Große Konzerne statt Energie in Bürgerhand? Wie die Pläne der Energieministerin Bürgersolarprojekte gefährden

21.10.2025

 – Franziska Mehrbach

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„Klimaneutral werden – wettbewerbsfähig bleiben“ – das ist die Überschrift der zehn Schlüsselmaßnahmen, die Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche aus dem Monitoringbericht zur Energiewende zieht. Akteure aus der Bürgerenergie-Szene bezweifeln, dass die Pläne tatsächlich für einen fairen Wettbewerb sorgen und eine rasche Energiewende fördern. Wir haben unsere Partner-Genossenschaften nach einem aktuellen Stimmungsbild gefragt.

Joachim Scherrer, Vorstandsvorsitzender der Bürger Energie Region Regensburg eG (BERR eG) © Christoph Gabler

„Uns würde ein Geschäftsmodell wegbrechen. Wir sagen unseren Kommunen schon jetzt, dass sie sich nicht zu viel Zeit lassen sollen, um ihre PV-Dächer umzusetzen“, meint Joachim Scherrer zu einer möglichen Streichung der Einspeisevergütung für kleinere Solaranlagen. Er ist Vorstandsvorsitzender der Bürger Energie Region Regensburg eG (BERR eG), die bereits viele Photovoltaik-Dachanlagen in der Region gebaut hat, besonders auf kommunalen Liegenschaften wie Schulen oder Feuerwehrhäusern. 

Schon vor der Veröffentlichung des Zehn-Punkte-Plans des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) hatte Katherina Reiche angekündigt, die Förderung für neue Photovoltaik-Anlagen auf Privatdächern zu überdenken. Diese würden sich auch ohne Förderung wirtschaftlich tragen und seien zudem unzureichend in den Strommarkt integriert, meinte sie bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Monitoring-Berichts zur Energiewende. „Gerade bei Photovoltaik auf kommunalen Dächern ist die Einspeisevergütung ausschlaggebend, da der Solarstrom in vielen Gebäuden nicht direkt verbraucht werden kann. Die neuen Pläne führen bei uns zu Unsicherheiten in der Planung und gefährden echte Projekte“, so Scherrer.

Wer durfte mitreden beim Zehn-Punkte-Plan?

Auch Dr. Lutz Bötcher, Genossenschaftler der niedersächsischen BürgerEnergie Osteland e.G., befürchtet einen Rückschritt: „Die Pläne schaden einer weiteren Dezentralisierung der Energieversorgung und einer Teilhabe der Bürger:innen. Gleichzeitig wird wieder lokales Handwerk, welches ein wichtiger Partner der Energiewende vor Ort ist, ausgebremst. Klimaschutz darf nicht gegen die wirtschaftlichen Interessen der fossilen Lobbys aufgerechnet werden.“

Dr. Lutz Bötcher, Genosse und Aufsichtsrat der BürgerEnergie Osteland e.G. © Ernst Ryll

Damit greift Bötcher einen Kritikpunkt auf, der von vielen Seiten an Reiche herangetragen wird. Ihre energiewirtschaftlichen Empfehlungen seien demnach stark von der Lobby der fossilen Energiekonzerne geprägt. Inhaltlich scheint der Zehn-Punkte-Plan teilweise weniger von den Ergebnissen des Monitoring-Berichts und mehr von einem Positionspapier der Energiekonzerne E.ON und RWE beeinflusst.

In den Sozialen Medien beobachten und kritisieren wir die politischen Entwicklungen, wenn nötig. © naturstrom AG

Die Bedenken sind durchaus begründet: Wieso wird „die konsequente Abschaffung der fixen Einspeisevergütung“ im Zehn-Punkte-Plan gefordert, wenn der zugrundeliegende Monitoring-Bericht „keine grundlegenden Änderungen in den Umsetzungsvoraussetzungen wie […] wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ empfiehlt, damit das EEG-Ziel bei der Photovoltaik erreicht werden kann?

Stattdessen scheinen manche Forderungen aus dem Papier der Energieriesen übernommen worden zu sein, so auch bei der Kürzung der Solarförderung. E.ON und RWE fordern hingegen – wie jetzt auch die Ministerin –, dass kleinere Stromerzeuger „keine fixe Einspeisevergütung mehr erhalten (insbesondere auch Aufdach-PV)“ sollten.

Investitionen werden fehlgeleitet

Auch für Peter Mießl von der Bürgerenergie-Genossenschaft im oberbayerischen Schrobenhausen sind die Pläne nicht nachvollziehbar: „Eine geringere Vergütung würde dazu führen, dass viele Privatleute und Genossenschaften nicht mehr in Solardächer investieren. Das verzögert die Energiewende unnötig, weil diese Flächen dann nicht genutzt werden.“ Die Genossenschaft selbst betreibt mehrere Photovoltaik-Anlagen auf kommunalen und privaten Dächern.

Aktuell in der Planungsphase befinden sich mehrere Anlagen auf Liegenschaften von Kommunen, Industrie und Gewerbe. Gerade erst wurde eine 250 kWp starke Anlage für ein Feuerwehrhaus in Wemding gebaut, zu 100 Prozent finanziert von den Bürger:innen vor Ort. „Die aktuelle Regierung sollte jetzt lieber in Erneuerbare Energien und den Netzausbau investieren, statt in Gaskraftwerke oder später in teure Klimafolgekosten“, weiß Mießl, der die wechselnde Förderlandschaft schon seit über 30 Jahren miterlebt.

Peter Mießl, Vorstandsvorsitzender der Bürger-Energie-Genossenschaft Neuburg-Schrobenhausen-Aichach-Eichstätt eG ©lcoygermany

„Das sind doch keine Neuigkeiten. Schon auf dem Energiegipfel 2018 in München habe ich Herrn Aiwanger und seine Kollegen darauf hingewiesen, dass die Kapazitäten der Verteilnetze dringend ausgebaut werden müssen, damit die Energiewende in Bayern und ganz Deutschland gelingt“, berichtet auch der eingangs erwähnte Joachim Scherrer aus Regensburg. „Dass die Erneuerbaren unsere wahren Strompreisbremsen sind, müsste mittlerweile auch die CDU wissen. Der aktuelle Fahrplan führt aber leider in die falsche Richtung und macht es der Bürgerenergie-Branche unnötig schwer.“

Das grundsätzliche Ziel „Erneuerbare Energien markt- und systemdienlich“ zu fördern ist sinnvoll und steht nicht im Gegensatz zu einer bürgernahen Energiewende. Wenn jedoch ein wissenschaftlich fundiertes Monitoring in Auftrag gegeben wird, das am Ende 259 Seiten umfasst, sollten die darin enthaltenen Umsetzungsoptionen nicht mehr Beachtung in den politischen Schlussfolgerungen finden? Ideen wie leistungsbezogene Prämien oder eine Nachrüstung von intelligenten Messystemen für PV-Anlagen gibt es im Bericht genug. Diesen Schritt zu mehr Flexibilität wünschen sich auch viele Bürgerenergie-Gemeinschaften, vorschnelle Drohungen von Komplettstreichungen dagegen eher nicht.

Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die schwarz-rote Regierung wolle die Bürgerenergie stärken, sehen die meisten unserer Partner-Genossenschaften bislang jedenfalls nicht erfüllt.

  • ist seit 2020 bei naturstrom und unterstützt das Team „Bürgerenergie & projektbegleitende Kommunikation“ seit 2022.

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Eine Antwort

  1. Es wäre nicht das erste Mal, dass Politik die auf wissenschaftlich fundierten Quellen basierenden dringlichen Empfehlungen hinter den fossilen Konzernlobbyismus stellt und damit den Fortschritt bremst. Dieses chronische Stillstandsverhalten muss endlich aufhören, damit die dann freiwerdenden Ressourcen in die Stärkung der Nachhaltigkeitsbewegung investiert werden können, Frau Reiche!

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