Die Stromkennzeichnung: Orientierungshilfe auf der Stromrechnung

Die Stromkennzeichnung soll Vebraucher:innen mehr Orientierung im Tarifdschungel geben, indem sie das konkrete Einkaufs- und Lieferverhalten der Energieversorger nachvollziehbar macht. Allerdings hat ihre bisherige Ausgestaltung Grenzen und Schwächen – gerade hinsichtlich des Erneuerbaren-Anteils und -Zubaus entstehen falsche Eindrücke. Wir stellen das Verbraucherschutzinstrument vor und zeigen, wo Verbesserungsbedarf besteht.

Der Energieverbrauch ist der größte Emissionstreiber eines Durchschnittshaushalts in Deutschland. Entsprechend kann man über die Wahl der Heizung, über das eigene Mobilitätsverhalten und vor allem über die ganz einfache Wahl eines echten Ökostromtarifs die eigene Klimaschutz-Bilanz massiv beeinflussen. Gerade im Strombereich geht das ganz einfach und es gibt eine große Auswahl an Angeboten. Dieser Überfluss macht aber natürlich die Entscheidung nicht ganz einfach, insbesondere, da allein die Vermarktung eines Tarifs als „Ökostrom“ noch lange nichts über dessen Beitrag zur Energiewende aussagt.

Aber zum Glück gibt es Hilfestellungen: Neben privaten Zertifizierungen für klima-qualitativ besonders hochwertige Angebote, etwa über das Grüner Strom Label oder das OK Power Label, sowie Tests von vertrauenswürdigen Organisationen wie etwa von Ökotest oder Robin Wood gibt es auch gesetzliche Verpflichtungen, die alle Stromanbieter einzuhalten haben und die für mehr Transparenz sorgen sollen – insbesondere die Stromkennzeichnung.

Was ist die Stromkennzeichnung?

Die Stromkennzeichnung ist quasi eine  grafische Aufbereitung der Energiebeschaffung des Versorgungsunternehmens. So sollen Verbraucher:innen auf einen Blick erkennen können, welche Energieträger konkret für den eigenen Strombedarf genutzt werden und wie hoch der Öko-Anteil ist. Diese Stromkennzeichnung muss sowohl auf den Websites der Anbieter als auch auf der jeweiligen Stromrechnung hinterlegt werden. Die Verpflichtung dazu ist europarechtlich gefordert, in Deutschland wird die Umsetzung im Paragrafen 42 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) geregelt.

Üblicherweise in Form von drei Tortengrafiken wird hier auf einen Blick erfassbar dargestellt:

  • der Energieträgermix des gebuchten Stromtarifs (Produktmix)
  • der Beschaffungsmix des Energieversorgers über alle Tarife hinweg (Unternehmensmix)
  • und zum Vergleich der gesamte deutsche Strommix.

 

Auf der naturstrom-Website sieht das etwa wie folgt aus:

Dabei ist zu beachten, dass die Zusammensetzung des Strommixes für ein bestimmtes Kalenderjahr immer erst im Folgejahr ausgewertet wird, die Grafiken in der Regel also jeweils einen etwas älteren Stand zeigen. Generell gilt: Ab August können Stromanbieter die Stromkennzeichnung für das vorangegangene Jahr erstellen, innerhalb von drei Monaten, also bis spätestens November des Folgejahrs, muss dieser Nachweis veröffentlicht sein. Normalerweise gibt es dabei von einem auf das andere Jahr kaum große Änderungen. Ab dem Jahr 2021 ist unser Strommix gegenüber zuvor nochmal deutlich bunter geworden, wie wir hier beschrieben haben.

Was zählt: Der Unternehmensmix

Wichtig ist bei der Kennzeichnung die Angabe eines Unternehmensmixes, der die gesamten Stromeinkäufe der Anbieter zusammenfasst – im Beispiel die Torte oben in der Mitte. Vor 2021 gab es zwar auch in bestimmten Fällen eine entsprechende Angabe, aber dann inklusive des Anteils von EEG-Strom, der ja von fast allen Stromverbraucher:innen bezahlt wurde und daher auch in der Stromkennzeichnung sichtbar sein sollte. Dies führte aber dazu, dass die Beschaffung der Unternehmen deutlich grüner aussah, als sie wirklich war.

Im konkreten Produktmix, also in der Kennzeichnung der konkret genutzten Energieträger für den jeweiligen Tarif, ist dies auch heute noch so. Der 2022 eingeführte Unternehmensmix macht aber transparent, wie sich das Unternehmen insgesamt am Strommarkt verhält, unabhängig von vielleicht einzelnen angebotenen Öko-Tarifen. Und die Neuerung zeigt Wirkung: Nachdem der EEG-Anteil beim gesamten Unternehmensmix nicht mehr ausgewiesen werden darf, wurde deutlich, dass viele Versorger deutlich weniger Ökostrom einkaufen, als sie zuvor angegeben haben.

Greenwashing durch Ausweisung von EEG-Anteilen?

Dass in der Stromkennzeichnung für jeden Tarif auf dem Markt ein gewisser EEG- und damit Grünstrom-Anteil abgebildet werden soll, ist erst einmal befremdlich. Der Grundgedanke ist dabei allerdings durchaus nachvollziehbar. Schließlich wurde die Förderung von Wind-, Solar- und Biomassekraftwerken nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bis Mitte 2022 über eine Umlage finanziert, die (fast) alle Stromverbraucher:innen bezahlt haben. Und der Gesetzgeber wollte dann, dass sich der Gegenwert dieser Förderung eben auch auf den Stromrechnungen widerspiegelt. Daher wurde die Kategorie „Erneuerbare Energien, finanziert aus der EEG-Umlage“ – beziehungsweise nach der Abschaffung der Umlage ab 2023 „Erneuerbare Energien gefördert nach dem EEG“ – eingeführt, die jeder Versorger abzubilden hatte, die aber noch nichts mit einer Beschaffung von Ökostrom zu tun hatte.

In der Praxis ergibt sich allerdings ein grundsätzliches Problem mit diesem Ansatz: Kaum jemand kennt den Unterschied zwischen dem Erneuerbaren-Anteil, der wirklich eingekauft wurde und dem, der nur über das „EEG-Kuchenstück“ zugewiesen wurde. Die Versorger und ihre Tarife erscheinen in vielen Fällen also deutlich grüner, als sie wirklich sind. Das hat sich mit der beschriebenen neuen, ergänzenden Abbildung zum Unternehmensmix zwar etwas gebessert, ist aber weiterhin nicht komplett abgeschafft.

Die Ausweisung des EEG-Anteils im Produktmix ist daher aus unserer Sicht heute nicht mehr zielführend. Durch die Abschaffung der EEG-Umlage ist die Erneuerbaren-Förderung mittlerweile vom Stromverbrauch entkoppelt. Die Mittel kommen vollständig aus dem Bundeshaushalt. Typische Standard-Tarife bringen die Energiewende somit nicht mehr voran und das sollte sich auch in der Stromkennzeichnung widerspiegeln. Aber es gibt auch noch weitere Verbesserungsmöglichkeiten.

Mögliche Weiterentwicklungen

Die Stromkennzeichnung soll Transparenz für die Verbraucher:innen bringen – das ist sinnvoll und ansatzweise gelungen, wenn auch die beschriebene Verzerrung durch den mit auszuweisenden EEG-Anteil kontraproduktiv wirkt. Aber gerade mit Blick auf die Qualität des Anteils Erneuerbarer Energien im jeweiligen Produkt bzw. im Beschaffungsverhalten der Anbieter wären sogar noch viel detailliertere Anforderungen möglich. Bisher ist es nämlich nur Pflicht, den Erneuerbaren-Anteil insgesamt auszuweisen – hier könnte auch nach den einzelnen regenerativen Energieträgern unterschieden werden, wie wir es bei naturstrom schon freiwillig machen.

Ein wichtiges Thema bei der Ökostromqualität ist auch, wie die Anbieter auf ihren Ökostrom-Anteil kommen. In vielen Fällen ist es nämlich so, dass einfach Graustrom von der Börse gekauft wird und parallel dazu Ökostrom-Herkunftsnachweise, mit denen dieser Graustrom dann grün eingefärbt wird. Oftmals kommen diese Nachweise aus alten Wasserkraftwerken in Norwegen, zu welchen es bis vor kurzem noch nicht einmal eine physische Verbindung im Stromnetz gab. Die Ökostromlieferung ist hier also ein reiner Papierhandel und bringt die Energiewende keinen Millimeter voran. Deswegen kaufen wir bei naturstrom den Ökostrom direkt bei den Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen bzw. erzeugen diesen selbst. Diese Zusatzinformation könnte eine sinnvolle Erweiterung der Stromkennzeichnung sein: Es würde also ergänzend dargestellt, bei welchen Anbietern die dargestellten Ökostrom-Anteile tatsächlich mit einer direkten Erzeugung bzw. Beschaffung von Ökostrom gekoppelt sind.

Auch regionale Kriterien oder sogar zeitliche Einordnungen zur Erzeugung genauso wie zum Alter der Öko-Kraftwerke, die an sich in den Ökostrom-Herkunftsnachweisen prinzipiell schon zu finden sind, könnten künftig mit in die Stromkennzeichnung einfließen und so diesem Transparenzinstrument einen noch höheren Mehrwert verleihen – auch wenn natürlich eine Ausweitung der angebotenen Informationen nicht in jedem Fall zu mehr Klarheit führt. Dennoch wären so stärkere Unterscheidungen zwischen den bisher einheitlich als „Ökostrom-Tarifen“ gelabelten sehr unterschiedlichen Angeboten möglich.

Trotz vieler Verbesserungsmöglichkeiten macht das Instrument der Stromkennzeichnung den Blick in die Stromrechnung nicht nur bunter, sondern gibt im besten Fall auch einen Ansporn zu mehr Nachhaltigkeit sowohl bei den Stromverbraucher:innen als auch bei den Anbietern.

Sven Kirrmann
sven.kirrmann@naturstrom.de

Unterstützt seit Juli 2019 von Berlin aus die naturstrom-Pressearbeit. Schon lange Jahre überzeugter Energiewender, auch beruflich. Unter anderem zuvor bei der Agentur für Erneuerbare Energien mit Kommunikation zu einer nachhaltigen Energieversorgung beschäftigt.

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