10 Jahre (und mehr) Energie in Bürger:innenhand – die gemeinsame Mission von naturstrom und Bündnis Bürgerenergie

07.08.2024

 – Franziska Mehrbach

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Lesezeit ca. 5 Minuten

Mit der Energiewende nicht nur eine nachhaltigere, sondern auch eine dezentrale und demokratischere Energieversorgung zu gestalten, das war Auslöser für die Gründung von naturstrom im Jahr 1998. Seither haben wir mit vielen Mitstreitern fleißig Erneuerbare-Energien-Anlagen gebaut, grüne Energie verteilt und uns politisch für diese Ziele eingesetzt. Unter anderem waren wir bereits 2014 bei der Gründung des Verbands Bündnis Bürgerenergie e.V. dabei – genauso wie 10 Jahre später beim diesjährigen Jubiläums-Konvent. Vorhang auf für „Was bisher geschah …“

100 Prozent Ökoenergie für alle, verankert bei und getragen von den Menschen vor Ort – das war von Anfang an die Vision von naturstrom. Dieser Fokus auf die dezentrale und bürgernahe Energiewende wurde 2012 in einer Wachstumsphase des Unternehmens durch die Gründung einer eigenen Bürgerenergie-Abteilung auch institutionell verankert. Das Team „Bürgerenergie“ mit inzwischen acht Kolleg:innen  treibt seither das Netzwerk mit Bürgerenergie-Gemeinschaften aktiv voran. Eine der ersten Maßnahmen lieferte 2013 und 2014 die Seminarreihe „Gemeinsam.Gewinnen.Gestalten“, die Bürgerenergie-Aktive unter Anderem in Fulda und Kassel zusammenbrachte. Zentrale Forderung war eine stärkere politische Stimme für die Bürgerenergie – ein wichtiger Impuls für die Gründung eines bundesweiten Interessensverbandes.

Dr. Thomas Banning, damaliger Vorstandsvorsitzender der naturstrom AG beim Seminar „Gemeinsam.Gewinnen.Gestalten“ im Mai 2014 in Kassel © naturstrom

„Wir brauchen eine Wende!“ – das forderte 2013 auch ein Zusammenschluss von verschiedenen Energiewende-Aktiven wie dem BUND, dem Netzwerk „Energiewende Jetzt“, der Bürgerenergie Berlin und verschiedenen Stiftungen zur anstehenden Bundestagswahl. Und zwar „die Wende für Energie in Bürgerhand“! Die Kommunikationskampagne hatte eine deutliche Botschaft an die Politik: Ohne bürgerschaftliches Engagement geht es nicht! Deswegen sollte es anerkannt und gefördert werden, auch in der Gesetzgebung. Im Rahmen der Kampagne unterzeichneten schließlich über 10.000 „Energiebürger“ eine Energiewende-Charta für bessere Rahmenbedingungen – ein klares Signal!

Kampagne „Die Wende – Energie in Bürgerhand“ © Jörg Farys

Die geballte Energie des zunächst noch informellen Zusammenschlusses ließ sich nicht aufhalten, wenige Monate später ging aus den Formaten das Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) hervor – offiziell gegründet am 28. Januar 2014! Auch naturstrom war unter den elf Initiator:innen und stellte mit Dr. Thomas E. Banning den ersten Vorstandsvorsitzenden des neuen Verbands. Im Aufsichtsrat sitzt seit jeher ein Mitglied für naturstrom – derzeit unsere Kollegin Silke Bartolomäus, die bei naturstrom auch die Bürgerenergie-Abteilung leitet.

Foto von der Gründungssitzung des BBEn am 28.01.2014 © BBEn/Silke Reents

Sie damaligen Mitglieder des Vorstand-Teams erklärten in einem Interview mit unserer energiezukunft, dass das neue bundesweite Netzwerk vor allem die Brücke zur Politik in Berlin ist. Die Kräfte bündeln, den vielen Ehrenamtlichen eine Stimme geben und bürgerenergie-freundliche Gesetze voranbringen, diese Vision ist heute so maßgebend wie schon vor 10 Jahren. Damals mit dem „neuen EEG 2014“ als Gegenstand, 2024 mit Forderungen zu Energy Sharing und einem Bürgerenergie-Gesetzespaket – die Mission bleibt aktuell.

Meilensteine setzen – und auch feiern

Was sich mittlerweile als Klassentreffen der Bürgerenergie etabliert hat, hatte am 17. und 18. Oktober 2014 in Berlin seinen Ursprung. An diesem Wochenende vor 10 Jahren tagte der erste Bürgerenergie-Konvent. Vorläufer waren die Netzwerktreffen der naturstrom-Seminarreihe „Gemeinsam.Gestalten.Gewinnen“, die den Wunsch gestärkt haben, sich regelmäßig mit Gleichgesinnten aus allen Regionen zu auszutauschen. Beim ersten Konvent wählten die Teilnehmenden auch den Rat für Bürgerenergie als fachlichen Beirat für das BBEn. Zu den ersten und immer noch währenden Ratsmitgliedern gehört EEG-Vorreiter Hans Josef Fell. Später hinzugestoßen sind unter anderem Claudia Kemfert und Volker Quaschning.

Erster Bürgerenergie-Konvent 2014 in Fulda © BBEn

Erfurt, Bochum, Mannheim… damit alle teilhaben und mitfeiern können, findet der Konvent jedes Jahr an einem anderen Ort in Deutschland statt. Regelmäßig kommen über 100 Teilnehmende zusammen und tauschen Erfolgsgeschichten und Wissen aus, auch Interessierte aus dem Ausland sind immer öfter unter den Gästen. Und jedes Mal senden die Aktiven klare Aufforderungen an die Politik: faire Wettbewerbsbedingungen für die Bürgerenergie zu schaffen, damit unsere Energieversorgung nicht den oligopolistischen Energieversorgern überlassen wird. Auf diesem Weg begleiten einige echte Ökoenergieversorger das Bündnis von Anfang an. Was echter Ökostrom ist und welche „Ökostromer“ Mitglied im Bündnis sind, erklärt die ansprechende Broschüre „Klimaschutz zum Selbermachen“. Zu speziellen Anlässen werden von den Mitgliedern gemeinsam Studien in Auftrag gegeben oder politische Stellungnahmen veröffentlicht, wie zum Beispiel 2022 das „Energy Sharing-Verbändepapier“. Ein Thema, das nach wie vor noch auf seine gesetzliche Entfesselung wartet.Auch ganz konkrete Aktionen entstehen zusammen:
Beispielsweise richteten im September 2019 naturstrom und das BBEn eine Solarparty im Berliner Möckernkiez aus – sowohl als nachbarschaftlichen Informationsaustausch zur Nutzung von Sonnenstrom wie auch als politisches Statement, in dem Fall etwa mit einem Aufruf zur Vereinfachung des Mieterstromgesetzes.

Im August 2021 reicht eine Bürgerenergie-Allianz inkl. BBEn und naturstrom EU-Beschwerde gegen Deutschland ein. Warum? Weil die Bundesregierung längst die Frist zur Umsetzung der europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie RED II versäumt hat. Und damit auch bedeutende Erleichterungen für Mieterstrom-Gemeinschaften und weitere kollektive Stromversorgungskonzepte.Einige Konvente und 10 Jahre später ist die Bürger:innenhand so aktiv wie nie. Zurück am Ursprungsort in Berlin haben sich im April 2024 über 250 Menschen –  sowohl „Energiebürger:innen“ der ersten Stunde als auch junge Energiewende-Begeisterte – versammelt. Und das Motto „So viel Energie wie noch nie“ ist nicht nur eine Floskel. Zwei neu gewählte Vorstände leiten ab sofort das nun vier- statt zweiköpfige Team. Außerdem eine Überraschung: der Launch des neuen Beratungsangebots des BBEn, das sprichwörtlich von einem „Zauberer“ aus den Reihen des Bündnisses aus dem Hut gezogen wird. Er verrät, wie sich Energiegemeinschaften ab sofort Expert:innen für den Gründungsprozess oder das Aufgreifen neuer Geschäftsfelder an ihre Seite holen können.Weitere Highlights: der Birthday-Slam mit Beiträgen langjähriger Wegbegleiter:innen und die einmalige Jubiläumstorte, die unter Jubeln der Gäste angeschnitten wird. Und natürlich die Carrerabahn: auf zwei Fahrrädern mit Strom können die Teilnehmenden selbstgebaute Rennwagen um die Wette fahren lassen – Energie in Bürger:innenhand und -bein! Am abendlichen Lagerfeuer hängen dann viele noch ihren Ideen für die Zukunft nach.

So viel Energie wie noch nie! Geburtstagstorte zum 10-jährigen Jubiläum des BBEn am Bürgerenergie-Konvent 2024 © BBEn/Silke Reents

Und das bereits erwähnte, so vielversprechende Energy Sharing? In der Podiumsdiskussion haben Bundestagsabgeordnete in Aussicht gestellt, dass es noch dieses Jahr einen passenden regulatorischen Rahmen geben soll. Wie solche Rahmenbedingungen im Sinne der Bürgerenergie aussehen können, haben Mitglieder des BBEn – unter anderem naturstrom – bereits im April 2023 in einem Eckpunkte-Papier zum Energy Sharing festgehalten. Den aktuellen politischen Stand bewertet Kollege Sven im aktualisierten Blogbeitrag.

Die Bürgerenergie-Gemeinschaften bleiben aber nicht in der Warteposition, sie setzen weiter fleißig Projekte für die Energiewende vor Ort um. Sechs solcher Beispiele präsentieren die Mitglieder auf der Bühne, unter Anderem ein mit Solarenergie versorgtes Nahwärmenetz, ein Gebäude mit Mieterstrom und Carports, die noch großes Potenzial für die bürgerschaftliche Solarenergie bieten.

Gleichgesinnte und Engagierte treffen, Informationen teilen, politischen Handlungsbedarf kanalisieren – das macht die Arbeit des BBEn aus und schafft auch an diesem Wochenende Motivation für die nächsten 10 Jahre Energie in Bürger:innenhand. Auf dieser Mission bleibt naturstrom weiterhin an Bord, ob mit inhaltlicher Mitarbeit in den Arbeitsgemeinschaften des BBEn oder mit neuen Bürgerwind- und -solarparks. Wir stimmen genauso wie die Gäste des Konvents der Botschaft von Volker Quaschning zu: „Heute ist ein guter Tag, um die Welt mit Bürgerenergie zu retten!“

  • ist seit 2020 bei naturstrom und unterstützt das Team „Bürgerenergie & projektbegleitende Kommunikation“ seit 2022.

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