Ein Siegel für den Klimaschutz: der Grüner Strom Label e.V.

Titelbild © Sonja Schwarz, Energieagentur RLP

Öko-Energie ist nicht gleich Öko-Energie. Um durch den Dschungel an vermeintlich klimafreundlichen Strom- und Gasangeboten zu navigieren, brauchen Verbraucher*innen Orientierungshilfen – wie das Grüner Strom- und Grünes Gas-Label des Grüner Strom Label e.V., zwei der strengsten Label für Öko-Energie in Deutschland. Wir sprachen mit Christian Knops, Kommunikationsleiter des Vereins und Leiter der Grünes Gas-Zertifizierung, über die Rolle von Biogas für die Energiewende, seine persönliche Motivation und die Gefahren einer möglichen Monopolisierung des Energiemarktes.

Hallo Christian! Verrate uns doch zum Warmwerden, was der Grüner Strom Label e.V. ist und worin ihr eure Mission seht.

Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland Mitte der 90er Jahre entstand die Idee zu einem hochwertigen Label für Ökostrom. So erfolgte 1998 die Gründung und Markteinführung des Grüner Strom-Labels. Initiiert von EUROSOLAR, BUND, NABU und weiteren Umwelt- und Verbraucherverbänden, verfolgt der Verein bis heute die Vision einer 100-prozentigen ökologischen und dezentralen Energieversorgung und das Ziel, Verbraucher*innen bei der Wahl des Ökostromtarifs transparent zu unterstützen.

Welche Verbindung habt ihr zu NATURSTROM?

NATURSTROM wurde im selben Jahr gegründet wie der Grüner Strom Label e.V. – und quasi von denselben Initiatoren. Zur Jahrtausendwende war NATURSTROM erster Labelnehmer des ersten Ökostromlabels in Deutschland und bei Einführung des Grünes Gas-Labels 2013 auch Vorreiter für das erste deutsche Biogaslabel.

Ein Grundgedanke war, dass man mit einem reinen Ökostromanbieter anderen Marktteilnehmern zeigen wollte, wie Öko richtig geht. Andererseits wollte man mit den Energieanbietern auch zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam eine Energiewende-Perspektive entwickeln. Das ist bis heute das Kernkriterium der Grüner Strom-Zertifizierung: Gemeinsam mit den Energieanbietern Energiewende-Projekte vor Ort zu fördern und umzusetzen.

NATURSTROM und der Grüner Strom Label e.V. kennen sich also schon von Kindesbeinen an. Das Schöne ist, dass wir seitdem gemeinsam gewachsen sind und die Energiewende stetig voranbringen.

Vielen Verbraucher*innen wird langsam die Rolle von echtem Ökostrom für den Klimaschutz bewusst. Wie sieht’s da bei Biogas aus?

Dass die Energiewende was Gutes ist, ist bei den Menschen angekommen. Viele setzen Energiewende aber mit Ökostrom gleich. Es ist wichtig, dass wir das öffentliche Bewusstsein für alle Bereiche der Energieerzeugung- und des -verbrauchs sensibilisieren. Ich versuche es mal in drei Stichpunkten:

  • Transparenz schaffen durch klare und ehrliche Kommunikation
  • Klare Abgrenzung der Energieanbieter von Fake-Produkten und Greenwashing
  • Bedeutung des Themas Wärmeversorgung für die Energiewende deutlich machen

Warum ist es überhaupt wichtig, eine nachhaltige Erdgas-Alternative zu nutzen?

Auch Erdgas ist ein fossiler Energieträger, dessen Vorkommen sich erschöpfen. Wir bekommen ja schon mit, wie Industrieländer versuchen, neue Quellen zu erschließen, sei es durch Fracking wie in Amerika oder im Mittelmeerraum, wo sich aktuell ein Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei entwickelt. Zudem setzt neben der Förderung auch die Verbrennung von Erdgas Treibhausgasemissionen frei, was auch zur Erderwärmung beiträgt. Erdgas kann also nur eine Brückentechnologie sein.

Die Produktion von Biogas verursacht zwar auch Emissionen, diese sind aber wesentlich geringer als bei fossilem Erdgas. Und selbst dabei gibt es noch Einsparpotenziale, z. B. durch die Verwendung von Ökostrom, moderner Anlagetechnik und dezentrale Produktion.

Gerade bei der Biogas-Produktion und -Nutzung vor Ort können unnötige CO2-Emissionen wegen langer Transportwege vermieden werden. Durch Bau und Betrieb einer Biogasanlage in der Region werden Gelder investiert und Arbeitsplätze geschaffen. Durch die Nutzung von biogenen Abfallstoffen zur Biogasproduktion oder Klärschlämmen in Kläranlagen wird die Kreislaufwirtschaft gestärkt. Durch die Nutzung von biologischen Rohstoffen vor Ort werden regionale Wirtschaftskreisläufe entwickelt. Im gesamten fördert Biogas also die regionale Wertschöpfung.

Eine dezentrale und regionale Biogasproduktion und -verbrauch vor Ort entlastet zudem die Netzinfrastruktur zur Verteilung des Energieträgers und unterstützt außerdem die Unabhängigkeit von der fossilen Energiewirtschaft.

Seit 2006 können Verbraucher*innen auch ihren Gasanbieter frei wählen und sich somit bewusst für ein nachhaltiges Angebot entscheiden. Doch was steckt eigentlich hinter dem Begriff Biogas?

Wie bei Ökostrom auch, gibt es auch für Biogas keine rechtsverbindliche Definition. Viele Versorger bieten unter dem Namen Biogas Erdgas mit einem ganz geringen oder auch gar keinem Biogasanteil an. Viele fragwürdige Tarife versprechen zudem, die durch den Verbrauch von Erdgas entstehenden CO2-Emissionen an anderer Stelle auszugleichen. Etablierte Standards gibt es wenige. Es besteht immer die Gefahr des Greenwashings: Mit fadenscheinigen Kompensationsmodellen werden Standardtarife schöngerechnet. Die realen CO2-Emissionen werden nicht reduziert und an der eigentlichen Energieversorgung ändert sich nichts – es wird weiterhin ausschließlich fossiles Erdgas verbrannt.

Unsere Trägerverbände und wir sehen das so: Echtes Biogas wird durch die Vergärung von biogenen Reststoffen (z. B. Bioabfälle oder Grünschnitt aus der Landschaftspflege) gewonnen. Dazu zählen auch Klärgase, die sich aus Klärschlämmen in Kläranlagen bilden und die Verwertung von umweltverträglich angebauten Energiepflanzen (sogenannte nachwachsende Rohstoffe – NawaRo).

Das Grünes Gas-Label garantiert, dass ein von uns zertifiziertes Produkt zu mindestens zehn Prozent aus Biogas besteht, das unter Verwendung von biogenen Reststoffen oder nachwachsenden Rohstoffen aus der Region umweltverträglich erzeugt wird.

Wie stellt ihr sicher, dass diese Kriterien auch wirklich eingehalten werden?

Die Energieanbieter haben sich vertraglich dazu verpflichtet, ihre zertifizierten Produkte für jedes Kalenderjahr überprüfen zu lassen. Dazu reichen sie Unterlagen ein, auf deren Grundlage geprüft wird, ob die Kriterien des Labels eingehalten wurden.

Der Zertifizierung liegt ein detaillierter Kriterienkatalog zu Grunde, der von Energieexperten entworfen wurde und von den Trägerverbänden regelmäßig überprüft und überarbeitet wird. Den Kriterienkatalog findet ihr auch auf unserer Website. Ein unabhängiger Gutachter (aktuell ist das die DVGW CERT GmbH) stellt sicher, dass alle Kriterien objektiv beurteilt werden und erfüllt sind.

Die Ergebnisse werden in einem Gutachten zusammengefasst. Der Grüner Strom Label e.V. entscheidet daraufhin, ob das Label verlängert wird und welche Auflagen gegebenenfalls damit verbunden sind.

Du bist seit 2012 beim Grüner Strom Label e.V. und feierst damit nächstes Jahr dein Zehnjähriges. Was verbindest du persönlich mit der Energiewende?  

Die Erneuerbaren Energien haben mich schon während meines Geographiestudiums fasziniert. Ich weiß noch, wie ich vor einer Bushaltestelle stand und festgestellt habe, dass Beleuchtung und Anzeigetafel durch Solarzellen und einem Akku betrieben wurden. Das fand ich total spannend.

Im Prinzip liefern uns Natur und Klima alle Möglichkeiten, um überall umweltschonend Energie produzieren zu können. Bis heute frage ich mich, worauf wir eigentlich noch warten. Wir haben die Technologie, das Know-how, den Rückhalt in der Bevölkerung und die menschengemachte Erderwärmung.

Nach wie vor müssen wir weiter und weiter Überzeugungsarbeit leisten, in der Politik und bei den großen Playern der Energiewirtschaft. Spannend und bewundernswert finde ich Menschen, die sich dem entgegenstellen und die Energiewende aktiv mitgestalten. Ob sie eine Bürgerenergiegesellschaft gegründet haben, Solar- oder Windkraftanlagen bauen oder glaubwürdigen Ökostrom beziehen – hier sind alle wichtig. Und dass wir mittlerweile fast 50 Prozent Ökostrom im deutschen Strommix haben, ist diesen Leuten zu verdanken. Energiewende ist nicht nur ein energiewirtschaftliches Projekt, das ist eine gesamtgesellschaftlicher Perspektivwechsel.

Und dazu möchte ich meinen Teil beitragen. Für mich ist es wichtig, in meinem Beruf auch einen Sinn zu sehen. Durch die Kommunikation zum Thema Energiewende auf der einen Seite und der fachlichen Betreuung des Grünes Gas-Labels auf der anderen Seite, kann ich viele meiner Gedanken und Ideen umsetzen und lerne immer noch dazu. Nicht zuletzt freue ich mich auch mit so tollen Kolleg*innen jeden Tag die Energiewende ein kleines Stückchen weiter voranzubringen.

Seit 1999 zertifiziert ihr unseren Ökostrom-Tarif naturstrom, 2013 zog naturstrom biogas als erster von euch zertifizierter Biogastarif nach. Eine Voraussetzung ist der Fördercent, den alle Labelnehmer pro Kilowattstunde in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren. Kannst du verraten, wie viele Projekte NATURSTROM und der Grüner Strom Label e.V. so schon zusammen unterstützt haben?

Insgesamt haben wir mit NATURSTROM schon 353 Projekte gefördert. Eines dieser spannenden Projekte ist die Nahwärmeversorgung in Lupburg. Durch die effiziente Versorgung basierend auf Erneuerbaren Energien können dort jährlich 655.200 Kilogramm CO2 eingespart werden. Wenn ihr mehr erfahren wollt, hört doch mal in unseren neuen Podcast rein. 😉

Wonach entscheidet ihr, welche Projekte ihr fördert?

Die Projekte sollen eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Energie aus erneuerbaren Quellen voranbringen, Pilotcharakter und Multiplikator-Wirkung haben sowie Impulse für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen vor Ort geben. Es gilt: Jedes Projekt, das mit Grüner Strom-Fördergeldern kofinanziert wird, muss vorab von uns geprüft und freigegeben werden.

Förderprojekte sollen vorrangig in Deutschland realisiert werden. Förderfähig sind jedoch auch einzelne Projekte außerhalb der EU in Schwellen- und Entwicklungsländern, sofern sie nach eingehender Prüfung unseres Zertifizierungsteams positiv bewertet und mit erfahrenen und verlässlichen Projektpartnern vor Ort durchgeführt werden.

Ihr seid Teil der Initiative #wirspielennichtmit, die sich gegen die EU-Genehmigung des E.ON-RWE-Deals engagiert, da sie eine Monopolisierung der Energiemärkte befürchtet. Worin besteht eure Motivation?

Richtig, diese Initiative unterstützen wir tatkräftig, da wir die Sorge teilen, dass durch eine Monopolstellung der beiden Konzerne – also E.ON und RWE – kleinere Player nach und nach verdrängt und die Preise für Verbraucher*innen angehoben würden.

Teil unserer Vision ist es, dass die Energieversorgung dezentral, bürgernah, gemeinwohlorientiert und fair gestaltet sein soll. Die Stärkung der Akteursvielfalt und umweltorientierter Energieanbieter spielt hier eine ganz wichtige Rolle. Deshalb können wir diesen Kuhhandel nicht akzeptieren und unterstützen die Initiative.

Vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Einblicke, Christian!

Dominique Czech
dominique.czech@naturstrom.de

ist seit April 2018 dabei und schreibt für naturstrom über alles rund um die Energiewende. Jenseits des Büros bewegen sie die Themen Ernährung, Konsum und Mobilität – aber bitte in nachhaltig.

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