Reiner Priggen: Rodungsstopp ist eine Chance für die Kommission und für die Energiewende

Reiner Priggen ist Vorstand des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW – und Mitglied der Kommission, die bis Ende des Jahres über den Kohleausstieg Deutschlands befinden soll. Für uns wirft er einen Blick auf den Status quo und erklärt, welche drei Hauptaufgaben die Kohlekommission hat.

Die Akteure könnten unterschiedlicher kaum sein – und doch handelt es sich um die gleichen Gegenüber wie bereits bei den vielen früheren Konflikten um die Energiewende. Sei es Wackersdorf, Gorleben oder Brokdorf: Auf der einen Seite hat sich erneut ein buntes Bündnis aus Bürgern, Umweltschützern und Aktivisten gebildet. Sie protestieren wieder für die Umwelt und für den Klimaschutz. Sie sind dagegen, die Reste eines mittelalterlichen Waldes abzuholzen, nur um dort klimaschädliche Braunkohle zu fördern. Auf der anderen Seite sehen wir einen milliardenschweren Energiekonzern, der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln seine wirtschaftlichen Interessen durchsetzen will.

Reiner Priggen, LEE NRW

Seit Dezember 2006 ist Reiner Priggen Vorstandsvorsitzender des LEE NRW. Foto: LEE NRW e.V.

Als würde diese Tatsache nicht bereits genügend Diskussionsstoff liefern, findet das Ganze ausgerechnet zu einem Zeitpunkt statt, an dem eine Kommission, als deren Mitglied ich berufen wurde, im Auftrag der Bundesregierung den Ausstieg  aus der Kohleverstromung vorbereiten soll. Für die Arbeit der Kohlekommission war es nicht gerade hilfreich, dass RWE die Rodung unbedingt erzwingen wollte.

Doch die Debatte bleibt nicht allein im Wald. Auch vor Gericht wird sie weitergeführt. Aktueller Höhepunkt: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass RWE den Hambacher Forst nicht roden darf. Zumindest bis über die Klage des BUND NRW in der Hauptsache entschieden ist. Das Hauruckverfahren, in dem die Bergbehörde und RWE über die Einwände des BUND hinweggehen wollten, hat das OVG nicht akzeptiert. Mit dem Märchen, die Stromversorgung in Deutschland würde gefährdet, wenn nicht umgehend der Hambacher Wald gefällt wird, hatten RWE und auch die Landesregierung versucht öffentlich Stimmung für die Rodung zu machen. Dem ist nun erst einmal ein Riegel vorgeschoben. Daraus ergibt sich für uns nun also die Chance in der Kommission die Sachfragen beim Kohleausstieg abzuarbeiten.

Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, im Volksmund auch „Kohlekommission“, verfolgt im klimapolitischen Teil drei Aufgaben: Sie soll Maßnahmen benennen, mit denen das 2030-er Ziel für den Energiesektor zuverlässig erreicht wird. Aus dem Klimaschutzplan der Bundesregierung ergibt sich hierfür die Vorgabe die Emissionen aus der Energiewirtschaft um 61 bis 62 Prozent im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern. Darüber hinaus soll sie einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, renaturierungs- und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen vorlegen.

Eine weitere Aufgabe ist es, Maßnahmen zum Beitrag der Energiewirtschaft vorschlagen, um die Lücke zur Erreichung des 40%-Reduktionsziels so weit wie möglich zu reduzieren. Das bedeutet auch: Die klimapolitischen Ziele in den Bereichen Verkehr und Gebäude sind nicht Aufgabe der Kommission. Die Kommission konzentriert sich auf die Kohleverstromung und dabei insbesondere auf die Braunkohle, weil dort an den Kraftwerken auch die Tagebaue und die damit verbundenen Beschäftigungspotentiale hängen.

Die dritte Hauptaufgabe der Kommission ist es, Vorschläge für den beschleunigten Strukturwandel in den Braunkohlerevieren zu machen. Als Kommission bereisen wir deshalb die drei noch aktiven deutschen Braunkohlenreviere: Mitteldeutschland (Halle), Lausitz (Cottbus) und das Rheinische Revier. Ein beschleunigter Strukturwandel ist notwendig, da durch das vorzeitige Abschalten der Kraftwerke und Tagebaue große Veränderungen auf die Regionen zukommen.

Die Kommission soll noch in diesem Jahr ein Ergebnis vorlegen, das von allen Seiten mitgetragen wird. Die Zeit wird also knapp. Der Streit um den Hambacher Forst ist jedoch noch lange nicht beendet und sein Ausgang bleibt ungewiss. Der aktuelle Rodungsstopp ist deshalb, ganz im Sinne der Deeskalation, mehr als angebracht.

Eines zeigt das starke Engagement der Demonstranten bereits jetzt: Die Bürgerinnen und Bürger wollen einen schnellen Kohleausstieg. Es geht nicht allein darum, die Bäume vor der Rodung zu bewahren – es geht ihnen um eine klimafreundliche Energiezukunft.

Autor: Reiner Priggen, Vorstand LEE NRW 

Titelbild: Clemens Weiß

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