Auch 2024 bringt weltweit wieder neue Hitzerekorde, gleichzeitig waren die letzten zwölf Monate in Deutschland die nassesten seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Klimakrise lässt grüßen, hat sie doch einen reichlichen Anstieg sämtlicher Wetterextreme im Gepäck. Städte müssen sich an diesen neuen Status quo anpassen. Wie das in Düsseldorf funktioniert und was jeder selbst tun kann, lest ihr hier.
Es war der bis dato heißeste Tag des Jahres, als wir Kolleg:innen uns in der Düsseldorfer Altstadt trafen. Nicht etwa auf ein kühles Altbier – auf das wir gleich aber nochmal zu sprechen kommen – sondern für eine Führung der besonderen Art: den Stadtspaziergang „Klima (wandeln)“ von Visit Düsseldorf. Unser Guide: Jörg Allenstein, der Klimaanpassungs-Interessierten seit zwei Jahren zeigt, was die Landeshauptstadt schon tut, worauf zu achten ist und welches Potenzial für lebenswertere Städte in unseren Straßenzügen schlummert.
Was haben wir gelernt haben? Na, das:
1. Düsseldorf um 2100: Toulouse am Rhein
Die Klimakrise bringt vor allem eins: steigende Temperaturen – global und lokal. Schon jetzt ist Düsseldorf deutlich wärmer als noch vor einigen Jahrzehnten. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich dieser Trend noch verstärken. Gemäß Klimaprojektionen entsprechen die Temperaturen in der Landeshauptstadt dann voraussichtlich jenen des heutigen Toulouse. Die Stadt in Südfrankreich wird daher auch Düsseldorfs „Klimazwilling“ genannt, Toulouse Klimazwilling wiederrum ist Tunis. In der Klimakrise verbunden stehen die drei Städte im steten Austausch über die Herausforderungen der Klimaanpassung und helfen einander.
Leitfaden in Düsseldorf ist das „Klimaanpassungskonzept für die Landeshauptstadt Düsseldorf“, kurz: KAKDUS (ba dum tsssssss). Neben Analysen werden hier Strategien, Ziele und Maßnahmen gebündelt, die Orientierung für die weitere Arbeit geben.
2. Altbier – Klimaanpassung zum Trinken
Neu ist das Konzept der sogenannten Klimaanpassung jedoch keineswegs, viel eher haben sich Menschen schon immer nach Wetter und Klima gerichtet. Auch das Düsseldorfer Altbier ist schlussendlich ein logisches Resultat des – verglichen mit Städten mit kontinentalem Klima – deutlich milderen Klimas am Rhein. Es war vor der Industrialisierung schlicht zu warm für das Brauen von untergärigem Bier a la Pilsener. Die Herausforderungen der kommenden Jahr(zehnt)e liegen jedoch weniger im Brauen als im Bauen.
3. Verbaut, verplant und verdammt heiß – Problemviertel am Rhein?
Vom Altbier zur Altstadt: Die ist in Düsseldorf mit ihren engen Gassen und schicken historischen Gebäuden zwar (größtenteils) schön anzuschauen, aber leider alles andere als „cool“. Schon heute staut sich dort im Sommer die Hitze. Abkühlung? Fehlanzeige. Gerade angesichts der steigenden Zahl von Tagen – und vor allem
Nächten – mit deutlich über 20 Grad Celsius ein echtes Problem fürs Stadtklima.
Die Gründe für die Misere: Mit ihrem Gebäudebestand und historischen Straßenverläufen verhindert die Altstadt viele abkühlende Luftbewegungen. Kalte Luft aus den Parks östlich schafft es so kaum in die Altstadt. Nur der Rheinwind sorgt von Westen her noch für eine Durchmischung. Vielerorts steht die Luft jedoch in den Gassen und erwärmt sich. Und nicht nur sie: Auch die Gebäude werden die Wärme nicht los, gerade Asphalt und Beton heizen sich auf. Gleichzeitig gibt es zu wenige Grünflächen und bislang kaum Fassaden- oder Dachbegrünung. Die zugebauten oder gepflasterten Innenhöfe tun da ihr Übriges, dabei böten gerade sie die Chance, die aufgeheizte Stimmung als grüne Inseln abzukühlen. Aber hier weitreichend einzugreifen, ist nicht einfach.
4. Aus Grau mach Grün-Blau
Wie also die Altstadt abkühlen, ohne zu stark städtebaulich einzugreifen und den Charme zu gefährden? Zum Glück hat Düsseldorf mit Vater Rhein und Bruder Wind natürliche Klimaanlagen in unmittelbarer Nähe. Aber auch neue Strukturen müssen her. Bühne frei für den „Blaugrünen Ring“. Die Idee: Um den historischen Stadtkern sollen Grün- und „Blauanlagen“ entstehen – beziehungsweise die bestehenden Wasser- und Parkflächen noch besser für die Abkühlung der innenliegenden Stadt genutzt werden.
Im Zuge eines internationalen Wettbewerbs suchte die Stadt nach Lösungen für das Vorhaben. Rund 50 Vorschläge gingen ein, die 2022 Einzug in das städtebauliche Entwicklungskonzept fanden. Die Ideen reichen von umfassenden Begrünungen über Wasserspiele bis hin zu Freilegung und – so weit möglicher – Renaturierung der Düssel.
Die „Befreiung“ des namensgebenden Flusses soll einer weiteren Gefahr der Klimakrise begegnen: Denn neben Hitze stellen auch Starkregen-Ereignisse Städte vor Herausforderungen. Für diese braucht es Sickerflächen, aber auch breitere, möglichst natürliche Flussbetten, die Überschwemmungen verhindern oder mildern.
5. (Diese) Bäume sind die Zukunft
Zum Glück fängt Düsseldorf bei seinen Plänen nicht bei Null an. Mit dem Hofgarten nördlich und der Königsallee östlich der Altstadt bestehen schon wertvolle Ausgleichsflächen. Allerdings zeigt sich an der „Kö“ bereits seit Jahren, wie schwer es bestehende Grünflächen haben. Denn auch die Rosskastanien auf der historischen Flaniermeile leiden unter dem erhitzten Stadtklima. Die Zukunft gehört anderen Bäumen aus der ganzen Welt. So ersetzen robustere Ungarische Silberlinden langfristig einen Teil der Alleebäume. Sie und rund 190 weitere Arten stehen auf der „Zukunftsbaumliste Düsseldorf“. Diese eignen sich besonders gut für den urbanen Raum und die städtischen sowie klimatischen Einflüsse, die herkömmliche Bäume oft stressen.
Neben diesen bewussten Naturzugängen gibt es seit Jahren jedoch auch eine wachsende Zahl invasiver Arten, die ihre Eigenheiten mit sich bringen. Während sich die giftgrünen Halsbandsittiche – eigentlich in Afrika und Asien heimisch – seit den 80ern in Düsseldorf besonderer Beliebtheit erfreuen, mach
en zum Beispiel Kanadagänse oder auch verschiedenste andere Arten größere Probleme und verdrängen heimische Tiere und Pflanzen.
6. Neu Denken, neu Bauen
Neue Wege nehmen aber nicht nur Tiere und Pflanzen: Auch in Düsseldorfs Architektur tut sich was. So findet sich Europas größte Grünfassade in unmittelbarer Nähe zu Kö und Altstadt. 30.000 Hainbuchen verbessern dort das Mikroklima und sorgen für dringend benötigte Abkühlung. Das Potenzial für solche Dach- und Fassadenbegrünungen in Düsseldorf ist enorm und wird in den nächsten Jahrzehnten einen wichtigen Baustein für die Klimaanpassung spielen. Deshalb fördert die Stadt solche Maßnahmen schon heute.
Auch bei der Infrastruktur muss nachgesteuert werden und zwar von ganz unterschiedlichen Richtungen. In Toulouse und anderen Mittelmeer-Städten schon verbreiteter, doch in Deutschland noch immer die Ausnahme: öffentliche Trinkbrunnen. Bislang nur rund 20, sollen sie in den nächsten Jahren ein dichtes Netz durch die Düsseldorfer Innenstadt spinnen.
Straßen und Gehwege tun dies bereits, tragen durch die Versiegelung und ihre oft dunkle Farbe aber eher noch zu den Hitzeproblemen der Stadt bei. Bei Neubau oder Sanierung achtet die Landeshauptstadt daher darauf, möglichst hellere Flächen zu schaffen, die sich weniger schnell aufheizen.
Bei den Straßenbahngleisen geht es sogar noch nachhaltiger. Rund 10 Prozent sind bereits als Rasengleise angelegt und nutzen so eine vormals ungenutzte Fläche, um das Mikroklima zu verbessern.
7. Investitionen sind unvermeidbar
Die bewachsenen Gleise zeigen beispielhaft die Herausforderungen und Chancen der Klimaanpassung. Auf der einen Seite sind die Investitionen deutlich höher als konventionelle Ansätze, auf der anderen halten die angepassten Strukturen deutlich länger, da sie weniger Hitzeschäden nehmen.
Wie auch beim Kampf gegen die Klimakrise ist klar: Die Investitionen müssen kommen und je früher desto größere Wirkung können sie entfalten – sich aber auch schneller rechnen.
Düsseldorf, Toulouse, Tunis – Klimaanpassung als weltweite Aufgabe
So weit zu Düsseldorfs Herausforderungen und Lösungsansätzen in Sachen Klimaanpassung. Weltweit stehen Städte und Kommunen vor vergleichbaren Aufgaben. Aber es zeigt sich auch: Es ist machbar, unsere Lebensräume nicht nur an die neuen Gegebenheiten anzupassen, sondern in diesem Zuge auch noch lebenswerter zu machen.
Ihr wollt wissen, was in eurer Stadt oder Region für die Klimaanpassung geplant und getan wird? Dann schaut mal auf den Seiten eurer Umweltämter vorbei oder in den „Werkzeugkasten Stadtnatur“ des Bundesamt für Naturschutz.
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unterstützt seit Juni 2022 das Presseteam bei naturstrom. Zuvor arbeitete er im Veranstaltungsmanagement der Verbraucherzentrale NRW und beschäftigte sich dort mit den Themen Energie und Energieberatung.