kann es nicht weitergehen.
2. Strommarkt reformieren
Im Stromsektor ist die Energiewende schon weit vorangeschritten. Erneuerbare haben bereits einen Anteil von rund 60 Prozent, in wenigen Jahren sollen 80 Prozent am Stromverbrauch erreicht sein.
Dazu muss einerseits der weitere Zubau abgesichert werden. Gleichzeitig ist aber nötig, das bisherige, noch stark auf fossile Energieträger ausgerichtete Marktdesign für hohe Anteile von Solar- und Windstrom weiterzuentwickeln – insbesondere durch mehr Flexibilität.
EEG erhalten
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schafft seit 2000 sichere Rahmenbedingungen für Ökostrom (und ist damit ein echter deutscher Gesetzes-Exportschlager). Denn durch den Einspeisevorrang und staatliche Preisabsicherungen stellt es die Refinanzierung von Solar- und Windparks sicher – gerade auch für kleinere Akteure.
Gänzlich unumstritten ist es aufgrund der laufenden Kosten für die Förderungen jedoch nicht, auch wenn das Volumen der staatlichen Unterstützung aufgrund des Auslaufens sehr teurer Förderverträge aus den Jahren 2007-2012 in den kommenden Jahren weniger wird. Auch bringt der heutige Strommarkt mit hohen Anteilen von Wind- und Solarstrom neue Herausforderungen mit sich. Eine Weiterentwicklung des EEG ist daher sicher sinnvoll, eine Abschaffung oder ein kurzfristiger Komplettumbau – wie von einzelnen Politiker:innen gefordert – wäre jedoch völlig kontraproduktiv. Hier zu sparen, ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch langfristig teurer.
PPA ermöglichen
Längst läuft ein relevanter Teil des Erneuerbaren-Ausbaus ganz ohne staatliche Förderung. Über sogenannte Power-Purchase-Agreements (PPAs) refinanzieren sich etwa große Offshore- oder Solar-Projekte rein privatwirtschaftlich.
Um dieses Segment noch zu vergrößern, braucht es unterstützende Rahmenbedingungen wie Bürgschaften oder zinsgünstige Kredite, aber auch weiterhin eine Wechselmöglichkeit für geförderte Anlagen in die freie Vermarktung. Flexibilität ist wieder einmal DAS Stichwort für das Energiesystem der Zukunft.
Strommarkt flexibilisieren
Der Strommarkt muss digitaler und flexibler werden. Der Smart-Meter-Rollout muss endlich durchstarten. Denn die digitalen Zähler ermöglichen dynamische Stromtarife und gesteuerten Strombezug.
So können Speicher und neue Verbraucher genau dann Strom nutzen, wenn er besonders grün und günstig ist – und diesen teilweise bei wenig EE-Produktion auch rückspeisen.
Bei diesem Punkt liegt Deutschland mindestens zehn Jahre hinter vergleichbaren Ländern in Europa, die längst großflächig digitalisiert haben.
Speicher aktivieren
Strom braucht Speicher – und die haben wir: Die Vielzahl an Solarbatterien und Elektroautos bietet bereits heute ein enormes Potenzial, das auch noch weiter wachsen wird. Bisher wird dies aufgrund regulatorischer Beschränkungen aber noch nicht optimal genutzt, das muss sich ändern.
Und für die Vielzahl an geplanten Groß-Speichern braucht es ebenfalls sinnvolle Regeln, etwa den Entfall von Baukostenzuschüssen und einfachere Einsatzmöglichkeiten für Co-Location-Speicher, die sich einen Netzanschluss mit neuen oder bestehenden Erneuerbaren-Energien-Anlagen teilen.
Auch das bidirektionale Laden von E-Autos spielt hier eine wichtige Rolle und könnte das Speichervolumen und damit die Absicherung gegenüber Dunkelflauten mittelfristig vervielfachen.
Absicherung organisieren
Wind und Sonne sind nicht immer verfügbar. Kurzzeit-Speicher und flexibler Verbrauch können den Großteil der Schwankungen schon abdecken. Ab und zu braucht es jedoch auch Backup-Kraftwerke, für die die Rahmenbedingungen aber bisher fehlen.
Bei einem klaren Commitment der Politik ließe sich das privatwirtschaftlich organisieren, staatliche Kapazitätsausschreibungen enden oft in einer Über- und Neusubventionierung fossiler Kraftwerkslösungen. Dabei gibt es viel mehr Potenziale: Neben Speichern und steuerbaren Öko-Erzeugern kann etwa auch Lastflexibilität eine große Rolle spielen. Klar ist: Jedes neue System muss für Erneuerbare und Flexibilitätstechnologien offen sein.
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Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.
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unterstützt seit Juni 2022 das Presseteam bei naturstrom. Zuvor arbeitete er im Veranstaltungsmanagement der Verbraucherzentrale NRW und beschäftigte sich dort mit den Themen Energie und Energieberatung.