„Bürgerbeteiligung ist für das Gelingen der Energiewende extrem wichtig“ Stefan Jessenberger, EWERG eG

„Umwelt schützen – Zukunft sichern“ ist das Motto der Bürgerenergie-Genossenschaft Energiewende Erlangen und Erlangen-Höchstadt eG, kurz EWERG eG, die sich dafür einsetzt, eine zukunftsfähige Energieversorgung für ihre Region zu schaffen. Stefan Jessenberger ist Vorstand und Geschäftsführer der mittelfränkischen Genossenschaft, die mit zahlreichen erfolgreich umgesetzten Erneuerbare-Energie-Projekten, circa 380 Mitgliedern und einer erzielten CO₂-Einsparung von etwa 4.200 t pro Jahr bereits große Erfolge für den Klimaschutz bewirkt hat. Im Interview spricht er über die Erfolgsgeschichte der Genossenschaft und erklärt, warum Bürgerbeteiligung essentiell für das Gelingen der Energiewende ist.

Aktive der Regionalgruppe Fürth, Nürnberg und des Vorstandes der EWERG

Stefan, nach über zehn Jahren Bestehen der EWERG seid ihr nicht nur konstant aktiv, sondern schafft es auch stetig neue Mitglieder zu generieren. Vor kurzem habt ihr euch sogar um zwei Regionalgruppen erweitert. Was ist euer Geheimnis?

Die Erweiterung um die beiden Regionalgruppen ist ein Verdienst der Aktiven in Fürth und Nürnberg, die sich eigenständig auf den Weg gemacht haben, die Energiewende voranzutreiben. Wir konnten sie überzeugen, dass es Sinn macht, sich einer bereits gut funktionierenden Genossenschaft anzuschließen und die Ressourcen für den Aufbau einer eigenen Genossenschaft einzusparen. Unser Erfolg ist schlicht der großen Überzeugung der Aktiven geschuldet, mit der gemeinschaftlichen Errichtung von PV- und Windkraft-Anlagen einen substanziellen Beitrag zum regionalen Klimaschutz zu leisten.

Neben der Projektierung und dem Betrieb von eigenen Anlagen informiert ihr Bürgerinnen und Bürger auch aktiv über regionale Energiewendethemen und Klimaschutz. Woher nehmt ihr die Kapazitäten?

Eine große Rolle spielt, dass es neben der Genossenschaft den unabhängigen Verein Energiewende Erlangen / Erlangen-Höchstadt gibt, der z. B. mit Informationsveranstaltungen oder ehrenamtlichen Beratungsangeboten viele Menschen erreicht. Durch die Gründung von Ortsgruppen des Vereins und die Möglichkeit in der eigenen Kommune oder dem eigenen Stadtteil gemeinsam aktiv werden zu können, gelingt es Menschen zum Mitmachen zu gewinnen. Einige hiervon bringen sich dann wiederum in der Genossenschaft ein.

Ihr seid auch im Thema Regionalstrom unterwegs. Mit bavariastrom können Menschen in Bayern regionalen Ökostrom beziehen. Auch ein Solarpark, den ihr zusammen mit naturstrom und anderen Energiegenossenschaften gebaut habt, produziert Strom dafür. Wieso ist das für eure Genossenschaft interessant?

Als Mitgründer von bavariastrom war es uns wichtig, dass der Strom, der von bayerischen Bürgerenergie-Gesellschaften produziert wird, ein eigenes Gesicht bekommt.
Wir sind überzeugt, dass sich hierdurch mehr Menschen zum Wechsel zu einem echten Grünstrom-Tarif überzeugen und dauerhaft halten lassen.

Regionalgruppe Fürth der EWERG

Ganz allgemein gefragt: Warum ist Bürgerbeteiligung wichtig für das Gelingen der Energiewende?

Bürgerbeteiligung ist für das Gelingen der Energiewende extrem wichtig. Nur über eine echte, faire und zeitlich unbegrenzte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort kann die dauerhafte Akzeptanz geschaffen werden, um die Transformation unseres Energiesystems hin zu einem CO₂-freien Energiesystem zu bewältigen.

Regionalgruppe Nürnberg der EWERG

Stichwort Energy Sharing: Hierbei wird es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, nicht mehr nur Energieerzeugungs-Anlagen gemeinsam zu betreiben, sondern den Strom ihrer Anlagen auch gemeinsam vergünstigt nutzen zu können. Bisher ist dies gesetzlich kaum möglich bzw. finanziell unattraktiv. Welches Potenzial seht ihr in diesem Modell der gemeinschaftlichen Stromnutzung?

Grundsätzlich sehen wir hier ein sehr großes Potential, sofern die Umsetzung im Sinne der Europäischen Verordnung erfolgt. Die Vorteile müssen dabei nicht auf Bürgerinnen und Bürger beschränkt bleiben. Auch lokale Betriebe und Unternehmen könnten hiervon profitieren. Österreich macht es vor, wie man mit Ortsnetztarifen und damit reduzierten Netznutzungsentgelten einen finanziellen Anreiz zum lokalen Ausbau Erneuerbarer-Energie-Anlagen schafft. Leider hat die alte Bundesregierung dieses Thema ausgesessen, obwohl der Rechtsrahmen schon Mitte 2021 hätte geschaffen sein müssen. Aber auch bei der aktuellen Regierung erhält dieses Thema leider nicht die höchste Priorität.

Einweihung des Solarpark Uttenreuth

Genießt die Bürgerenergie eurer Meinung nach den nötigen Stellenwert bei der Bundesregierung? Was wünscht ihr euch von der Ampelregierung?

Die aktuelle Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass der Ausbau der Erneuerbaren nun zügig voran geht. Auch für die Bürgerenergie gibt es an der ein oder anderen Stelle Erleichterungen, die es uns mit unseren begrenzten Personal- und Finanzressourcen ermöglichen, auch größere Projekte zu realisieren. Allerdings entstehen durch die Nutzung der Ausnahmeregelungen zum Teil erhebliche Einschränkungen. So dürfte sich eine Genossenschaft nach aktueller Lesart des EEG beispielsweise nach Inanspruchnahme einer Festvergütung für eine große Dach-PV-Anlage (> 1 MWp) in den darauffolgenden drei Jahren nicht an einer normalen, wettbewerblichen Ausschreibung für eine solche Anlage beteiligen. Eine schlüssige Begründung hierfür gibt es nicht. Entsprechend besteht hier aber auch an anderen Stellen noch dringender Handlungsbedarf.

Melanie Kühl und Nina Lang

engagieren sich bei naturstrom im Team „Bürgerenergie & projektbegleitende Kommunikation“ für den Ausbau der dezentralen, bürgernahen Energiewende.

naturstrom Team
onlinemarketing@naturstrom.de

Unter diesem Profil schreiben NATURSTROM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, die nicht zu den regelmäßigen Blog-Autoren gehören.

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